2/2: Loyalitätsverstoß als Kündigungsgrund
In seinem Urteil im Jahr 2011 hat das BAG der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Zwar kam der Loyalitätsverstoß nach Ansicht des BAG grundsätzlich als Kündigungsgrund in Betracht. Allerdings könne auch bei Kündigungen wegen Enttäuschung der berechtigten Loyalitätserwartungen eines kirchlichen Arbeitgebers die stets erforderliche Interessenabwägung im Einzelfall zu dem Ergebnis führen, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zumutbar und die Kündigung deshalb unwirksam sei. Abzuwägen seien das Selbstverständnis der Kirchen einerseits und das Recht des Arbeitnehmers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens andererseits. Im Falle des wiederverheirateten Chefarztes müsse diese Abwägung zugunsten des Klägers ausfallen.
Diese Entscheidung hat das BVerfG durch Beschluss vom 22.10.2014 aufgehoben und die Sache an das BAG zurückverwiesen. Das BVerfG sah in der Entscheidung des BAG eine Verletzung des verfassungsrechtlich verankerten Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften aus Art. 140 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung (WRV).
Ungleichbehandlung von Ungleichem
Anstatt jedoch erneut unter Zugrundelegung der Entscheidung des BVerfG zu urteilen, legte das BAG dem EuGH zunächst einzelne Vorfragen zur Entscheidung vor. Dabei soll insbesondere geklärt werden, inwieweit die Kirche für eine Organisation wie die Beklagte verbindlich bestimmen kann, dass deren Arbeitnehmer in leitender Stellung ein loyales und aufrichtiges Verhalten vorzuweisen haben.
Dabei soll auch untersucht werden, inwieweit die Kirche dabei zwischen Arbeitnehmern unterscheiden darf, die der Kirche angehören, und solchen, die einer anderen oder keiner Kirche angehören. Außerdem soll geklärt werden, ob die Vorschrift des § 9 Abs. 2 AGG, die eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung zulässt, überhaupt anwendbar ist.
Die Entscheidung ist kaum vorhersehbar. Allerdings wird es zunehmend schwierig werden, die verfassungsrechtlich und Konkordats erzogenen Besonderheiten des deutschen nationalen Rechts europarechtlich zu halten.
Seit Jahren wehren sich Mitarbeiter der Kirchen gegen arbeitsrechtliche Maßnahmen, die aufgrund von privaten Entwicklungen getroffen werden. So hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sich 2010 mit den Fällen eines Kirchenmusikers und eines für die Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Mormonen zu befassen. Das Ergebnis des EGMR: So lange die Gerichte die gegenläufigen Grundrechte abwägen, ist die Kirche gegen unzulässige Einmischung geschützt.
Die Autoren Dr. Burkard Göpfert (Partner) und Dr. Sina Pfister sind auf das Arbeitsrecht spezialisierte Anwälte bei Baker McKenzie in München.
EuGH prüft kirchliches Selbstbestimmungsrecht: . In: Legal Tribune Online, 18.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23486 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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