Erst der wiederverheiratete Chefarzt, jetzt die lesbische Erzieherin - immer wieder versucht die katholische Kirche, ihren Beschäftigten wegen Loyalitätsverstößen gegen das religiöse Selbstverständnis zu kündigen und scheitert damit vor weltlichen Gerichten. So langsam wüssten die Gerichte aber mit dem Konflikt zwischen kirchlichem und staatlichem Arbeitsrecht umzugehen, meint Ulrich Hammer.
Eine lesbische Kindergartenleiterin hatte genug von "der Geheimnistuerei" und wollte der "Lügerei ein Ende setzen". Sie erzählte ihrem Arbeitgeber, einer Pfarrkirchenstiftung der Diözese Augsburg, dass sie mit ihrer Freundin als Paar zusammenlebe. Die Kirche war wenig erfreut über diese Offenheit. Sie sah in der Lebenspartnerschaft einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten und wollte der Erzieherin, die sich gerade in Elternzeit befand, kündigen. Der Streit landete vor dem Verwaltungsgericht Augsburg, wo die Kirche unterlag (Urt. v. 19.06.2012, Az. Au 3 K 12.266).
Betrachtet man die einschlägigen Normen des katholischen Kirchenrechts, erscheint die Sache klar: Nach Erlass des Lebenspartnerschaftsgesetzes reagierte die katholische Kirche schnell. Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) erweiterte ihre Grundordnung für kirchliche Arbeitsverhältnisse um einen Anhang. Darin heißt es nun, die eingetragene Lebenspartnerschaft widerspreche der Auffassung über Ehe und Familie der katholischen Kirche. Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingingen, verstießen dadurch gegen ihre Loyalitätsobliegenheiten. Ihnen müsse daher gekündigt werden.
Dies ist die eine, die katholische Seite der Medaille. Die andere, die staatliche oder weltliche, ist das Elternzeitgesetz. Dort heißt es ebenso klipp und klar: "Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist […] nicht kündigen."
Das kirchliche Arbeitsrecht: ein Dauerbrenner vor Gericht
Im vorliegenden Fall musste das VG Augsburg den prekären Konflikt zwischen dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht und dem Souveränitätsanspruch des Staates beziehungsweise den Schutzansprüchen und Grundrechten der Beschäftigten lösen. Dabei konnte sich das Gericht allerdings an klaren Leitlinien aus Straßburg und Erfurt orientieren.
Zwar haben nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 1985 kirchliche Einrichtungen wie Kindergärten oder Krankenhäuser das Recht, ihre Arbeitsverhältnissen auf das Leitbild einer "christlichen Dienstgemeinschaft" zu stützen. Das schließt die Loyalität zu grundlegenden kirchlichen Glaubensüberzeugungen ein. Das BVerfG verlangt jedoch eine Güterabwägung zwischen den Grundrechten der Beschäftigten und dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften.
Während 1985 den Glaubensgrundsätzen der Kirchen noch ein grundsätzlicher Vorrang vor den Rechten der Beschäftigten zugebilligt wurde, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 2011 und 2012 in mehreren vielbeachteten Entscheidungen damit Schluss gemacht. Die Straßburger Richter bestanden darauf, dass die Güterabwägung umfassend und offen angelegt sein muss. Alle – auch soziale – Aspekte, die eine Rolle spielen könnten, seien einzubeziehen. Dazu gehörten zum Beispiel die Stellung des Beschäftigten im Betrieb, die Dauer des Arbeitsverhältnisses, eine anderweitig nicht sinnvoll verwertbare Spezialausbildung oder ein Beschäftigungsmonopol kirchlicher Arbeitgeber in bestimmten Regionen und Bereichen wie dem Gesundheits- und Sozialwesen. Nach diesen Grundsätzen hat der EGMR etwa die Kündigung eines Organisten in einer katholischen Kirchengemeinde wegen Ehebruch aufgehoben. Eine offene Güterabwägung nimmt mittlerweile auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) vor. Zuletzt tat es dies in seiner Entscheidung zu der Kündigung des Chefarztes eines katholischen Krankenhauses, der nach einer Scheidung wieder geheiratet hatte (Urt. v. 08.09.2011, Az. 2 AZR 543/10). Damit entspricht die nunmehr auch vom Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg vorgenommene, offene Güterabwägung der inzwischen herrschenden Rechtsprechung.
Finanziert der Staat kirchliches Weltbild?
Gleichwohl bleibt ein Wermutstropfen für betroffene kirchliche Beschäftigte. Die Prinzipien der katholischen Glaubenslehre werden für sie mit der Entscheidung des VG Augsburg nicht obsolet. In dem Fall der lesbischen Erzieherin hatte die Kirche den besonderen Schutz, den das Elternzeitgesetz praktisch ausnahmslos gewährt, zu berücksichtigen. Dieser Aspekt wird bei einer Kündigung außerhalb der Elternzeit keine Rolle mehr spielen. Wie eine Vorwarnung klingen da die Worte des Pressesprecher des VG Augsburg Ivo Moll: "So etwas wie eine Lebensgemeinschaft zwischen Frauen ist natürlich für die Kirche undenkbar."
Ganz einfach wird es für die Kirche dennoch nicht werden. Denn unsere staatliche Rechtsordnung lässt Lebenspartnerschaften nun einmal zu. Es war auch nicht die Erzieherin, die ihre sexuelle Orientierung öffentlich gemacht hatte. Ganz abgesehen davon, dass sie seit 13 Jahren unbeanstandet in dem Kindergarten gearbeitet hatte. Schließlich könnte bei einer Güterabwägung auch eine Rolle spielen, dass Pfarrkindergärten zu 90 bis 100 Prozent vom Staat finanziert werden.
Rechtsanwalt Prof. Dr. Ulrich Hammer ist Senior der Anwaltskanzlei Hammer Rechtsanwälte in Hildesheim und auf das kirchliche Arbeitsrecht spezialisiert. Er ist Autor mehrerer einschlägiger Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen.
Gericht verhindert Kündigung wegen Lebenspartnerschaft: . In: Legal Tribune Online, 20.06.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6433 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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