Schlussanträge des EuGH-Generalanwalts: "Modell Super League quasi abge­sägt"

von Hasso Suliak

15.12.2022

Fußballvereine, die gerne in einer neuen Super League spielen wollen, dürfen das. Allerdings müssen sie dann auch das Verbot akzeptieren, in einem UEFA-Wettbewerb wie der Champions League anzutreten, so der EuGH-Generalanwalt. 

Seit rund eineinhalb Jahren tobt zwischen einigen europäischen Top-Vereinen und dem europäischen Fußballverband UEFA eine "juristische Schlacht" um die Gründung einer europäischen Super League im Fußball. Nun stärkt ein Gutachten des Generalanwaltes beim Europäischen Gerichtshofs (EuGH) die Position der Fußballverbände UEFA und FIFA, die eine solche Liga parallel zu den von ihnen organisierten Wettbewerben im Grunde nicht akzeptieren wollen (Rs. C-333/21). Die Rechtsauffassung des Generalanwalts ist zwar rechtlich nicht bindend, zumeist folgt dem der EuGH jedoch.  

Nach den heute von Generalanwalt Athanasios Rantos in Luxemburg vorgelegten Schlussanträgen dürfte die Super League zwar ihre eigene Fußball-Liga starten, könne dann aber nicht mehr parallel an den Wettbewerben des FIFA-Weltverbandes und der Europäischen Fußball Union UEFA - wie zum Beispiel der Champions League - ohne der Erlaubnis der beiden Verbände teilnehmen. Entsprechende Regeln der UEFA und der FIFA verstoßen laut Rantos jedenfalls nicht gegen das Wettbewerbsrecht der Europäischen Union. 

Während Sportrechtler das Votum des Generalanwaltes kritisch sehen, begrüßt die UEFA die Schlussanträge und sah darin die Unterstützung, "um den Fußball in ganz Europa zu entwickeln". 

EuGH-Generalanwalt: UEFA und FIFA dürfen Sanktionen androhen 

Hintergrund des Verfahrens ist, dass zwölf Top-Clubs im April 2021 die Gründung einer Superliga verkündet hatten. Der Plan wurde nach starken Protesten von Ligen, Verbänden und Fans jedoch schnell wieder verworfen. Aber nicht von allen Vereinen: Die drei Spitzenvereine Real Madrid, Juventus Turin und FC Barcelona wollen weiterhin eine Super League als Konkurrenz zur Champions League der UEFA gründen. 

Die European Super League Company hatte daher Klage gegen die Europäische Fußball-Union UEFA und den Weltverband FIFA bei einem Gericht in Madrid eingereicht, das wiederum den EuGH angerufen hatte. Konkret geht es um den Vorwurf, die UEFA und die FIFA handelten wie ein Kartell, weil sie sich der Gründung der European Super League widersetzt hätten. Das spanische Gericht hatte den EuGH gebeten, das EU-Recht für solche Verfahren auszulegen. Dabei geht es um Details etwa zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungsfreiheit, zum freien Dienstleistungs- und freien Kapitalverkehr.

Vom EuGH-Generalanwalt gab es heute jedoch für die UEFA und FIFA im Wesentlichen grünes Licht: Das Unionsrecht stehe deren Statuten nicht entgegen, wonach "die Gründung eines neuen europaweiten Fußballwettbewerbs unter Vereinen einem System der vorherigen Genehmigung unterworfen wird, sofern diese Anforderung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorgesehenen Wettbewerbs hierfür angemessen und erforderlich ist". Auch dürften FIFA und UEFA den Vereinen Sanktionen anzudrohen, wenn sich diese an einem Projekt zur Gründung eines neuen Wettbewerbs beteiligen. 

Sportrechtler enttäuscht: "Monopolisten selten als Innovationstreiber bekannt“

In einer ersten Reaktion zeigten sich Sportrechtler gegenüber LTO teilweise enttäuscht von den Schlussanträgen. Der Düsseldorfer Fachanwalt für Sportrecht Paul Lambertz kritisierte das Votum: "Mal wieder scheint der organisierte Sport den Fingern des Kartellrechts zu entgehen. Es wäre schade für den Wettbewerb der besten Ideen. Monopolisten sind selten als Innovationstreiber bekannt". 

Auch der Kölner Sportrechtler Jan F. Orth hätte eher mit einer strengeren Anwendung der kartellrechtlichen Leitlinien durch den Generalanwalt auf die Sanktionsdrohungen von UEFA und FIFA gerechnet. Orth ging auch auf die generellen Äußerungen des Generalanwaltes zum Verhältnis Sport und Unionsrecht ein. Rantos hatte in seinem Votum nähere Ausführungen zu Art. 165 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gemacht und festgestellt, dass dieser die "verfassungsrechtliche Anerkennung des europäischen Sportmodells" beinhalte. Dieses Modell stütze sich auch auf eine Pyramidenstruktur, deren Basis der Amateursport und deren Spitze der Profisport sei. Es basiere auch auf einem System finanzieller Solidarität, "mit dem sich die durch Veranstaltungen und Aktivitäten der Elite erzielten Einnahmen auf die unteren Ebenen des Sports umverteilen und dort reinvestieren ließen". 

Kartellrechtler: "Strafen gegen Spieler unverhältnismäßig"

Orth findet diese Ausführungen bemerkenswert: "Eine kleine Sensation würde sich andeuten, wenn der EuGH die Auffassung des Generalanwaltes teilt, dass Art. 165 AEUV die 'verfassungsrechtliche' Anerkennung des 'europäischen Sportmodells' (einschließlich hierarchischer Pyramidenstruktur und finanzieller Solidarität) bedeutet." Damit, so Orth, würden die Verbände in ihrer rechtlichen Position eine massive Stärkung erhalten – mit der sie wohl selbst kaum gerechnet hätten.

Der Berliner Rechtsanwalt Fabian Reinholz bewertete das Votum des Generalanwaltes mit gemischten Gefühlen: "Weil die Superleague eine Elite-Veranstaltung ist und damit nicht dem europäischen Sportmodell entspricht, kann sie zwar nicht per se verboten werden, aber UEFA/FIFA dürfen alle daran Beteiligten aus ihren Wettbewerben verbannen. Damit ist das Modell faktisch abgesägt." Für Reinholz bleibt nach dem Votum des EuGH-Generalanwaltes ein fader Beigeschmack: "Sind die Pyramidenstruktur, die Offenheit von Wettbewerben und finanzielle Solidarität tatsächlich ein nachhaltiges und gelebtes Wettbewerbsideal oder angesichts der sportlich zweifelhaften Struktur der bestehenden UEFA- und FIFA-Wettbewerbe nur ein Feigenblatt vor durch und durch kommerziell geprägten Sportereignissen?", fragt er.

Unterdessen kann der Kartellrechts-Experte Mark-Eduard Orth dem Votum des Generalanwaltes wenig abgewinnen: "Die einzige konkrete Aussage, die den Schlussanträgen zu entnehmen ist, besagt, dass die Verhängung von Strafen jedenfalls gegen Spieler (im Gegensatz zu Vereinen) unverhältnismäßig ist. Das gelte insbesondere im Hinblick auf die Teilnahme an Nationalmannschaften, so Orth.

Super League Macher vertrauen auf EuGH

Von dieser Aussage abgesehen, brächten die Schlussanträge wenig Licht in das Dunkel der Kartellrechtsanwendung im Sport. "Gerade die Frage, ob das konkrete Genehmigungserfordernis der UEFA für konkurrierende Wettbewerbe nun kartellrechtskonform ist, überlässt der Generalanwalt weitgehend dem spanischen Gericht." Allerdings verlange er transparente Maßstäbe für das Genehmigungsverfahren. "Und dieses Erfordernis scheint das UEFA-Verfahren beim besten Willen nicht zu erfüllen. Wer zwischen den Zeilen lesen kann, erkennt den Sieg der Super League", so Orth.

Optimistisch reagierten unterdessen die Macher der umstrittenen Super League auch nach dem heutigen Rückschlag. Sie hoffen auf ein für sie positives Urteil des EuGH im kommenden Jahr. Die Meinung des Generalanwaltes sei nur "ein Schritt in einem laufenden Verfahren", sagte Bernd Reichart, Chef von A22 Sports Management, das die Super League unterstützt. 

Rantos habe deutlich gemacht, dass die UEFA eine monopolistische Position habe, mit der große Verantwortung einhergehe, anderen Akteuren das freie Agieren im Markt zu ermöglichen. "Wir glauben, dass die 15 Richter der Großen Kammer, die mit der Verantwortung für diesen Fall betraut wurden, substanziell weiter gehen und die Möglichkeit für Clubs schaffen, ihr eigenes Schicksal in Europa zu managen."

Mit Material der dpa

Zitiervorschlag

Schlussanträge des EuGH-Generalanwalts: . In: Legal Tribune Online, 15.12.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50486 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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