Beförderungsunternehmen dürfen nicht verpflichtet werden, die Pässe und Aufenthaltstitel ihrer Passagiere zu kontrollieren. Diese Maßnahmen hätten die gleiche Wirkung wie Grenzkontrollen und seien im Schengenraum verboten, so der EuGH.
Das deutsche Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zwingt Beförderungsunternehmen in § 63, bei Fahrten aus einem EU-Staat nach Deutschland die Papiere der Fahrgäste zu kontrollieren. Diese Kontrollen sind verboten, urteilte der Europäische Gerichtshof nun (EuGH, Urt. v. 13.12.2018, Az. C-412/17 und C-474/17).
Zwei Busreiseunternehmen aus Deutschland und Spanien hatten diese Kontrollen nicht durchgeführt. Nach entsprechenden Abmahnungen erließ das Bundespolizeipräsidium Verfügungen. Mit diesen untersagte es unter Androhung eines Zwangsgeldes die Beförderung der Drittstaatenangehörigen ohne die erforderlichen Dokumente in das Bundesgebiet. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) legte dem EuGH die Frage vor, ob die Kontrollpflicht mit der Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen des Schengen-Raums vereinbar ist.
Nur Grenzkodex geprüft
Nein, lautete nun die Antwort des EuGH EuGH. Der Schengener Grenzkodex hindere Deutschland daran, Beförderungsunternehmer im grenzüberschreitenden Linienbusverkehr zu verpflichten, vor der Einreise in das deutsche Hoheitsgebiet die Pässe und Aufenthaltstitel der Passagiere zu kontrollieren. Solche Kontrollen hätten die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen und seien daher verboten. Auch Zwangsgelder dürften daher nicht verhängt werden.
Da diese Kontrollpflicht bei der Überschreitung der Binnengrenze in die Bundesrepublik ausgelöst werde und unabhängig von Verhaltensweisen der Betroffenen oder den Umständen gelte, ist das nach Auffassung der Luxemburger Richter nicht mit dem Grenzkodex vereinbar.
Der EuGH betont, dass es bei dieser Entscheidung explizit um die Vereinbarkeit der Regelung in § 63 AufenthG mit dem Schengener Grenzkodex geht. Nicht geprüft habe er: die Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (2002/90/EG), den Rahmenbeschluss zur Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (2002/946/JI) und die Richtlinie 2001/51/EG zur Ergänzung der Regelungen nach Artikel 26 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen. Aus diesen Regelungen habe die Bundesrepublik abgeleitet, dass das Unionsrecht die Mitgliedstaaten verpflichte, den Personenbeförderungsunternehmern Kontrollpflichten wie die in Rede stehenden aufzuerlegen und angemessene Sanktionen zu verhängen.
Das BVerwG habe indes ausdrücklich angegeben, dass die etwaigen Auswirkungen anderer Rechtsakte keiner Klärung bedürften, teilte der EuGH mit. "Der EuGH beschäftigt sich nicht mit den Grundlagen der Strafbarkeit der illegalen Einreise und der entsprechenden Beihilfehandlungen, da das BVerwG für diese Fragen im deutschen System nicht zuständig ist und dies in seinem Vorlagebeschluss deutlich gemacht hat", erklärt Dr. Constantin Hruschka, Senior Research Fellow am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik. "
Das Urteil berühre also nicht die Strafbarkeit der illegalen Einreise und der Beihilfehandlungen, sondern nur die Frage, welche Maßnahmen bei Kontrollen im Binnenraum erlaubt sind, sagt Hruschka. "Der EuGH macht deutlich, dass keine generellen Kontrollen erlaubt sind und dass dies auch für die faktische Auslagerung von Kontrollmaßnahmen auf private Unternehmen gilt."
EuGH zur Überprüfung der Passagiere bei Einreise: . In: Legal Tribune Online, 13.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32717 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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