EU-Kommissar John Dalli will einem Bericht der Welt zufolge Einheitspackungen für Zigaretten einführen. Offiziell ist der Entwurf noch nicht, doch die Novelle der Tabakproduktrichtlinie könnte den Weg nicht nur für diese Neuerung ebnen. Ob Raucher bald braune Packungen ohne Aufdruck kaufen und die Tabakkonzerne das hinnehmen müssen, erklärt Stephan Schäfer.
Seit einigen Jahren wird die Luft für die Zigarettenindustrie immer dünner. So darf ein berühmter Cowboy schon längst nicht mehr in Europas Wohnzimmern, sondern höchstens noch im Kinosaal das Lasso schwingen. Bald wird er wohl Seil und Glimmstengel endgültig an den Nagel hängen. Nach und nach werden die letzten Refugien der reitenden Raucherikone zur gesetzlichen Nichtraucherzone.
Streng reglementiert ist aber nicht nur die Tabakwerbung. Vielmehr hat die EU mit der Richtlinie 2001/37/EG bereits vor über zehn Jahren auch das so genannte Tabakproduktrecht harmonisiert und darin Rahmenregeln über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakwaren getroffen. Nun steht eine Überarbeitung dieses Regelwerks an. Und EU-Kommissar John Dalli, zuständig für Gesundheit und Verbraucherpolitik, hat große Pläne: 125 Seiten mit Veränderungsvorschlägen umfasst nach einem Bericht von welt.de ein erstes Konzept, das er seinen Kommissionskollegen in diesen Tagen als Diskussionsgrundlage für einen gemeinsamen Gesetzesentwurf zur Verfügung stellt.
Besonders einer seiner Vorschläge bringt die Tabakindustrie schon in diesem frühen Stadium des Gesetzgebungsverfahrens zur Weißglut: Dalli will Einheitspackungen einführen, das so genannte "Plain Packaging".
Der Plan: Rauchen soll nicht mehr sexy sein
Danach soll die Form und äußere Gestaltung der Packung, zum Beispiel der Zigarettenschachtel, bis ins letzte Detail vorgegeben werden. Insbesondere will der EU-Kommissar das Anbringen der Wort- oder einer Bildmarke ebenso verbieten wie grafische Gestaltungselemente. Der Name der Marke soll nur in einer für alle Produzenten normierten Schriftart und –größe angebracht werden dürfen.
Die Gesundheitspolitiker erhoffen sich von solchen Einheitspackungen, Rauchen unattraktiv zu machen. Tatsächlich wird der Zigarettenkauf im Kiosk erschwert, wenn der Konsument nicht mehr auf einen Blick seine Lieblingssorte identifizieren kann. Beraubt man Zigaretten ihres sexy Auftritts, so das Kalkül, geht damit auch die Zahl der Raucher in Europa zurück und die gesundheitsschädlichen Folgen des Rauchens werden vermindert.
Australien ist das erste Land, in dem es ab Dezember 2012 Zigaretten nur noch in solchen Einheitspackungen zu kaufen gibt. In Europa bekämpft die Industrie deren Einführung vehement und will dabei offenbar den Anfängen wehren. Denn aktuell planen die Brüsseler Beamten noch gar keine vollständige, sondern nur eine abgemilderte Vorstufe zu Einheitspackungen: Sie wollen die Fläche für den obligatorischen Warnhinweis mehr als verdoppeln, so dass den Herstellern weniger Raum für das eigene Design der Schachtel bleibt. Nach spätestens fünf Jahren soll auch mit den letzten Gestaltungsspielräumen Schluss sein: Volles Plain Packaging lautet das Endziel.
Zweifelhafter Nutzen: Nur von Marke A zu Marke B
Nicht einmal die Zigarettenindustrie bestreitet heute die schädlichen Wirkungen von Rauchwaren auf die Gesundheit. Trotzdem und obwohl aus dem Tabakkonsum schwerste volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen resultieren, muss man die Berechtigung von Einheitspackungen bezweifeln.
Die weltbekannten Wort- und Bildmarken der Hersteller werden nämlich durch Art. 17 der europäischen Grundrechte-Charta (GRCh) geschützt. Die Funktion der Marke besteht vor allem darin, dem Kunden die Herkunft eines Produkts zu garantieren und ihm mitunter auch gewisse Inhalte zu kommunizieren. Einheitspackungen würden völlig verhindern, dass Marken diese Funktion noch erfüllen können. Sie beeinträchtigen das Eigentumsrecht massiv. Der Europarechtler Werner Schroeder aus Innsbruck bezeichnete dies in der Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht jüngst als de-facto Enteignung.
Freilich kann nach der Grundrechte-Charta sogar dieser Eingriff gerechtfertigt sein, wenn er verhältnismäßig im Blick auf das verfolgte Ziel ist. Gesundheitsschutz heiligt sicher viele, aber nicht alle Mittel. Hier wiegt der Umstand schwer, dass nach den Erkenntnissen der Konsumentenverhaltensforschung Einheitspackungen schon nicht geeignet sind, um die erwünschten Verhaltensänderungen herbeizuführen: Konfrontiert man einen Raucher der Marke A mit Einheitspackungen, wird er vielleicht mit abnehmender Markenprägung zum Raucher der Marke B, aber noch lange kein Nichtraucher.
Grenzen in Luxemburg: Die Entkernung des Eigentumsrechts
Europarechtler Schroeder verweist auch auf ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur Verhältnismäßigkeit der Tabakproduktrichtlinie 2001/37/EG (EuGH, Urt. v. 10.12.2002, Az. C-491/01). Die verpflichtend eingeführten Warnhinweise beurteilten die Richter im Jahr 2002 als gerade noch zulässigen Eingriff in das Eigentum.
Damit ist aus Sicht des höchsten europäischen Gerichts wohl die Schmerzgrenze erreicht. Die jetzt geplante vollständige Einschränkung der freien Verpackungsgestaltung würden die Luxemburger Richter wahrscheinlich als Entkernung des Eigentumsrechts ansehen und endgültig nicht mehr mittragen.
Diesen Einwänden zum Trotz scharren Briten und Franzosen bereits ungeduldig mit den Hufen und würden wohl mit einer eigenen Regel vorpreschen, wenn Kommissar Dalli das Thema nun einfach fallen ließe. Rückenwind erhalten die Befürworter von Einheitspackungen nun von Australiens High Court: Der hat im August 2012 Plain Packaging kurzerhand als mit der australischen Verfassung vereinbar erklärt. Nicht nur in Brüssel wartet man derzeit gespannt auf die Urteilsgründe. Down Under plant man derweil übrigens schon den nächsten Coup: Wieder Einheitspackungen – diesmal aber für alkoholische Getränke.
Der Autor Stephan Schäfer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle für Deutsches und Europäisches Lebensmittelrecht der Universität Bayreuth und promoviert bei Prof. Dr. Stefan Leible zum Verbraucherschutz in Italien.
Stephan Schäfer, Gesundheitsschutz: . In: Legal Tribune Online, 11.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7050 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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