Rechtsfragen zum Widerruf und zur Pflicht des Widerrufenden zum Wertersatz verursachen seit Jahren erhebliche Probleme. Nun zwingt der Gesetzgeber Onlinehändler vor allem beim Handel über eBay zu Anpassungen ihrer Belehrungen. Kostenträchtige Abmahnungen drohen dabei ebenso wie weitere bereits geplante Änderungen.
Bisher musste der gewerbliche Verkäufer bei eBay aufgrund der technischen Vorgaben des Onlineauktionshauses ein einmonatiges Widerrufsrecht einräumen. Doch statt einer Programmierungsänderung des US-amerikanischen Anbieters hat der deutsche Gesetzgeber mittels eines "lex eBay" das deutsche Recht zu dessen Gunsten geändert.
Die das Widerrufsrecht sowie den Wertersatz nach Widerruf betreffenden Änderungen des "Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterrichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht" treten am heutigen Tag in Kraft. Dabei sind Verbraucherrechte verkürzt worden.
Bis zum 11.06.2010 war in der BGB-Informationspflichtenverordnung (BGB-InfoV) geregelt, dass der Käufer vor dem Vertragsschluss über sein Widerrufsrecht zwingend informiert werden muss. Dies musste nach § 126b BGB in Textform geschehen. Ein einfacher Hinweis auf der Internetseite des Verkäufers reicht dafür nicht, da eine Internetseite nachträglich geändert werden kann.
Wurde die Widerrufsbelehrung – üblicherweise per Mail - erst nach Vertragsabschluss erteilt, bestand das Widerrufsrecht einen Monat lang. Relevant war dies vor allem eben für Geschäfte bei eBay, die wegen der technischen Vorgaben ohne eine solche zwingende vorherige Belehrung stattfinden. Dort bestand also immer ein einmonatiges Widerrufsrecht.
Betrieb der gewerbliche Händler jedoch außerhalb der Plattform einen Onlineshop, konnte er bei ordnungsgemäßer Belehrung ein nur 14-tägiges Widerrufsrecht einräumen. Belehrte der Verkäufer überhaupt nicht oder falsch, so betrug das Widerrufsrecht mindestens 6 Monate.
Kürzeres Widerrufsrecht: 14 Tage
Die Diskrepanz der unterschiedlichen Fristen hat der Gesetzgeber nun dadurch zu lösen versucht, dass er eine Sonderregelung vor allem auch für eBay-Geschäfte geschaffen hat. Bei Fernabsatzverträgen gilt nun regelmäßig eine vierzehntägige Kündigungsfrist (§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB n.F.), da der Bundesgesetzgeber nun sogar eine unverzüglich nach Vertragsschluss übersandte Widerrufsbelehrung nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB n.F. als vorherige Unterrichtung im Sinne der Fernabsatzrichtlinie ansieht.
Ob die Neuregelung des § 355 Abs. 2 S. 1, in der es heißt, dass dem Verbraucher "spätestens bei Vertragsschluss" eine Widerrufsbelehrung erteilt werden muss, gegen die europäische Fernabsatzrichtlinie Art. 4 Abs. 1 verstößt, werden wohl wieder die Gerichte zu beurteilen haben. Nach der Richtlinie muss der Verbraucher "rechtzeitig vor Abschluss eines Vertrages im Fernabsatz über folgende Informationen verfügen…". Schließlich ist "rechtzeitig vor Abschluss eines Vertrages" nicht "spätestens bei Vertragsschluss".
Ersatzpflicht für entstehenden Wertverlust
Auch die Regelungen zum Wertersatz durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache, die anschließend nach Ausübung des Widerrufsrechts zurückgegeben wird, werden entsprechend angepasst. Der Fernabsatz hat das Problem, dass der Erwerber die Ware nicht wie im Ladengeschäft sehen und anfassen kann. Dies soll das Widerrufsrecht kompensieren.
Allerdings wird dieses Recht häufig missbraucht, wobei schwer zu entscheiden ist, wann solche Missbrauchsfälle vorliegen. Daher führte der deutsche Gesetzgeber eine Pflicht des Verbrauchers ein, den durch Ingebrauchnahme - wie das Ausprobieren oder zum Beispiel Tragen von Bekleidung - entstehenden Wertverlust der Ware zu ersetzen. Auch die Belehrung über diese Pflicht zum Wertersatz kann nun bei entsprechender Belehrung nach Vertragsschluss erteilt werden.
Problematisch ist insoweit allerdings, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) die bisherige deutsche Regelung, die grundsätzlich eine Wertersatzpflicht vorsieht, als rechtswidrig angesehen hat (Urt. V. 03.09.2009, Az. C-489/07). Die Vorgaben des EuGH konnten vom Bundestag beim Beschluss des Gesetzes im Juli 2009 noch nicht berücksichtigt werden, eine weitere Änderung der nun in Kraft tretenden Vorschriften soll nach Medieninformationen bereits geplant sein. Unternehmer müssen also damit rechnen, dass auch die jetzige Regelung nicht rechtssicher ist.
Der vom Gesetzgeber gewählte Weg und seine Konsequenzen
Bisher waren die meisten Informationspflichten in der vom Ministerium erlassen BGB-InfoV geregelt. Diese wurde jedoch vielfach als nicht einmal im Einklang mit deutschem Recht stehend kritisiert. Der Gesetzgeber versucht dies nun zu umgehen, indem er die Informationspflichten des BGB zum Teil in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) integriert, Musterbelehrungen finden sich zukünftig in den Anlagen 1 und 2 zum EGBGB. Die Vorschriften sind damit nun materielles Gesetz, dem grundsätzlich mehr Vertrauen entgegen gebracht wird. Ob diese "formelle" Lösung allerdings Rechtsklarheit bringt, bleibt abzuwarten.
Aus diesen Änderungen resultiert aber jedenfalls, dass bisher verwendete Widerrufsbelehrungen, die auf der Musterwiderufsbelehrung in der Anlage zur BGB-InfoV beruhten, schon deshalb geändert werden müssen, weil Bezug auf veränderte oder nicht mehr existente Vorschriften genommen wird.
Darüber hinaus sind Abmahnungen zu befürchten, zumal es keine Übergangsfrist gibt. Besondere Probleme tauchen bei bereits in der Vergangenheit Abgemahnten auf, wenn diese sich verpflichtet haben, bei eBay-Auktionen ein einmonatiges Widerrufsrecht einzuräumen. Auch wenn die Gesetzeslage dies ab dem 11. Juni 2010 nicht mehr vorsieht, so besteht doch durch die Unterlassungserklärung ein Vertrag mit dem Abmahnenden, so dass gegebenenfalls vor der Änderung der Widerrufsbelehrung eine Kündigung dieses Vertrags ausgesprochen werden muss.
Auch noch laufende Auktionen und Angebote können problematisch sein. Wenn möglich, sollten diese beendet werden, um Abmahnungen zu entgehen. Daher sollten Unternehmer dringend fachanwaltlichen Rat einholen – und die Kollegen sich wappnen für neue Schwierigkeiten. Denn auch die jetzige Gesetzesänderung, die ohnehin schon auf die Änderung der Änderung wartet, dürfte wieder keine wirkliche Rechtssicherheit bringen.
Der Autor Peter Heyers ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in Osnabrück und Lehrbeauftragter der Universität Osnabrück.
Fernabsatzgeschäfte: . In: Legal Tribune Online, 11.06.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/700 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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