Wer eine illegale Einreise erlaubt, ist auch für das Asylverfahren zuständig. Menschen in andere Staaten durchzuwinken, weil so viele von ihnen kamen, funktioniert nicht, so der EuGH. Und stellte sich damit gegen die Schlussanträge.
Kroatien ist für die Prüfung der Anträge auf Gewährung internationalen Schutzes von Personen zuständig, die seine Grenze während der Flüchtlingskrise der Jahre 2015 und 2016 in großer Zahl überschritten haben. Diese Menschen haben die Außengrenze des Landes nämlich im Sinne der Dublin-III-Verordnung illegal überschritten. Wer aus humanitären Gründen die Einreise erlauben wolle, könne dies aber nur für das eigene Land tun, nicht für einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urt. v. 26.07.2017, Az. C-490/16, A.S./Republika Slovenija u. C-646/16, Jafari).
Die Dublin-III-Verordnung (VO) ist im Wortlaut eindeutig: Ein Antrag auf Asyl wird nach Art. 3 von dem Mitgliedstaat geprüft, der als zuständig bestimmt wird. Als zuständig in diesem Sinne bestimmt wird nach Art. 13 Dublin-III-VO, wer Drittstaatenangehörige illegal einreisen lässt.
Im Rahmen der sog. Flüchtlingskrise in den Jahren 2015 und 2016 war eben das geschehen, und zwar in sehr vielen Fällen. Es waren so viele, dass das die Generalanwältin Eleanor Sharpston zu der Ansicht gebracht hatte, diese Situation sei so besonders, dass sie Ausnahmen von Dublin-III begründen.
Der EuGH sag das nun anders, aus juristisch nachvollziehbaren Gründen: „Wäre der EuGH der Generalanwältin gefolgt, hätte der EuGH im Falle eines Massenzustroms von Flüchtlingen die Dublin-III-VO außer Kraft gesetzt“, sagt der Berliner Anwalt Rolf Stahmann, spezialisiert auf Ausländer- und Asylrecht.
Einreise ist und bleibt illegal
Unter den vielen Schutzsuchenden, die im Jahr 2016 die Grenze zwischen Kroatien und Serbien überschritten, waren auch ein syrischer Staatsangehöriger und die Mitglieder zweier afghanischer Familien. Visa hatten sie nicht. Die kroatischen Behörden organisierten ihre Beförderung per Bus bis an die Grenze zwischen Kroatien und Slowenien, um ihnen zu helfen, sich in andere Mitgliedstaaten zu begeben und dort internationalen Schutz zu beantragen. Der Syrer stellte in Slowenien einen Asylantrag, die afghanischen Familien in Österreich. Sowohl Slowenien als auch Österreich waren jedoch der Ansicht, dass die Antragsteller illegal nach Kroatien eingereist seien, so dass nach der Dublin-III-VO Kroatien zuständig sei.
Die Betroffenen fochten die Entscheidungen der slowenischen und der österreichischen Behörden gerichtlich an und machten geltend, ihre Einreise nach Kroatien könne nicht als illegal angesehen werden, so dass nach der Dublin-III-Verordnung die slowenischen und die österreichischen Behörden ihre Anträge zu prüfen hätten. Der EuGH sollte entscheiden, wann eine Einreise der Betroffenen als legal im Sinne der Dublin-III-Verordnung anzusehen ist und ob die Haltung der kroatischen Behörden, die Flüchtlinge durch das eigene Land reisen zu lassen, der Erteilung eines Visums durch diesen Mitgliedstaat gleichkommt.
Notwendig ist förmlicher Rechtsakt
Der EuGH stellte am Mittwoch klar, dass eine ine illegale Einreise völlig unabhängig von der Menge der ein- oder durchreisewilligen Menschen vorliegt, wenn die Person keine Erlaubnis zur Ein- oder Durchreise hat. Diese erfordere aber für Drittstaatenangehörige ein Visum, und ein Visum erfordere einen förmlichen Rechtsakt, eine bloße Duldung reiche nicht. Auch die faktische Gestattung der Einreise ersetze das Visum nicht, eine konkludente Visumserteilung sei nicht möglich.
Damit ist klar: Das sog. Durchwinken von Seiten der kroatischen Behörden war keine Visumserteilung, die Einreise der Flüchtlinge in die EU war und bleibt illegal.
Jeder entscheidet für sich
Vor allem aber könnten, so die Luxemburger Richter, die Mitgliedstaaten ihre Entscheidung, Flüchtlinge in die EU einreisen zu lassen, für das eigene Land treffen, nicht aber für andere EU-Länder. Humanität kann jeder für sich selbst ausüben. Wenn ein Land sich so verhalte, werde es eben zuständig für das Asylverfahren, so sei es in Dublin-III vorgesehen. Nach der Verordnung hat das Land die Einreise zu verantworten, das Flüchtlinge die Grenzen illegal überschreiten lässt, aus diesem Gedanken heraus begründet sich auch die Zuständigkeit für die Prüfung des internationalen Schutzes.
Ein „illegales Überschreiten einer Grenze“ liege daher auch dann vor, wenn ein Mitgliedstaat Drittstaatsangehörigen die Einreise in sein Hoheitsgebiet aus humanitären Gründen und unter Abweichung von den für sie grundsätzlich geltenden Einreisevoraussetzungen gestattet. Dabei spielen andere Umstände für den EuGH keine Rolle keine Rolle, die Masse der Flüchtlinge und die Überforderung der EU-Außenländer änderten an dieser Rechtslage nichts, stellten die Richter klar und positionierten sich damit gegen die Generalanwältin und die Argumentation aus Zagreb.
Allerdings erinnert das Gericht auch an den Geist der Solidarität der EU: Den Mitgliedsländern steht es frei, selbst die Prüfung eines Asylantrags zu übernehmen. Sie haben zwar keine Pflicht dazu, aber ein Recht zum Selbsteintritt, auch, wenn sie nach der Dublin-III-VO nicht zuständig wären. Und dann gebe es ja noch die Abschiebungsverbote: So könnten Flüchtlinge nicht an andere Länder verwiesen werden, wenn sie Gefahr laufen, dort unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen zu erleiden. Das wurde bisher stets angenommen, wenn die rechtlich zuständigen Mitgliedsländer nicht in der Lage waren, die Flüchtlinge angemessen zu versorgen. So gibt es etwa keine Überstellungen nach Griechenland.
Tanja Podolski, EuGH zum Asyl in Flüchtlingskrise: . In: Legal Tribune Online, 26.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23627 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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