Die L-Bank wollte "weniger bedeutend" sein und lieber unter die nationale Bankenaufsicht fallen. Eine ausreichende Begründung dafür lieferte sie dem Gericht nicht. Eine Analyse von Christoph Herrmann und Aike Würdemann.
Seit dem 4. November 2014 beaufsichtigt die Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) die "bedeutenden" Banken der Euro-Zone. Welches Bankinstitut unter den SSM fällt, entscheidet die EZB unter Berücksichtigung der in Art. 6 Abs. 4 der europäischen SSM-Verordnung (VO Nr. 1024/2013) genannten Kriterien.
Die L-Bank erfüllt mit ihrem Gesamtwert der Aktiva von mehr als 30 Milliarden Euro eindeutig das Größenkriterium, dennoch klagte sie im März 2015 als erste Bank gegen ihre Einstufung als "bedeutend". Sie begründete die Klage mit ihrem geringen Risikoprofil als Förderbank.
Mit der nun ergangenen, allerdings noch nicht rechtskräftigen Entscheidung des Europäischen Gerichts (EuG, Urt. v. 16.05.2017, Az. T-122/15) fällt die L-Bank auch weiterhin unter die direkte Aufsicht durch die EZB. Dies war vom Ergebnis her zwar zu erwarten, die Argumentationslinie der Entscheidung birgt allerdings einige Überraschungen.
Ermessensspielraum der EZB spielte keine Rolle
Die Klageschrift hatte insbesondere auf etwaige Beurteilungs- und Ermessensfehler seitens der EZB abgestellt. Daher wäre zu klären gewesen, wie umfangreich der Ermessensspielraum der EZB in ihrer Funktion als Bankenaufsichtsbehörde ist. Schon in der Gauweiler-Entscheidung (Rs. C-62/14) zum Ankauf von Staatsanleihen hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) der EZB für ihr geldpolitisches Mandats einen sehr weiten Ermessensspielraum zugestanden.
Mit Blick auf das Ziel des SSM, nämlich dem Schutz der Finanzstabilität, einem ähnlich komplexen Bereich wie der Geldpolitik, hätte die Einstufung der L-Bank als "bedeutend" sodann aufgrund des womöglich ebenfalls relativ weiten und nur beschränkt überprüfbaren EZB-Ermessensspielraums nicht beanstandet werden können.
Das Gericht widmete sich vorliegend allerdings gar nicht erst der Klärung des Ermessensspielraums der EZB im Rahmen des SSM, sondern wählte andere – teils klassische, teils unkonventionelle – Lösungswege.
Gericht: L-Bank hat falschen Prüfungsmaßstab gewählt
Kern der Argumentation der L-Bank war, dass der Begriff "bedeutend" ein unbestimmter Rechtsbegriff sei und die Einstufung einer Bank anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gemäß Art. 5 Abs. 4 Vertrag über die Europäische Union (EUV) auszulegen sei. Nur für "bedeutende" Banken sei aber die Bankenaufsicht aufgrund des Subsidiaritätsprinzips auf die EZB übertragen worden. Kurzum: Eine Beaufsichtigung der L-Bank durch die EZB sei "unangemessen", da sie nicht erforderlich sei; die Beaufsichtigung durch die nationale zuständige Behörde dagegen ausreichend.
Diese Argumentation geht nach Ansicht des EuG fehl, bzw. um es mit dessen Worten auszudrücken, es sei "irrelevantes Vorbringen". Dies liege, so das EuG, einerseits daran, dass der Prüfungsmaßstab der "Unangemessenheit" von der L-Bank falsch gewählt worden sei, andererseits daran, dass der Subsidiaritätsgrundsatz vorliegend schlichtweg nicht anwendbar sei.
EuG zur Klage der L-Bank gegen die EZB: . In: Legal Tribune Online, 17.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22952 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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