2/2: Wie hoch ist der Grundtarif?
Der EuGH stellte fest, dass der in Art. 21 der Richtlinie verwendete Begriff "Grundtarif" in der Richtlinie selbst nicht definiert ist. Ihr Sinn und Zweck aber sei es, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen. Diesem Ziel widerspreche es, wenn ein Unternehmen für seine Service-Hotline eine besondere Telefonleitung auswählt, bei der ein höherer als der übliche Telefontarif anfällt.
Ein Verbraucher könne nämlich aus Gründen der Sparsamkeit davon Abstand nehmen, das Unternehmen anzurufen. Die Fragen des Verbrauchers zu seinem Vertrag blieben dann offen. Schlimmer noch: Der Verbraucher könnte davon ablassen, seine Rechte wahrzunehmen, so etwa, wenn er auf eine Reklamation oder einen Widerruf verzichte.
Nach Auffassung des EuGH ist es auch egal, ob ein Unternehmen mit einer teuren Service-Hotline Gewinn erwirtschaftet oder nicht. Ebenso sei auch nicht entscheidend, ob ein Teil der über die Hotline generierten Telefongebühren an das Unternehmen ausgeschüttet wird oder nicht. Relevant sei allein, dass das dem Verbraucher berechnete Entgelt höher sei als bei einem gewöhnlichen Anruf.
Das Ende vieler, aber nicht aller solcher Service-Hotlines
Auch nach dem EuGH-Urteil sind Service-Hotlines mit Tarifen, die über den üblichen Verbindungsentgelten für ein Gespräch ins Fest- oder Mobilfunknetz liegen, nicht unter allen Umständen unionsrechtswidrig. Besondere Tarife bleiben für solche Anrufe zulässig, bei denen der Unternehmer seine Dienstleistung entweder völlig unentgeltlich oder vollständig im Rahmen des Telefonats erbringt, sei es beispielsweise die Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt oder Lebensberatung durch eine Astrologin. Weiterhin zulässig sind auch kostenpflichtige Bestell-Hotlines, über die ein Vertrag erst geschlossen werden kann.
Keine Gültigkeit hat das EuGH-Urteil außerdem für Verträge, die den Regelungen des § 312 Abs. 2 bis 6 BGB beziehungsweise des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie unterfallen, so etwa Beförderungs-, Timesharing- oder im Wege eines Fernabsatzgeschäfts geschlossene Reiseverträge.
Diese Einschränkungen ändern aber nichts daran, dass das EuGH-Urteil nicht zuletzt im Bereich des Versandhandels und in vielen anderen Fällen eben doch einschlägig ist, in denen die Service-Hotline der Beantwortung von Fragen zu einem bereits geschlossenen Vertragsverhältnis dient. Dort dürfen künftig keine höheren als die marktüblichen Verbindungsentgelte für einen Anruf ins nationale Fest- oder Mobilfunknetz verlangt werden.
Geschieht das doch, muss der Verbraucher für seinen Anruf überhaupt nichts bezahlen während der Anbieter des Telekommunikationsdiensts gegenüber dem Unternehmer einen Rückgriffsanspruch in Höhe des reinen Nutzungsentgelts hat. Kurz: Die Kosten des Anrufs trägt der Unternehmer, der für den Kontakt mit seinen Kunden eine überteuerte Hotline einsetzt. Daneben dürften auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen den Unternehmer im Raume stehen.
Das Kalkül mancher Unternehmen, lästige Kundenanfragen mit einer teuren Hotline abwimmeln oder an den Telefongebühren sogar noch verdienen zu können, wird damit künftig seltener aufgehen.
Der Autor Dr. Andreas Brommer ist Rechtsanwalt in der Kanzlei KLEINER Rechtsanwälte in Stuttgart.
Andreas Brommer, EuGH verbietet Hotlines mit Zusatzgebühr: . In: Legal Tribune Online, 02.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22248 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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