EuGH zu frei zugänglichen Fotos im Internet: Ver­linken ja, Hoch­laden nein

Gastbeitrag von Dr. Martin Gerecke, M. Jur. (Oxford)

07.08.2018

Das Foto in einem Schülerreferat schaffte es bis nach Luxemburg: Die Entscheidung des EuGH bringt aber nicht wie befürchtet das Ende der Exklusivität von Urheberrechten im Netz. Martin Gerecke zum Unterschied zwischen Linking und Upload.

Der Vorschlag des Generalanwaltes ließ Schlimmes befürchten, aber es ist zum Glück nicht so gekommen: Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) bei seinen Entscheidungen zum Hyperlinking und Framing gewohnte Pfade verließ, kehrte er am Dienstag an die Seite der Urheber zurück und entschied:

Die Vervielfältigung und Veröffentlichung eines Fotos, das auf einer anderen Webseite bereits frei verfügbar ist, bedarf der Zustimmung des Urheberrechtsinhabers. Durch ein solches Einstellen werde die Fotografie einem neuen Publikum zugänglich gemacht, so die Luxemburger Richter (Urt. v. 07.08.2018, Az. C-161/17).

Das ist ein wichtiges Signal für alle Kreativen.

Die Zulässigkeit des Teilens, Verlinkens und sonstigen Weiterverbreitens von Inhalten im Internet gehört zu den natürlichen Rechtsfragen unserer Digitalkultur. Es ist deshalb einigermaßen verwunderlich, dass Teile dieser Rechtsfragen noch immer nicht zweifelsfrei geklärt sind. Bezüglich des Hyper- und Inline-Linkings (Framing) haben sich EuGH und Bundesgerichtshof (BGH) bereits positioniert. Bei seiner Entscheidung zur Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke, die bereits an anderer Stelle im Internet frei verfügbar waren, weicht der EuGH nun von seiner Rechtsprechung in den Verlinkungsfällen ab.

Ein hochgeladenes Schülerreferat in Luxemburg

Eine Schule in Nordrhein-Westfalen veröffentlichte auf ihrer Internetseite ein Foto der südspanischen Stadt Córdoba als Teil eines Schülerreferats. Das Foto stammte ursprünglich von der Webseite eines Online-Reiseportals, wo es frei zugänglich war. Unter dem Schülerreferat fand sich ein Hinweis auf die Webseite des Portals. Der Fotograf des Fotos nahm das Land als Träger der Schule auf Unterlassung und Schadensersatz in Höhe von 400 Euro in Anspruch. Er habe lediglich dem Online-Reiseportal erlaubt, das Foto zu nutzen. Die Veröffentlichung auf der Website der Schule hingegen verletze sein Urheberrecht.

Das Landgericht (LG) Hamburg gab dem Antrag statt und urteilte auf Unterlassung und Zahlung von 300 Euro Schadensersatz. Dem folgte das Berufungsgericht im Hinblick auf den Hauptantrag des Klägers. Der Bundesgerichtshof (BGH) erkannte in der Veröffentlichung ebenfalls eine Urheberrechtsverletzung (Beschl. v. 23.02 2017, Az. I ZR 267/15), sah sich jedoch veranlasst, dazu den EuGH im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens zu befragen.

Den Karlsruher Richtern ging es im Kern um die Frage, ob die Wiedergabe eines auf einer fremden Internetseite mit Einverständnis des Urhebers für alle Internetnutzer frei zugänglichen Werkes auf einer eigenen öffentlich zugänglichen Webseite ein genehmigungsbedürftiges "öffentliches Zugänglichmachen" im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und des § 19a Urhebergesetz (UrhG) darstellt. Oder einfacher formuliert: Darf man Fotos von Webseiten Dritter ohne Zustimmung des Rechteinhabers vervielfältigen und auf der eigenen Webseite veröffentlichen?

Rechtslage zum Linking und Framing (relativ) klar

Für das Verlinken oder Framen andernorts abrufbarer urheberrechtlich geschützter Werke ist die gleichgelagerte Frage bereits entschieden. Der EuGH entwickelte hierfür ein Prüfungsschema, das er bewusst offen hält, in dem er mehrere Kriterien, die unselbstständig und miteinander verflochten sind, in Wechselwirkung zueinander anwendet. Danach liegt eine "öffentliche Wiedergabe" im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG – die der Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers bedarf – entweder vor, wenn ein geschütztes Werk unter Verwendung eines neuen technischen Verfahrens wiedergegeben oder aber wenn ein neues Publikum erreicht wird. Also ein solches, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte.

Da sich die angegriffene Nutzung und die Erstwiedergabe in der Regel im Internet vollziehen (weshalb die Zweitwiedergabe kein neues technisches Verfahren im Vergleich zur Erstwiedergabe ist), kommt es in den typischen Fällen der Nutzung von Online-Inhalten nur auf die Frage an, ob ein neues Publikum erreicht wird. Für die Verlinkung oder das Framing eines Fotos hat der EuGH dies verneint – zumindest dann, wenn das Foto auf der Internetseite, von der es genommen wurde, keiner Zugangsschranke (Paywall, Login-Erfordernis o. Ä.) unterlag.

Wird ein Foto dem Nutzer einer Internetseite über einen Hyper- oder Inline-Link zugänglich gemacht, ist er potenzieller Adressat der ursprünglichen Wiedergabe. Eine solche Wiedergabe per Link erfolge daher nicht gegenüber einem neuen Publikum, weshalb sie auch nicht "öffentlich" sei und folglich keiner Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers bedürfe, so die Luxemburger Richter zum Framing und Linking. So weit, so klar.

Die Sache mit dem eigenen Upload

Was aber, wenn – wie im Fall des Schülerreferats – der Nutzer das Foto von der Ursprungsseite nicht lediglich verlinkt, sondern das Foto zunächst auf seinem Server speichert und von dort auf die eigene Internetseite hochlädt, also in klassischerweise das Foto kopiert?

Nach Ansicht des Generalanwalts Sánchez-Bordona werde auch in diesem Fall kein neues Publikum im oben genannten Sinn erreicht. Die Webseite der Schule richte sich wie die Internetseite des Online-Reise-Portals, auf der die Fotografie mit Zustimmung des Urhebers unbeschränkt für jedermann einsehbar veröffentlicht wurde, an dasselbe allgemeine Internetpublikum und damit gerade nicht an eine neue Öffentlichkeit. Der Generalanwalt votierte für eine Art "Opt-Out"-Lösung, nach der die Nutzung des Fotos durch andere zunächst einmal zulässig sei, es sei denn, der Urheber mache beim Einstellen des Werkes hinreichend deutlich, dass er einer Anschlussverwendung nicht zustimme. Das wäre wohl das Ende für die Exklusivlizenzierung von urheberrechtlich geschützten Inhalten im Internet gewesen.

Der EuGH sah dies nun anders und schloss sich dem Generalanwalt nicht an – zum Glück für alle Kreativen, Verlage, Agenturen und sonstigen Wertschöpfer. Die Vervielfältigung und Veröffentlichung von Fotos, die auf einer anderen Webseite bereits frei verfügbar sind, sei eine "öffentliche Wiedergabe" im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und bedarf nach Ansicht des EuGH deshalb der Zustimmung des Urheberrechtsinhabers. Seine Rechtsprechung zum Framing und Hyperlinking greife beim Hochladen des Werkes nämlich nicht. Entscheidend dafür sei die fehlende Kontrolle des Urheberrechtsinhabers über die weitere Verwendung: Bei einer Veröffentlichung eines Fotos auf einer anderen Webseite werde es dem Urheber unmöglich gemacht oder zumindest erheblich erschwert, die neue Wiedergabe des Fotos zu beenden. Bei einer bloßen Verlinkung sei dies anders: Werde das Werk nach dem Setzen des Links von der fremden Internetseite entfernt, führe eben auch der Link ins Leere.

Bei einem separaten Upload aber könne das Foto auf der neuen Website weiterhin zugänglich sein, unabhängig von der vorherigen Zustimmung des Urhebers – und zudem unbeschadet jeder Handlung, mit der der Rechteinhaber beschlösse, sein Werk auf der Website, auf der es ursprünglich mit seiner Genehmigung wiedergegeben worden ist, nicht mehr wiederzugeben. Genau durch diese unabhängige Werknutzung werde aber ein neues Publikum erreicht, nämlich die Nutzern der neuen Website, in diesem Fall die Homepage der Schule.

Nicht für das gute Funktionieren des Internets erforderlich

Zudem gibt es nach Auffassung der Luxemburger Richter einen weiteren entscheidenden Unterschied zu den Hyperlink- und Framing-Sachverhalten: Hyperlinks trügen – wie in der Vergangenheit mehrfach vom EuGH betont – zum guten Funktionieren des Internets bei, indem sie die Verbreitung von Informationen im Internet ermöglichen, das sich eben durch die Verfügbarkeit immenser Informationsmengen auszeichne. Dies gelte für die Einstellung eines Werks auf eine Website ohne die Zustimmung des Urheberrechtsinhabers, nachdem es zuvor auf einer anderen Website mit dessen Zustimmung wiedergegeben worden war, nicht im gleichen Maße.

Das anders zu sehen, liefe schließlich auf eine Erschöpfung des Urheberrechts im Internet hinaus, was vor allem deshalb nicht hinnehmbar sei, weil den Urhebern grundsätzlich die Möglichkeit verbleiben muss, gerade auch für die mehrfache Lizenzierung ihrer Werke jeweils eine angemessene Vergütung zu fordern, so der Gerichtshof.

Die Entscheidung des EuGH ist richtig. Seine neueren Urteile zum Framing und Linking waren ein Zugeständnis an die Idee des freien Internets. Diese Entwicklung hegt er nun zugunsten der exklusiven Verwertungsinteressen des Urhebers ein – in erfreulich klaren Worten. Er tut dies auch ohne weitschweifige Ausführungen zum Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht oder anderer subjektiver Motive des Internetnutzers, wie es in seinen Entscheidungen zuletzt häufig der Fall war.

Für diejenigen, die es bedauerlich finden, dass Schüler in ihre Referate nun ohne Zustimmung des Urhebers keine Fotos aufnehmen und auf Schulserver hochladen können, haben die Luxemburger Richter folgenden Rat: Solche Sachverhalte seien gegebenenfalls über die Auslegung der Bildungs- und Wissenschaftsschranke in Art. 5 Abs. 3 lit. a InfoSoc-RL 2001/29 zu lösen. Damit wäre auch das Problem gelöst. Der BGH dürfte nun im Sinne des Fotografen entscheiden.

Der Autor Dr. Martin Gerecke, M. Jur. (Oxford) ist Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei CMS in Deutschland und berät Unternehmen und Einzelpersonen im Urheberrecht, Presse- und Äußerungsrecht sowie zum Recht der neuen Medien.

Zitiervorschlag

EuGH zu frei zugänglichen Fotos im Internet: . In: Legal Tribune Online, 07.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30213 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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