Viele Hundert Likes auf dem unternehmenseigenen Facebook-Profil oder eine lange Liste vertrauenserweckender Produktbewertungen bei Amazon sehen gut aus, fördern das positive Firmenimage und die Absatzzahlen. Immer mehr Unternehmen kaufen aber Likes oder arbeiten mit gefälschten Bewertungen. Ingo Jung über das florierende Geschäft mit unechten Kundenmeinungen.
Die Anzahl der Likes spiegelt die Beliebtheit eines Unternehmens oder Produktes wider, Kunden vertrauen in der anonymen Welt des Internet gerne diesen persönlichen Bekundungen und Bewertungen der User.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis findige Agenturen diese Marktlücke erschlossen haben. Auf Kundenwunsch bieten sie die erforderliche Massenbegeisterung mittels gefakter Likes auf der facebook-Seite oder das gewünschte positive Feedback zu den Produkten auch mittels Kommentaren auf den Seiten der jeweiligen Online-Shops.
Diese künstliche Unterstützung im Social Web und auf den Verkaufsplattformen bewegt sich aber mindestens in der Grauzone zwischen verschleierter Eigenwerbung und wettbewerbswidriger Irreführung.
Machtlosigkeit der Online-Shops
Agenturen, die solche Dienste im Internet anbieten, werben selbst damit, dass der Besucher einer social-optimierten Seite sogleich eine positive Grundeinstellung bekommt. Und wie kommt man im Internet besser in Kauflaune als auf diesem Wege?
Viele Käufer vertrauen den Bewertungen und Erfahrungsberichten in Online-Shops und glauben an die Beliebtheit von Unternehmen, die auf facebook mit hohen Likes-Zahlen glänzen. Die Internethändler haben diesen Fakes selbst offenbar nur wenig entgegenzusetzen. Facebook will nach jüngsten Bekundungen zwar verstärkt gegen Gefällt mir-Klicks vorgehen, hinter denen keine echte User-Bekundung steht.
Unklar bleibt aber, wie die neuen Software-Algorithmen erkennen sollen, ob Likes von einer realen Person oder von gekauften Nutzern stammen. Ebenso wenig nachvollziehbar ist, wie Amazon & Co feststellen wollen, ob die letzten 5-Sterne-Bewertungen eines Produktes von einem glücklichen Käufer oder von einer cleveren Agentur stammen.
Verschleierte Werbung gleich doppelt verboten
Neben dem praktischen Problem der Nachweisbarkeit, dass eine bestimmte Bewertung gefälscht ist oder "Likes" eingekauft wurden, ist gerade im Social Web die Grenze zwischen kommerzieller Werbung und privaten Inhalten durchaus fließend. An dieser Grenzlinie bewegt sich zugleich die rechtlich relevante Frage, ob ein solches Vorgehen wettbewerbsrechtlich beanstandet werden kann oder nicht.
Nach deutschem Recht maßgeblich ist die Vorschrift des § 4 Nr. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zur so genannten Verschleierung des Werbecharakters von geschäftlichen Handlungen. Nach dieser Regelung handelt wettbewerbswidrig, wer eine getarnte Werbung verbreitet oder den Verbraucher über den objektiven Charakter einer Berichterstattung oder Äußerung in die Irre führt. Im Bereich der Telemedien und des Internets wird das Verbot flankiert von § 6 Abs. 1 Nr. 1 Telemediengesetz (TMG). Auch diese Vorschrift ordnet an, dass kommerzielle Kommunikation klar als solche erkennbar sein muss. Die Einschaltung bezahlter „Blogger“ zu Werbezwecken wird daher als Unterform des viralen Marketings – quasi als digitale Variante eines gefälschten Leserbriefs – für unzulässig erachtet.
Nimmt man diese Regelungen ernst, so müssen sowohl von einem Unternehmen selbst veranlasste Fake-Likes als auch gefälschte Produktbewertungen als getarnte Eigenwerbung angesehen werden. Vermeintlich privaten Mitteilungen und Meinungen wird grundsätzlich höhere Aufmerksamkeit und Vertrauen geschenkt als Werbeäußerungen eines Unternehmens. Genau darauf basiert der Erfolg dieses getarnten Vorgehens, das regelmäßig zu einer Irreführung der Internetnutzer durch Verschleierung des Werbecharakters führt.
Die Bewertungsplattformen entwerten sich selbst
Wie ernst das Thema auch auf europäischer Ebene genommen wird, zeigt nicht zuletzt die Einfügung einer Spezialvorschrift in der so genannten "Black List" der europäischen Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RiLuG). Dort ist in Ziff. 11 geregelt, dass der bezahlte Einsatz von redaktionellen Inhalten in Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung in jedem Falle unzulässig ist, wenn sich der Werbecharakter nicht eindeutig aus der Darstellung ergibt. Diese Regelung ist über den Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG inhaltsgleich auch in das deutsche Recht eingeflossen und führt dazu, dass die Finanzierung derartiger Inhalte durch das Unternehmen selbst verboten ist.
Problematisch bleibt im Ergebnis aber vor allem die Beweisführung bei derartigen Konstellationen. Zwar sind solche verdeckten Eigenbewertungen häufig auch auf Grundlage der Nutzungsbedingungen der jeweiligen Plattform untersagt, jedoch hilft dies dem irritierten Privatnutzer oder argwöhnischen Konkurrenten wenig weiter, wenn er im Ergebnis nicht nachvollziehen kann, von wo die Likes oder die einzelnen Bewertungen eingestellt worden sind.
Sollte dieser Missbrauch sich ausweiten, ist gegebenenfalls auch der Gesetzgeber gefordert, den Betroffenen Auskunftsansprüche an die Hand zu geben, um Klarheit in die verschleierten Werbeaktionen zu bringen und die so agierenden Unternehmen abzuschrecken. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich Facebook, Amazon & Co. ihre internen Bewertungsmodelle selbst entwerten, indem immer mehr Nutzer an der Glaubwürdigkeit der dort verbreiteten Informationen zweifeln und zu den bewährten objektiven Testberichten neutraler Anbieter wie beispielsweise der Stiftung Warentest zurückkehren.
Dr. Ingo Jung ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz bei CBH Rechtsanwälte.
Ingo Jung, Fake-likes und gefälschte Kritiken: . In: Legal Tribune Online, 11.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7046 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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