EuGH zu Tofubutter & Co.: Milch kommt von Melken

von David Ziegelmayer

14.06.2017

Der EuGH wendet eine EU-Verordnung an und erklärt Bezeichnungen wie "Pflanzenkäse" für rechtswidrig. Ob er das musste, ist fragwürdig. Das Ziel, den Verbraucher zu schützen, hat er aber jedenfalls verfehlt, meint David Ziegelmayer.

Landwirtschaftsminister Christian Schmidt dürfte sich erst einmal freuen: Nachdem er im vergangenen Jahr der "Pseudo-Wurst" den Kampf angesagt hatte, bekommt er jetzt – scheinbar - Aufwind aus Luxemburg: Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Mittwoch (Urt. v. 14.06.2017, Az. C-422/16) dürfen rein pflanzliche Produkte jedenfalls nicht unter Bezeichnungen wie "Milch", "Rahm", "Butter", "Käse" oder "Joghurt" vermarktet werden.

Diese behält das Unionsrecht Produkten tierischen Ursprungs vor. Das kann man getrost als Paukenschlag für die Öko- und Lifestyleindustrie ansehen, die seit Jahren mit "alternativen" Milchprodukten am Markt ist und damit enorme Umsätze macht.

Dieser Paukenschlag hat seinen Ursprung in Deutschland: Das hier ansässige Unternehmen "TofuTown" war von dem "Verband Sozialer Wettbewerb" vor dem Landgericht (LG) Trier auf Unterlassung verklagt worden, weil es pflanzliche Produkte etwa unter den Bezeichnungen "Soyatoo Tofubutter", "Pflanzenkäse", "Veggie-Cheese" vertreibt. Der Verband sah in dieser Art der Absatzförderung einen Verstoß gegen die Unionsvorschriften über die Bezeichnungen von Milch und Milcherzeugnissen.

Entscheidend ist die Eutersekretion

Das LG hatte sich dabei mit der Auslegung der einschlägigen EU-Verordnung 1308/2013 "über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse" zu beschäftigen. Diese sieht beispielsweise vor, dass der Ausdruck "Milch" "[…] ausschließlich dem durch ein- oder mehrmaliges Melken gewonnenen Erzeugnis der normalen Eutersekretion, ohne jeglichen Zusatz oder Entzug, vorbehalten" ist.

"Wirklich?", ist man als Verbraucher geneigt, zu fragen. Denn Pflanzliche und vegetarische Produkte mit Bezeichnungen wie "Hafermilch" oder "Sojamilch" findet man inzwischen in jedem Supermarkt. Auch das LG Trier schien sich zu wundern und fragte den EuGH in drei Vorlagefragen im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahren, ob das "wirklich" so sein kann:

Darf man pflanzliche Produkte als Milch, Butter, Käse & Co. bezeichnen, wenn man durch deutliche Zusätze wie "Tofu, Veggie, Soja" klarstellt, dass es sich nicht um tierische, aus Eutersekretion hervorgegangene Milch handelt? Darf "Milch" nur eine Flüssigkeit bezeichnen, die aus dem Euter eines Tieres gewonnen wurde oder darf man diesen Namen auch pflanzlichen Produkten geben, wenn man erläuternde Begriffe wie "Soja" hinzufügt?

Und schließlich: Dürfen nur solche Produkte als "Molke, Rahm, Butter, Buttermilch, Käse, Joghurt oder Sahne" bezeichnet werden, die aus tierischer Milch hergestellt wurden oder auch solche, die aus pflanzlicher Milch hergestellt wurden?

Erdnussbutter, Fleischkäse und Co.

Die Antwort auf all diese Fragen scheint für den EuGH eindeutig zu sein: Ja, wirklich. Nach seinem Urteil können all diese Bezeichnungen wohl grundsätzlich nicht rechtmäßig verwendet werden, um ein rein pflanzliches Produkt zu bezeichnen – es sei denn, es ist in dem die Ausnahmen enthaltenden Verzeichnis aufgeführt, was weder bei Soja noch bei Tofu der Fall ist. Im deutschen Ausnahmekatalog (Beschluss 2010/791/EU) finden sich dagegen - zum Teil sehr amüsante und willkürlich anmutende– Ausnahmen, etwa für "Fleischkäse", "Erdnussbutter" oder auch "Buttersalat". Es scheint, als habe die Tofulobby bei Abfassung des Katalogs geschlafen.

Der EuGH hält sich mit seinem Urteil streng an die Verordnung, die er im Urteil minutiös zitiert und anwendet. Die Einwände von "TofuTown", dass damit die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Gleichbehandlung verletzt würden, bügelt er dagegen relativ schnell ab: die in Rede stehenden Bestimmungen würden "zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen für die Erzeugung und Vermarktung sowie der Qualität der Erzeugnisse, zum Verbraucherschutz und zum Erhalt der Wettbewerbsbedingungen beitragen".

Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen

Mit dem Einwand, dass sich das Verständnis der Verbraucher in den vergangenen Jahren gewandelt habe und dass sich schon der Natur der Sache nach klarstellende Zusätze auf den Produkten befinden, die den Verbrauchern gerade signalisieren, dass es sich nicht um tierische "Milch" oder ähnliche Produkte handelt, beschäftigt sich das Gericht erst gar nicht.

Dass ist erstaunlich: Denn das Urteil lässt sich nicht wirklich mit dem vom EuGH selbst etablierten Leitbild des "aufgeklärten und informierten Verbrauchers" in Einklang bringen. Diejenigen Verbraucher, die diese Produkte kaufen, entscheiden sich ganz bewusst für eine Alternative zu herkömmlichen tierischen Produkten. Diesen Umstand ignoriert das Gericht und meint ohne nähere Begründung, dass "eine Verwechslungsgefahr in der Vorstellung des Verbrauchers nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann". Der EuGH, so scheint es, will den "aufgeklärten" Verbraucher nun doch wieder in Schutz nehmen, damit er nicht versehentlich Hafer- statt Kuhmilch kauft. Das dürfte an der Realität vorbeigehen.

Ob Gesetzgeber und der EuGH das Rad des Verbraucherschutzes an derart absurden Stellen noch etwas weiterdrehen werden, wird sich zeigen. Dringendere Themen, wie etwa die Irreführung über die Inhaltsmenge einer Verpackung oder Inhaltsstoffe von Produkten, gäbe es jedenfalls genug. Falls sich Minister Schmidt mit dem Aufwind des Urteils dennoch nochmals an den Angriff auf die "vegane Currywurst" beschäftigen wollte, müsste wiederum ein neues Gesetz her: Denn wie der EuGH in seinem Urteil klargestellt hat, unterliegen Erzeuger vegetarischer oder veganer Fleisch- oder Fisch-Alternativprodukte keinen Beschränkungen, wie es sie bei der Milch gibt.

Der Autor David Ziegelmayer ist Rechtsanwalt und als Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz spezialisiert auf den Schutz von Know-how-, Wettbewerbs- und Markenschutz sowie Urheberrecht für Unternehmen. Er vertritt Unternehmen in verbraucherrechtlichen Angelegenheiten.

Zitiervorschlag

David Ziegelmayer, EuGH zu Tofubutter & Co.: . In: Legal Tribune Online, 14.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23192 (abgerufen am: 07.11.2024 )

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