2/2: EU-Kommission sieht keinen Verstoß gegen EU-Recht
Die EU-Kommission sieht keinen Verstoß deutscher Behörden gegen das EU-Recht. Sie ist nach einer Vorprüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass sie das Verfahren einstellen wird.
Nach ihrer Einschätzung sieht die Richtlinie keine Beschränkung der Dauer der Überlassung von Leiharbeitnehmern an die entleihenden Unternehmen vor. Die Mitgliedstaaten seien daher nicht verpflichtet, eine Höchstdauer für die Überlassung von Leiharbeitnehmern festzulegen. Eine dauerhafte Überlassung sei nicht richtlinienwidrig, sodass die Mitgliedstaaten auch nicht verpflichtet seien, hierfür Sanktionen vorzusehen.
Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des BAG
Das BAG entnimmt demgegenüber § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG ein Verbot der mehr als vorübergehenden Überlassung. Es leitet dieses Verbot allerdings nicht aus der Richtlinie ab, sondern aus dem nationalen Recht, weshalb das Gericht den EuGH bislang auch nicht angerufen hat.
Die Arbeitsgerichte dürften dieses Verbot mit Blick auf die Stellungnahme der Kommission nun aber vermehrt in Frage stellen und wahrscheinlich Vorlageverfahren einleiten. Es ist nämlich fraglich, ob das vom BAG angenommene Verbot der dauerhaften Überlassung durch Allgemeininteressen gerechtfertigt ist, wie es die Leiharbeitsrichtlinie für Einschränkungen der Leiharbeit verlangt.
Und die AÜG-Reform?
Auch wenn im Koalitionsvertrag vereinbart ist, eine Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten festzulegen: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles wird mit Blick auf die klaren Worte der Kommission Überzeugungsarbeit leisten müssen. Eine arbeitsplatzbezogene Höchstdauer, wie sie teilweise gefordert wird, dürfte nicht vereinbar sein mit der Richtlinie und der Auffassung der Kommission. Allenfalls eine arbeitnehmerbezogene Einsatzlimitierung dürfte zulässig sein.
Der Verleiher kann demselben Entleiher dann nach Ablauf der 18 Monate einen anderen Leiharbeitnehmer überlassen, ohne dass die vorangegangene Überlassung angerechnet wird. Auch eine Mehrfachüberlassung desselben Leiharbeitnehmers wäre dann wohl zulässig, wobei – entsprechend den von der Rechtsprechung zu § 1 KSchG aufgestellten Grundsätzen – kurze Unterbrechungen unerheblich sein dürften, wenn zwischen den Überlassungen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht.
Ob eine unmittelbar vorangehende Überlassung desselben Leiharbeitnehmers durch einen anderen Verleiher an denselben Entleiher anzurechnen ist, wird sich aus der Regelung ergeben. Bis 2003 gab es eine solche Regelung (§ 3 Abs. 1 Nr. 6 a.F.). Die von der SPD hierzu gewünschte Formulierung wurde in der finalen Fassung des Koalitionsvertrages allerdings gestrichen.
Ob die Stellungnahme der Kommission den Zeitplan für die Reform durcheinander bringt, bleibt abzuwarten. Angekündigt ist ein erster Entwurf für Herbst 2015. Die Praxis wartet aber lieber noch ein paar Wochen länger, wenn dann Höchstüberlassungsdauer (arbeitnehmer- oder arbeitsplatzbezogen?) und die Folgen eines Verstoßes klar geregelt werden.
Der Autor Dr. André Zimmermann, LL.M. ist Counsel und Fachanwalt für Arbeitsrecht im Frankfurter Büro von King & Wood Mallesons LLP. Er verfügt über besondere Erfahrung bei der Beratung von Unternehmen zum Fremdpersonaleinsatz, vor allem im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung.
André Zimmermann, Stellungnahme der EU-Kommission: . In: Legal Tribune Online, 27.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16361 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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