Wer täglich mit Bus und Bahn zur Arbeit pendelt, kommt kaum an ihnen vorbei. Entweder man nutzt sie selbst oder der Sitznachbar schmökert darin: E-Books. Doch was passiert, wenn der neueste Harry Potter ausgelesen ist? Darf man das digitale Buch dann auf den digitalen Flohmarkt bringen? Nein, meint Tobias Kohl, trotz eines EuGH-Urteils, das den Weiterverkauf gebrauchter Software erlaubt hat.
Laut einer Studie des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien liest bereits jeder fünfte Bundesbürger digitale Bücher. Das ist wenig verwunderlich, sind E-Books doch besonders praktisch. Musste eine 600-Seiten starke Lektüre früher noch in den Aktenkoffer oder die Reisetasche gequetscht werden, ist ein solches Werk auf einem handlichen E-Book-Reader oder dem Smartphone heute bestens aufgehoben und leicht zu transportieren. Außerdem hat man jederzeit Zugriff auf seine gesamte Bibliothek und kann diese durch wenige Klicks ständig erweitern.
Dieses Potential haben mittlerweile auch die Verlage erkannt, bei ihnen gehören E-Books inzwischen neben den papiergebundenen Büchern fest zum Programm. Für die Verlage macht es keinen großen Unterschied, ob ein Werk als gebundenes Buch oder als E-Book auf den Markt kommt. "Papier zu bestellen, ist der geringste Aufwand eines Verlages. Die Hauptaufgabe besteht in der Arbeit mit dem Autoren", erklärte der Programmleiter Wirtschaft beim Münchner Beck-Verlag, Dr. Jonathan Beck, auf der Jahresauftaktveranstaltung des Kölner Forums Medienrecht am vergangenen Mittwoch.
Der Vertrieb von E-Books erfolgt über die Verlage selbst, hauptsächlich aber über Anbieter wie Amazon, Ebook.de oder Buecher.de. Der Leser erwirbt dabei eine Lizenz und kann sich daraufhin eine Datei herunterladen. Während Bücher früher nach dem Lesen im Regal verschwanden, sind die Nutzungsmöglichkeiten von E-Books deutlich vielfältiger. Sie können ohne Gebrauchsspuren kopiert, geteilt, weitergegeben oder ins Netz gestellt werden. Autoren und Verlage stören sich hieran, weil sie Umsatzeinbußen und einen Kontrollverlust über das Werk fürchten.
EuGH-Urteil zur Weiterveräußerung gebrauchter Software
Die Sorge der Rechteinhaber ist nicht unbegründet. Im Sommer 2012 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass gebrauchte Software weiterverkauft werden darf (Urt. v. 03.07.2012, Az. C-128/12). Bis zu diesem Urteil waren die deutschen Gerichte davon ausgegangen, dass Software nur weiterverkauft werden dürfe, wenn diese auf einem Datenträger verkörpert ist. Verkauft werden durfte also etwa die ursprünglich gekaufte CD mit der Software darauf. Die Luxemburger Richter gaben jedoch auch Käufern von online übermittelter Software das Recht, diese weiterzuverkaufen. Es könne nicht darauf ankommen, ob der Hersteller die Software auf einem Datenträger in den Verkehr gebracht oder zum Download bereitgestellt habe.
Dabei ging es um die Frage, ob der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz auch auf online heruntergeladene Computerprogramme anwendbar ist. Der Grundsatz soll die Freiheit des Warenverkehrs schützen und besagt, dass eine einmal vom Rechteinhaber innerhalb der EU in den Verkehr gebrachte Software vom Käufer frei weiterveräußert werden darf, vgl. Art. 4 Abs. 2 EU-Softwareschutz-Richtlinie sowie § 69c Nr. 3 S. 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG). Das gilt allerdings nur für das Verbreitungsrecht nach § 17 UrhG, nicht jedoch für das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) oder das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG).
Seit der Entscheidung des EuGH wird in Deutschland diskutiert, ob diese Rechtsprechung auch auf gebrauchte E-Books oder Musikdateien übertragbar ist. In den USA verbot das Bezirksgericht des Southern District of New York den Weiterverkauf von gebrauchten iTunes-Dateien über die Plattform ReDigi.
LG Bielefeld: E-Books dürfen nicht weiterveräußert werden
Nicht nur ein amerikanisches Gericht befasste sich mit dieser Frage, auch das Landgericht (LG) Bielefeld hatte einen ähnlichen Fall zu entscheiden. Es befand, eine Weitergabe und Weiterveräußerung von E-Books an Dritte dürfe in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) verboten werden.
Die Bereitstellung zum Herunterladen sei lediglich eine öffentliche Wiedergabe und kein Verbreiten im Sinne des § 17 UrhG. Der Nutzer dürfe das E-Book somit lesen. Ein Weiterverkauf oder das Anfertigen von Kopien sei hingegen untersagt (Urt. v. 05.03.2013, Az. 4 O 191/11).
Auf der Veranstaltung des Kölner Forums Medienrecht, die unter dem Motto "Ist ein E-Book ein Buch?" stand, äußerte Juraprofessor Karl-Nikolaus Peifer Zweifel an der Richtigkeit des Bielefelder Urteils. Der Direktor des Instituts für Medienrecht und Kommunikationsrecht der Universität Köln plädierte dafür, die EuGH-Rechtsprechung zu Software auch auf andere Werkarten anzuwenden. Die Verbraucherzentrale, die das Verfahren vor das LG Bielefeld gebracht hatte, sieht in der Klausel einen Eingriff in die Verfügungsfreiheit des Käufers und hat inzwischen Berufung beim OLG Hamm eingelegt (Az. 22 U 60/13).
Kontrolle durch technische Schutzmaßnahmen
Häufig versuchen die Verlage den Weiterverkauf von E-Books nicht nur mit Beschränkungen in den AGB, sondern auch mit technischen Schutzmaßnahmen wie nicht-übertragbaren Online-Accounts oder Produktschlüsseln zu verhindern. Diese können allerdings sehr leicht umgangen werden.
Über Google stößt man schnell auf diverse Seiten, auf denen bis ins Detail beschrieben wird, wie ein Kopierschutz umgangen werden kann. Dabei setzt man sich aber der Gefahr zivilrechtlicher Unterlassungs- und Schadensersatzforderungen der Rechteinhaber aus.
Wer seine Bücher nach dem Lesen also gerne weiterverkaufen möchte, sollte lieber auf das bewährte papiergebundene Buch zurückgreifen. Beim Download von E-Books erwirbt der Leser in der Regel nur ein Nutzungsrecht und kein Recht zur Weiterveräußerung.
Der Autor Tobias Kohl, LL.M. ist Rechtsanwalt in Köln.
Tobias Kohl, LL.M., Verkauf gebrauchter E-Books: . In: Legal Tribune Online, 29.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11490 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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