Fragerecht des Arbeitgebers: Sag mir: Bist Du geimpft?

von Dr. Michaela Felisiak und Dr. Dominik Sorber

07.09.2021

In Schule, Kita, Pflegeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften dürfen Arbeitgeber künftig nach dem Impfstatus fragen. Und in einigen Ländern gibt es kein Geld mehr bei einer Quarantäne, erklären Michaela Felisiak und Dominik Sorber.

Welche Arbeitgeber dürfen in welchen Fällen den Impfstatus ihrer Mitarbeiter erfragen? Der Bundesgesetzgeber wird in § 28a Abs. 3 (neu) Infektionsschutzgesetz (IfSG) eine unzureichende Antwort auf diese Frage gegeben. Zumindest in Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen (§ 36 Abs. 1 und 2 IfSG) sollen zusätzlich zur Fragemöglichkeit in medizinischen Einrichtungen, Arbeitgeber nach dem Impfstatus einer Covid-19-Impfung fragen dürfen. Diese Möglichkeit soll zeitlich begrenzt gelten und ist isoliert betrachtet, zu begrüßen.

Auf den zweiten Blick greift diese Regelung zu kurz und ist aus der Arbeitgeberperspektive nicht nachvollziehbar. Wieder hat der Gesetzgeber eine Chance vertan, die arbeitsrechtlichen Regelungen zur Bewältigung der Corona-Pandemie rechtssicher, pandemie-wirksam und praxisgerecht auszugestalten. Die Autoren erläutern, was sich hinsichtlich des Fragerechts nach dem Impfstatus ändert und warum die Regelung nicht zur unternehmerischen Wirklichkeit passt. Zudem werfen sie auch einen Blick auf den Wegfall des Erstattungsanspruchs nach § 56 IfSG, den einige Bundesländer angekündigt haben.    

Arbeitgeber im Gesundheitsbereich konnten Impfstatus bereits vor der geplanten Gesetzesänderung abfragen  

Dass Arbeitgeber den Impfstatus abfragen können, ist nichts Neues. Bereits seit 2015 gilt § 23a IfSG. Nach dieser Vorschrift durfte der Arbeitgeber personenbezogene Daten eines Beschäftigten über dessen Impfstatus verarbeiten, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden. Die Norm aus der "Vor-Corona-Zeit" gewährleistet, dass Arbeitgeber rechtssicher Gesundheitsdaten also auch den Impfstatus verarbeiten können. Ziel ist, dass in medizinischen Einrichtungen Vorsorgemaßnahmen getroffen und Infektionen von Patienten vermieden werden können.  

Bereits zu Beginn der Impfkampagne wurde die Frage gestellt, ob Arbeitgeber ab einer bestimmten Impfquote den Impfstatus der Mitarbeitenden abfragen dürfen. Hintergrund ist, dass die Arbeitsorganisation angepasst werden kann (z.B. Ungeimpften mehr Homeoffice zu ermöglichen), um den bestmöglichen Gesundheitsschutz für die Mitarbeitenden zu gewährleisten.

Temporäre Erweiterung des Arbeitgeber-Fragerechts zum Corona-Impfstatus – Kein Ausschluss für vergleichbare Fallgruppen 

Nun ist es so weit: In Betreuungseinrichtungen, also z.B. Kita und Schule, Pflegeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte sollen Arbeitgeber ihre Beschäftigten nach dem Impfstatus bzw. den Genesenenstatus fragen dürfen. Darauf haben sich Union und SPD geeinigt. 

§ 28a IfSG soll entsprechend geändert werden. Dort wird es in einem neuen Abs. 3 heißen: „Sofern der Deutsche Bundestag nach § 5 Absatz 1 Satz 1 eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat und soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist, darf der Arbeitgeber in den in den Absätzen 1 und 2 genannten Einrichtungen und Unternehmen personenbezogene Daten eines Beschäftigten über dessen Impf- und Serostatus in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) verarbeiten, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des allgemeinen Datenschutzrechts." 

Impfstatus im betrieblichen Hygienekonzept  

Gleichzeitig wurde auch die Corona-Arbeitsschutzverordnung (ArbSchVO) angepasst. In § 2 Abs. 1 ist ab dem heutigen Dienstag geregelt, dass "bei der Festlegung und der Umsetzung der Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes der Arbeitgeber einen ihm bekannten Impf- oder Genesungsstatus der Beschäftigten berücksichtigen kann." Sofern Arbeitgeber wissen, dass Beschäftigte geimpft sind, können sie dies also bei ihrem Hygienekonzepts nutzen, um beispielsweise nur geimpfte Mitarbeitende in einer Schicht arbeiten zu lassen.  

Aktuell können Arbeitgeber mit einer solchen Regelung jedoch den betrieblichen Gesundheitsschutz lediglich unzureichend umsetzen und Arbeitnehmende einer Risikogruppe (z.B. Schwangere) nicht effektiv schützen. Damit wird das gesetzgeberische Ziel, besondere vulnerable Personen in der Arbeitswelt zu schützen, nicht erreicht. Denn auch zum Schutz dieser Gruppen ist die Frage nach dem Impf- bzw. Genesenenstatus außerhalb der explizit genannten Sektoren nach der aktuellen Gesetzgebung nicht zulässig.  

Betriebsvereinbarung zur Datenerhebung 

Für die Unternehmen bleibt nur die Möglichkeit, nach den allgemeinen Kriterien des Arbeitgeberfragerechts vorzugehen: Das heißt, dass die Impfabfrage für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sein muss. Es ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Hierbei ist der Gesundheitsschutz vulnerable Personen, bei denen eine Impfung ausgeschlossen ist und die Interessen der übrigen Beschäftigten an ihrem Persönlichkeitsrecht abzuwägen. Der Gesundheitsschutz überwiegt das allgemeine Persönlichkeitsrecht.  

Eine andere Möglichkeit ist, dass die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung abschließen sollten, in der eine solche Datenerhebung ausdrücklich und für genau bezeichnet Fälle legitimiert wird. Die Betriebsparteien sollten ebenfalls eine dokumentierte Interessensabwägung vornehmen. Die Betriebsvereinbarung sollte befristet werden. U.a. sollten die Art und Weise der Abfrage, die Speicherung (nicht in der Personalakte) sowie die Datenlöschung geregelt werden.  

Wegfall des Vergütungsanspruchs bei Quarantäne 

Trotz der fehlenden gesetzlichen Grundlage des Fragerechts können Ungeimpfte aus praktischen Erwägungen künftig unter Druck kommen. Dies kann sich beispielsweise daraus ergeben, dass Arbeitgeber die Belegschaft zur freiwilligen Preisgabe des Impfstatus mittels eines Anreizsystems animieren.  

Aber auch die Frage nach dem Wegfall des Erstattungsanspruchs bei einer Quarantäneanordnung nach § 56 IfSG kann Anlass dafür sein, zwischen Geimpften und Ungeimpften künftig zu differenzieren. Bislang erhielten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere dass § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) im Arbeitsvertrag abbedungen ist (vgl. VG Koblenz, Urt. v. 10.05.2021, Az. 3 K 107/21), während einer behördlich angeordneten Quarantäne weiterhin ihre Vergütung und der Arbeitgeber konnte einen Erstattungsanspruch gegen das jeweilige Bundesland geltend machen.  

Die gesetzliche Regelung unterscheidet nicht nach dem Impfstatus. Allerdings ist sieht nach § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG ist der Erstattungsanspruch ausgeschlossen, wenn die betreffende Person die Quarantäne hätte vermeiden können. Hierzu zählt neben Beachtung von Reisewarnungen auch die Schutzimpfung, wenn das betreffende Bundesland keine Quarantänepflicht für genese und geimpfte Personen vorsieht. 

So gelten in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg beispielsweise keine Quarantänepflichten für Geimpfte, soweit diese keine typischen Symptome aufweisen. Damit könnten Arbeitnehmende, denen ein Impfangebot gemacht wurde, die Quarantäneanordnung verhindern. Entsprechend fällt in Baden-Württemberg der staatliche Erstattungsanspruch ab 15. September 2021 für Ungeimpfte weg. Diesem Beispiel folgt z.B. Rheinland-Pfalz zum 1. Oktober 2021. 

Fragerecht nicht stringent gelöst 

Auch für die Quarantäneanordnung muss in der Praxis also in Erfahrung gebracht werden, wie es um den Impfstatus der Person bestellt ist – die Situation in den Betrieben wird also nicht stringent gelöst. 

Der Gesetzgeber hätte ein – zeitlich befristetes - Fragerecht für die Arbeitgeber wirkungsvoller und rechtssicherer gestalten können – das auch vor dem Hintergrund, dass die Unternehmen zB durch die verpflichtenden Testangebote und die bezahlte Freistellung für das Impfen in den Gesundheitsschutz bei vollem (Kosten)Einsatz einbezogen werden. Das  

Als Nachweis über den Impfstatus könnte das Impfzertifikat oder die Corona-Warn-App ausreichend sein. Eine Stelle im Unternehmen könnte die Daten zentral erfassen. Die Vorgesetzten erhalten nur Informationen dazu, dass bestimmte Personen nicht zusammenarbeiten sollten. Auch so könnte Datenschutz umgesetzt werden.  

Die Autoren sind Anwälte bei Beiten Burkhardt in München und Mitglieder der Praxisgruppe Arbeitsrecht. Sie beraten Ihre nationalen und internationalen Mandanten auf dem gesamten Gebiet des Arbeitsrechts.

Zitiervorschlag

Fragerecht des Arbeitgebers: . In: Legal Tribune Online, 07.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45939 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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