EuGH kippt Gewinnspielkopplungsverbot: Spiel, Spaß und eine ganze Menge Fragen

Dr. Ingo Jung

19.04.2010

Die Elektrofachmarkt-Kette Media Markt hat im Rahmen ihrer "Agenda 2010" zu Beginn des Jahres für viel Wirbel gesorgt - nicht nur bei Verbrauchern. Wettbewerbsrechtler beschäftigen sich mit der Frage, ob die Werbeaktion eine unzulässige Gewinnspielkopplung ist, oder Media Markt sich wegen eines jüngst ergangenen EuGH-Urteils zu Recht in Sicherheit wog.

Gegenstand der "Agenda 2010" der schon mehrfach im Grenzbereich wettbewerbsrechtlicher Zulässigkeit aufgetretenen Elektrofachmarkt-Kette war die Aktion "Jeder 10. Einkauf für umsonst". Und während clevere Verbraucher noch versuchten, die gekauften Waren nach verlorenem Gewinnspiel wieder umzutauschen, rätselten Wettbewerbsrechtler schon, wie sich die Kampagne mit der neuen europäischen Rechtsprechung verträgt.

Das deutsche Verbot der Gewinnspielkopplung ist in § 4 Nr. 6 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geregelt. Nach dieser Vorschrift ist es unzulässig, die Teilnahme an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware abhängig zu machen. Auf diesem Wege soll der Verbraucher davor geschützt werden, zunächst käuflich eine Ware erwerben zu müssen, um den Vorteil der Gewinnchance zu erlangen.

Genau dies war aber bei der Werbeaktion der Fall: Der Kunde musste bei Media Markt zunächst sämtliche Käufe wie gewohnt bezahlen. Ob er gewonnen hatte, erfuhr er erst am Abend des Kauftages anhand einer Nummer auf dem Kassenbon, indem er die Internet-Seite des Unternehmens aufsuchte oder die eigens hierfür geschaltete Telefonhotline anrief.

Danach besteht kein Zweifel, dass der Anwendungsbereich des § 4 Nr. 6 UWG grundsätzlich eröffnet ist.

EuGH: Totalverbot der Gewinnspielkopplung europarechtswidrig

Der EuGH hat allerdings mit seinem Urteil vom 14. Januar 2010 (Az. C-304/08) entschieden, dass die Regelung des § 4 Nr. 6 UWG insofern im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht steht, als sie die Kopplung von Gewinnspielteilnahme und Warenerwerb per se ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls verbietet.

Bei erster Betrachtung des EuGH-Urteils kann man leicht dem Trugschluss unterliegen, dass solche Werbemaßnahmen damit in Deutschland grundsätzlich zulässig seien. Denn der EuGH verliert kein Wort über die Folgen seiner Entscheidung. Der Leser bleibt vielmehr seinen Spekulationen überlassen.

Aber können sich der Media Markt und Unternehmen mit ähnlichen Werbeabsichten aufgrund des EuGH-Urteils tatsächlich zurücklehnen?

Aus diesem folgt nicht, dass das deutsche Kopplungsverbot für Gewinnspiele in Zukunft einfach wegfällt. Das Gericht hat mit seiner Entscheidung nur klargestellt, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 6 UWG in ihrer derzeitigen Fassung - quasi als "Totalverbot" - nicht mit dem liberaleren Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

Europarechtskonforme Umsetzung statt totalem Wegfall

Infolgedessen sind nun die deutschen Gerichte gefordert, die Frage zu beantworten, ob und auf welchem Wege das deutsche Gewinnspielkopplungsverbot in Zukunft europarechtskonform umgesetzt werden kann.

Nahe liegt es, in besonders bedenklichen Fällen einer Gewinnspielkopplung auf die Vorschrift des § 4 Nr. 1 UWG zurückzugreifen, wonach eine Werbeaktion dann unzulässig ist, wenn sie eine "unangemessene unsachliche Einflussnahme" darstellt.

Dies könnte vor allem dann der Fall sein, wenn besonders hohe Gewinne ausgelobt werden oder die Werbeaktion nur über einen sehr kurzen Zeitraum durchgeführt und beworben wird. Der Kunde kann dann nämlich nicht mehr besonnen und in Ruhe abwägen, ob der durch das Gewinnspiel versprochene Vorteil wirklich den Erwerb der Ware rechtfertigt oder seinen Blick für eine objektive Kaufentscheidung trübt.

Festgehalten werden kann aber schon jetzt: Dass das Verbot in Zukunft ganz wegfällt, ist nicht zu erwarten.

Kein Grund also für Media Markt, sich auf Grundlage des EuGH-Urteils bei derartigen Werbeaktionen vollständig in Sicherheit zu wiegen. Dennoch ist es dem Unternehmen nicht zu verdenken, dass es eine solche Werbeaktion gestartet hat. Warum auch nicht? Schließlich hat der EuGH mit der Formulierung seines Urteils allen Anlass dazu gegeben, den Untergang des deutschen Gewinnspielkopplungsverbots zu bejubeln.

Tatsache ist aber, dass sich die werbenden Unternehmen hier wohl zu früh gefreut haben. Künftig wird man in jedem Einzelfall prüfen müssen, ob das mit dem Kauf verbundene Gewinnspiel besondere unlautere Aspekte beinhaltet.

Der Autor Dr. Ingo Jung ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner in einer großen deutschen Sozietät in Köln.

Zitiervorschlag

Ingo Jung, EuGH kippt Gewinnspielkopplungsverbot: . In: Legal Tribune Online, 19.04.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/405 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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