Informationspflichten im Online-Versandhandel: Wer bin ich und wenn ja, wie viele?

von Dr. Ingo Jung

30.03.2017

2/2: Wesentliche Produkteigenschaften erst online zur Verfügung stellen

Obwohl die Argumente des BGH nachvollziehbar sind, bleib strittig, ob das Aufsuchen einer Internetseite mit dem vom EuGH entschiedenen Fall, in dem es um das Aufsuchen eines Ladenlokals ging, vergleichbar ist. Wird hierdurch wirklich eine vergleichbare Drucksituation des Verbrauchers erzeugt? Daran könnten Zweifel bestehen, denn die Anonymität und Unverbindlichkeit des Internets erleichtern es einem Verbraucher – anders als im Ladenlokal, in dem er sich einer realen Verkaufsperson gegenüber sieht –, von einem Kauf Abstand zu nehmen.

Auch zieht der bloße Aufruf einer Website keine anderen negativen wirtschaftlichen Konsequenzen nach sich, weil der Verbraucher nicht etwa Zeit und Geld investieren muss, um sich zu einem Ladenlokal zu begeben. Allenfalls investiert er Zeit, um die Website aufzurufen.

Gegen die zwingende Annahme von umfassenden Informationspflichten in einer derartigen Anzeige spricht ein Urteil des EuGH vom 12.05.2011 (Az. C-122/10). Damals hatte der EuGH in Bezug auf eine Werbung in einer Tageszeitung ausgeführt, dass es im Einklang mit der UGP-RL stehe, wenn nur einige von mehreren kennzeichnenden Merkmalen eines Produkts in der Anzeige angegeben werden, soweit der Gewerbetreibende im Übrigen auf seine Webseite verweise und sich dort die notwendigen ergänzenden Informationen über die maßgeblichenen Merkmale des Produkts fänden.

Daran, dass die Vorenthaltung von wesentlichen Merkmalen des Produkts die Entscheidung des Verbrauchers beeinflusst, dessen Internetseite aufzurufen, hatte sich der EuGH jedoch in diesem Falle nicht gestört.

EuGH ermöglicht alternative Informationserteilung via Website

In seiner Entscheidung vom Donnerstag hat der EuGH das Vorliegen einer geschäftlichen Entscheidung gar nicht mehr näher thematisiert, sondern schon eher angesetzt und zweierlei in seinem Urteil klargestellt:

Zum einen lässt er keinen Zweifel daran, dass die Printanzeige von "Mein Paket" mit Produkt- und Preisangaben für sich genommen bereits eine klare Aufforderung zum Kauf darstellt. Entsprechend seien dort grundsätzlich alle wesentlichen Informationen im Sinne des Art. 7 Abs. 4 der UGP-RL anzugeben, insbesondere Anschrift und Identität des Anbieters. Das gilt nach Auffassung der Luxemburger Richter auch im Falle der Bewerbung von Angeboten verschiedener Anbietern in einer einzigen Printanzeige: Die Angaben seien für jeden Anbieter gesondert und vollständig erforderlich.

Allerdings betonte der EuGH gerade beim Zusammenspiel von Printwerbung und Online-Angebot die Bedeutung der Regelung des Art. 7 Abs. 3 der UGP-RL,  wonach eine Verlagerung dieser Informationserteilung in das Online-Angebot erfolgen kann. Dazu müsse das für die Werbung verwendete Kommunikationsmedium – hier also die Printanzeige der DHL-Plattform - räumlichen Beschränkungen unterliegen.

Diese Ausnahme gilt, sofern die Verbraucher, die die beworbenen Produkte über die in der Werbeanzeige genannte Webseite erwerben können, die Produktinformation dann auf einfache Weise online auf der Seite des Versandhändlers erhalten können.

EuGH führt Rechtsprechung weiter – und fördert die Praxis

Mit dieser Entscheidung hat der EuGH seine Rechtsprechung konsequent weitergeführt. Ins Zentrum der Bewertung rückt damit die Definition einer "räumlichen Beschränkung", deren Bestimmung im Einzelfall der EuGH den nationalen Gerichten zuweist. Als Richtlinie gibt der EuGH insofern an die Hand, dass eine solche räumliche Beschränkung gerade bei der vorliegenden Konstellation bestehen könne, in welcher "Mein Paket" - quasi medienübergreifend - in einem Printmedium für seine Online-Verkaufsplattform geworben hat.

Auf die Verkäuferinformationen könne insbesondere verzichtet werden, wenn in einer Printanzeige seitens der Online-Plattform eine "große Anzahl" von Kaufmöglichkeiten bei verschiedenen Gewerbetreibende angeboten werde.

Der BGH hat also nun zu bewerten, ob die DHL-Printanzeige derart ausgestaltet war, dass eine Aufnahme der zusätzlichen Anbieterinformationen nicht verlangt werden konnte, oder ob bei den dort beworbenen fünf Produkten eben noch nicht von vom Vorliegen einer seitens des EuGH genannten "großen Anzahl" von Angeboten ausgegangen werden kann.

Der Autor Dr. Ingo Jung ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner bei CBH Rechtsanwälte im Bereich Geistiges Eigentum & Medien in Köln.

Zitiervorschlag

Ingo Jung, Informationspflichten im Online-Versandhandel: . In: Legal Tribune Online, 30.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22528 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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