Mit der Ablichtung von rund 20.000 Schulgebäuden hat es das Netzwerk für ehemalige Klassenkameraden auf den "Schauplatz der gemeinsamen Jugenderinnerungen" abgesehen. Die Aktion erinnert an Google Street View. Michael Marc Maisch erläutert die Zulässigkeit des virtuellen Fotoalbums, bei der auch der Gesetzentwurf zum Schutz von Geodaten eine Rolle spielt.
Unter dem Namen StayFriends firmiert seit dem Jahr 2002 ein deutsches soziales Netzwerk im Internet. StayFriends enthält nach eigenen Angaben rund 10 Millionen Einträge für über 70.000 Schulen. Nach dem US-Vorbild Classmates.com erleichtert es StayFriends, alte Klassenkameraden wiederzufinden, mit ihnen Kontakt aufzunehmen oder Klassentreffen zu organisieren.
Mit 15 Fototeams ist der Anbieter nun ausgerückt, um etwa 100.000 typische Impressionen von Lehranstalten in ganz Deutschland einzufangen. Die Abbildungen sollen noch bis Ende des Jahres 2010 für mindestens 80 Prozent der StayFriends Nutzer bereitgestellt werden. Nach SPIEGEL-Informationen hat StayFriends dazu keine Einwilligung seitens der Schulvertreter eingeholt.
Auf den ersten Blick erinnert dieser Fall an das umstrittene Projekt Google Street View. Der Suchmaschinenbetreiber Google hat für seinen frei zugänglichen Kartendienst Google Maps weltweit Panoramaaufnahmen von Gebäuden, Straßen und Landschaften aus der Perspektive von Verkehrsteilnehmern anfertigen und online bereitstellen lassen.
StayFriends ist nicht mit Google Street View vergleichbar
Bei genauerem Hinsehen ist die Datenerhebung von StayFriends aber nicht mit Google vergleichbar. Bei Google hatte insbesondere die Miterfassung zahlloser personenbezogener Daten für Proteste gesorgt. Zum Beispiel sind bestimmbare Personen bei alltäglichen Handlungen auf der Straße, aber auch in ihrer Privatsphäre in der Nähe ihrer Wohnhäuser abgebildet.
Erkennbare Abbildungen vom Erscheinungsbild eines Menschen und von Kfz-Kennzeichen werden als personenbezogene Daten bewertet, da diese Einzelangaben einer bestimmten oder bestimmbaren Person gemäß § 3 Abs. 1 BDSG zugeordnet werden können. Verzichtet StayFriends darauf, Schulfassaden mit Menschen oder Kfz-Kennzeichen abzubilden, kommt es nur darauf an, ob Gebäudefassaden allein betrachtet personenbezogene Geodaten sein können.
Geodaten sind alle Daten, die einen Bezug zu einem bestimmten Standort oder geografischen Gebiet aufweisen. Bilder von Schulfassaden können zwar Geodaten sein. Personenbezogen sind sie aber grundsätzlich nicht, da sie keinen Aussagehalt über bestimmte oder bestimmbare Personen haben – im Unterschied zu Abbildungen von Wohnhäusern, die Informationen zu den Bewohnern enthalten.
Zwar stellt die nachträgliche Datenverarbeitung in Form der Verlinkung der Fotos mit StayFriends-Nutzern einen Personenbezug her. Diese Datenverarbeitung wird aber von § 28 Abs. 1 Nr. 3 BDSG gestattet, da Aufnahmen von Gebäudeaußenfassaden allgemein zugängliche Daten sind. Dies gilt jedoch nur, soweit nicht das Schulgelände zum Fotografieren betreten wird.
Geodatenschutz: Selbstverpflichtung statt Gesetzesänderung
Obwohl sich die Erfassung von Schulfassaden im konkreten Fall als zulässig darstellt, bergen Geodaten gewaltigen Zündstoff. So schürte Googles systematische Datenerfassung durch Kamarafahrzeuge in Deutschland zahlreiche Proteste. Dem wurde zunächst mit dem Gesetzentwurf des Bundesrates (BR-Drs. 17/2765, 18.08.2010) begegnet.
Dieser arbeitet die Erfassung von personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit der fotografischen oder filmischen Aufzeichnung von Straßenzügen und sonstigen Geodaten als besondere Gefährdungslage heraus. Die bestehende Rechtslage biete keinen ausreichenden Schutz des Persönlichkeitsrechts und der informationellen Selbstbestimmung gegen die massenhafte Erfassung, dauerhafte Speicherung und grenzenlose Verbreitung von georeferenzierten Panoramaaufnahmen.
Weiter heißt es, dass das Bundesdatenschutzgesetz um Rahmenbedingungen ergänzt werden soll, die die Erhebung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Kontext von Gebäudeaufnahmen oder vergleichbaren Geodaten gesetzlich regeln. Konkret geht es um die Verpflichtung, Personen und amtliche Kfz-Kennzeichen vor der Bereitstellung der Daten im Internet unkenntlich zu machen, Kamerafahrten vorab bekannt zu geben und Widerspruchsmöglichkeiten einzuräumen.
Im September hat der Bundesminister des Innern, Thomas de Maizière, den Gesetzentwurf als zu einzelfallbezogen zurückgewiesen und an die Geodatenindustrie appelliert, bis zum 7. Dezember eine Selbstverpflichtungserklärung auszuarbeiten. Für denselben Monat hat das Bundesinnenministerium zusätzlich einen Referentenentwurf angekündigt. In jedem Fall steht der Gesetzgeber vor der Herausforderung, den Schutz der Schwächeren im Internet im Spannungsfeld mit der zukunftsweisenden Geodatenverarbeitung gerecht auszutarieren.
Der Autor Michael Marc Maisch ist Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht (Prof. Dr. Dirk Heckmann) an der Universität Passau und am Deutsche Telekom Institute for Connected Cities (TICC) der Zeppelin University, Friedrichshafen. Er ist Verfasser zahlreicher Publikationen zum Datenschutz- und Internetrecht.
Marc Maisch, Geodatenschutz: . In: Legal Tribune Online, 22.10.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1745 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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