Unternehmen, die ein Kartell organisatorisch unterstützen, müssen auch dann ein Bußgeld zahlen, wenn sie auf dem kartellierten Markt selbst gar nicht tätig sind. Was das für Dienstleister und Berater heißt, weiß Nico Just.
Mit ihrem Urteil bestätigen die Europarichter die EU-Kommission. Diese hatte im November 2009 ein Bußgeld von mehreren Hunderttausend Euro gegen die AC Treuhand verhängt, einen Dienstleister, der für Verbände und Vereinigungen arbeitet. Die Unternehmensberatung hatte sich unter anderem an Preis-, Gebiets- und Kundenabsprachen sowie dem Austausch wirtschaftlich sensibler Informationen über Kunden, Produktions- und Liefermengen beteiligt. Die Züricher hatten die Zusammenkünfte der Kartellanten organisiert, Liefermengen der kartellierten Güter erfasst und diese den Kartellanten zur Verfügung gestellt.
AC-Treuhand klagte gegen das Bußgeld der Kommission. Das Unternehmen trug vor, dass an einem Kartell nur derjenige beteiligt sein könne, der als Anbieter oder Nachfrager einen gewissen Bezug zu den kartellierten Märkten habe. Das sei bei einem Beratungsunternehmen wie AC-Treuhand nicht der Fall.
Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) Nils Wahl hatte diese Auffassung Ende Mai dieses Jahres in seinen Schlussanträgen unterstützt; kartellrechtlich könne nur verantwortlich sein, wer selbst auf dem Markt des Kartells tätig ist.
Dabei sein und schweigen kann schon reichen
Der EuGH erteilte dieser Sichtweise am Donnerstag eine Absage. Er bekräftigt mit seinem Urteil (v. 23.10.2015, Az. C-194/14 P) die bisherige Entscheidungspraxis: Auch andere Formen der Beteiligung an einer Zuwiderhandlung können eine Komplizenschaft zum Ausdruck bringen und damit eine bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit begründen. Dafür soll laut den Luxemburger Richtern zum Beispiel die bloße Teilnahme an Sitzungen ausreichen.
Eine solche stillschweigende Beteiligung liegt nach dem EuGH auch vor, wenn sich das Unternehmen nicht offen vom Inhalt des Kartellrechtsverstoßes distanziert oder diesen bei den Behörden anzeigt - und das dazu führt, dass die Fortsetzung der Zuwiderhandlung begünstigt und ihre Entdeckung verhindert wird.
Gleichzeitig stellt der EuGH klar, dass der Gehilfe auf dem kartellierten Markt nicht selbst Anbieter oder Nachfrager sein muss, um gegen ihn ein Bußgeld verhängen zu können.
Ein Grund mehr für Compliance mit dem Kartellrecht
Die Entscheidung ist von besonderer Bedeutung für Berater und Dienstleister, die für mehrere miteinander konkurrierende Unternehmen tätig sind.
Anbieter solcher Leistungen sind vor allem Verbände und Beratungsgesellschaften, aber auch jedes andere Unternehmen, welches durch Unterstützungshandlungen kartellrechtswidrige Absprachen fördert. Wie die marktbeteiligten Unternehmen selbst müssen sich auch externe Dienstleister oder Verbände von einer Kartellabrede distanzieren, die bei ihren Veranstaltungen getroffen wird.
Bei der Höhe des Bußgeldrisikos wird zum einen die Intensität und Dauer der Unterstützungshandlung zu berücksichtigen sein. Der EuGH hat aber mit seiner Entscheidung auch Klarheit hinsichtlich der rechtlichen Lage geschaffen. Für Verbände wie Dienstleister ein Grund mehr, die Compliance mit dem Kartellrecht auf von ihnen organisierten Veranstaltungen sicherzustellen.
Der Autor Nico Just, LL.M. (Auckland) ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei Osborne Clarke. Er ist Mitglied der Practice Group Commercial und berät Unternehmen und Verbände im deutschen und europäischen Kartell- und Wettbewerbsrecht.
EuGH sieht weite Haftung für Kartellverstöße: . In: Legal Tribune Online, 23.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17319 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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