2/2: Verbotene Vereinbarungen und einseitige Entscheidungen
Bei Konsumgütern beruhe Geoblocking vor allem auf einseitigen Entscheidungen der Unter-nehmen, nicht im Ausland zu verkaufen, so die Kommission. Solche Entscheidungen könnte sie als EU-Wettbewerbsbehörde überhaupt nur dann auf ihre Wettbewerbswidrigkeit hin prüfen, wenn die Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung hätten.
Beim Vertrieb digitaler Inhalte ist Geoblocking dagegen nach den Ergebnissen der Analyse häufiger Gegenstand einer Vereinbarung zwischen Unternehmen. Solche Vereinbarungen, in der Regel zwischen Lieferanten und Vertreibern, unterfallen regelmäßig dem Kartellverbot. Die Kommission als EU-Wettbewerbsbehörde kann sie daher überprüfen.
Von den befragten Anbietern digitaler Inhalte berichteten nach Angaben der Kommission 68 Prozent, dass sie Geoblocking anwendeten. 59 Prozent erklärten, sie seien hierzu vertraglich durch die Bereitsteller der Inhalte verpflichtet.
Territoriale Beschränkungen gerechtfertigt?
Statistisch repräsentativ für die EU-Märkte für elektronischen Handel sind die Ergebnisse der Sektoruntersuchung nicht, weil die Beteiligung in den Mitgliedstaaten unterschiedlich groß war. Wettbewerbsrechtliche Bedenken will die Kommission jetzt nicht aussprechen, auch kartellrechtliche Ermittlungen gegen Unternehmen leitet sie nicht ein. Noch nicht.
Allerdings hat sie angekündigt, entsprechende Verfahren gegen die betroffenen Unternehmen zu eröffnen, falle die Kommission im Rahmen der weiteren Untersuchung Anlass zu wettbewerblichen Bedenken hat, etwa weil Vereinbarungen zu unzulässigen Gebietsbeschränkungen führen. Die Wettbewerbshüter müssen zwischen den Interessen von Verbrauchern, Rechteinhabern und Wett-bewerb im Binnenmarkt abwägen. Der Verordnungsentwurf zur Portabilität digitaler Inhalte vom Dezember 2015 lässt einen strengen Maßstab vermuten.
Für die Anbieter von Produkten und Dienstleistungen wird am Ende entscheidend sein, wann die Kommission Geoblocking für gerechtfertigt hält. Dies gilt vor allem bei Filmen und anderen digitalen Inhalten, für die das Urheberrecht bislang territoriale Beschränkungen im Rahmen der Verwertung gestattet. Können Unternehmen keine hinreichenden Rechtfertigungsgründe vorbringen und geht die Kommission von einer unzulässigen Gebietsbeschränkung entlang nationaler Grenzen aus, kann sie Bußgelder bis zu 10 Prozent des Konzernumsatzes verhängen. In der Beratung der Unternehmen wird es also darum gehen, unter welchen Voraussetzungen territoriale Beschränkungen innerhalb der EU gerechtfertigt sind und inwieweit Vertriebsverträge ggf. angepasst werden müssen.
Ihren ausführlichen Bericht zum Thema Geoblocking und den Ergebnissen ihrer bisherigen Untersuchung hat die Kommission für die Jahresmitte angekündigt. Neben den nun ausgewerteten Händler-Antworten sollen dann auch die Rückmeldungen der Hersteller, Lieferanten und Rechteinhaber einfließen. Zu den Ergebnissen können Unternehmen im Rahmen einer öffentlichen Konsultation Stellung nehmen.
Der Autor Ingo Spahr ist Associate bei Osborne Clarke in Köln. Einer seiner Tätigkeitsschwerpunkte ist die Beratung und Verteidigung von Unternehmen in Kartellverfahren vor der EU-Kommission.
Mehr Digitalhandel über die Grenzen: . In: Legal Tribune Online, 23.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18871 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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