Durch Geoblocking verhindern Online-Händler, dass ausländische Verbraucher ihre Waren bestellen. Eine neue EU-Verordnung soll ab Weihnachten 2018 damit Schluss machen. Was auf Unternehmen zukommt, erklären Sebastian Hack und Thomas Peter.
An jedem Ort und zu jeder Zeit Zugang zu allen möglichen Dienstleistungen oder Waren zu haben, das ist das Versprechen des Freihandels. Innerhalb der Europäischen Union gibt es aber nach Ansicht der Europäischen Kommission noch zu viele Hürden für Verbraucher. Als eine dieser Hürden gilt das sogenannte Geoblocking: eine im Online-Handel übliche Praxis, Endkunden daran zu hindern, Waren oder Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat beziehen zu können.
Dabei verweigern Anbieter beispielsweise die Belieferung vollkommen, weil sie die Lieferung ins Ausland nicht organisieren möchten oder sich vor weiterem damit verbundenen Aufwand scheuen. Manche Anbieter halten auch für jedes Land unterschiedliche Websites (ggf. mit unterschiedlichen Preisen und Bedingungen) vor, auf die Kunden des jeweiligen Landes dann automatisch weitergeleitet werden, sofern sie über eine andere Seite zu bestellen versuchen. Das führt nach Ansicht der Europäischen Kommission zu einer ungerechtfertigten Marktaufteilung.
Vor diesem Hintergrund haben sich das Europäische Parlament, der Rat und die Europäische Kommission jetzt auf einen Entwurf einer sog. Geoblocking-Verordnung geeinigt. Er soll in den kommenden Monaten verabschiedet werden, damit die Verordnung an Weihnachten 2018 in Kraft treten kann. Ziel der Verordnung ist es, willkürliche, nicht sachlich zu rechtfertigende Diskriminierungen von Online-Kunden zu verbieten, die an die Staatsangehörigkeit, den Wohnsitz oder den Ort der Niederlassung anknüpfen.
Geoblocking-Verordnung Teil der Digital-Strategie
Als Teil der Strategie zum digitalen Binnenmarkt steht die Geoblocking-Verordnung neben der in diesem Jahr verabschiedeten sog. Portabilitätsverordnung (2017/1128/EU). Sie ermöglicht Verbrauchern den unbeschränkten Zugang zu ihren im Heimatland erworbenen Online-Mediendiensten, wenn sie sich vorübergehend im Ausland aufhalten.
Thematisch knüpft sie an die 2006 in Kraft getretene Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG) an. Diese verbietet Dienstleistungserbringern, in anderen Mitgliedstaaten ansässige Besteller aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres Wohnsitzes zu diskriminieren. Die Geoblocking-Verordnung soll diese Regelung auf den Online-Handel erweitern und konkretisieren.
Beispiele lassen auf Verordnungsinhalt schließen
Einen konkreten Entwurf haben Europäische Kommission und Rat noch nicht veröffentlicht, so dass die Einzelheiten der Verordnung noch unbekannt sind. Allerdings enthalten die Pressemitteilungen drei Beispiele, die auf den Verordnungsinhalt schließen lassen:
• Erwerb von (physischen) Waren in einem anderen Mitgliedstaat: Die Europäische Kommission führt dazu das Beispiel eines belgischen Kunden an, der eine Ware auf einer deutschen Webseite erwerben will. Zwar ist der Anbieter durch die Verordnung nicht dazu verpflichtet, die Waren nach Belgien zu liefern. Er muss ausländischen Kunden aber dieselben Konditionen wie vergleichbaren inländischen Kunden anbieten und es ihnen ermöglichen, die Ware abzuholen oder die Lieferung selbständig zu organisieren.
• Elektronisch erbrachte Dienstleistungen: Dafür untersagt die Verordnung die Diskriminierung von ausländischen Kunden. Der Anwendungsbereich der Verordnung wird sich aller Voraussicht nach (vorerst) aber nicht auf Dienstleistungen aus den Bereichen elektronische Kommunikation , audiovisuelle Medien und Finanzendienstleistungen (inkl. Zahlungsdienstleistungen) erstrecken. Sofern keine separaten Regelungen erfolgen (bzw. erfolgt sind), ist eine Erweiterung dieser Verordnung auch auf diese Bereiche in Zukunft allerdings nicht ausgeschlossen.
• Dienstleistungen, die in dem Land in Anspruch genommen werden, in dem der Anbieter seinen Sitz hat: Wenn eine italienische Familie einen Ausflug in einen französischen Freizeitpark buchen möchte, darf sie nach den Regelungen der Verordnung nicht daran gehindert werden, die Buchung auf der französischen Webseite durchzuführen - und damit zu den gleichen Bedingungen wie in Frankreich lebende Kunden.
Anbieter dürften somit keine unterschiedlichen Bedingungen für ausländische und inländische Kunden stellen. Sie müssen ihnen die gleichen Preise und sonstigen Konditionen gewähren. Daneben wird die Verordnung Unternehmen wohl außerdem untersagen, Verbraucher ohne deren Zustimmung auf eine länderspezifische Webseite weiterzuleiten, soweit dafür keine zwingenden rechtlichen Gründe vorliegen. Ebenso dürften sie keine unterschiedlichen Zahlungsmöglichkeiten abhängig von der Staatsangehörigkeit oder dem Wohnsitz des Kunden anbieten.
Viele Händler werden sich internationaler ausrichten
Anbieter, die bislang ausschließlich Geschäfte mit inländischen Kunden unternommen haben, stehen nun vor einer Umstellung: Bestell- und Kundenformulare müssen auch die Eingabe ausländischer Anschriften und Kontaktinformationen ermöglichen. Für physische Waren müssen entweder eine Lieferoption ins Ausland angeboten oder inländische Abholstellen geschaffen werden. Die ausländischen Zahlungsmittel oder die Einrichtung alternativer Bezahlverfahren wird Anpassungsaufwand erfordern. In vielen Fällen wird auch eine Änderung der Händler-AGB erforderlich sein.
Anbieter elektronischer Dienstleistungen müssen sich im Übrigen mit dem vereinfachten Verfahren zur Anmeldung der Mehrwertsteuer bei der sog. „kleinen einzigen Anlaufstelle“ (KEA oder MOSS = Mini-One-Stop-Shop) für die Mehrwertsteuer auseinandersetzen. Die Mehrwertsteuer ist in grenzüberschreitenden Fällen innerhalb der EU in dem Land abzuführen, in dem der jeweilige Verbraucher seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies gilt jedoch nicht unmittelbar für Warenlieferungen; werden Waren innerhalb der EU veräußert und in einen anderen EU-Mitgliedsstaat versendet, ist die Mehrwertsteuer nicht per se im Empfängerstaat abzuführen.
Einzelne Anbieter werden sich überlegen, ihre Websites nicht nur an die Verordnungsvorgaben anzupassen und Bestellungen aus dem Ausland passiv zu ermöglichen. Sie werden ihre Tätigkeit auch aktiv auf bestimmte Staaten ausrichten; etwa indem sie ihre Website in verschiedenen Sprachfassungen anbieten. Aber Vorsicht: Folge davon kann sein, dass dann nach der Rom I-Verordnung auf die einzelnen Erwerbsvorgänge das Recht des Staates Anwendung findet, in dem der bestellende Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Verbraucher werden durch die aktuelle Initiative aus Brüssel profitieren. Händler – insbesondere kleinere – werden sich wohl nicht in gleicher Weise über dieses europäische Weihnachtsgeschenk freuen.
Dr. Sebastian Hack, LL.M. (London) ist Counsel und Kartellrechtsanwalt, Thomas Peter Commercial-Anwalt im Kölner Büro von Osborne Clarke.
EU verbietet Geoblocking im Online-Handel: . In: Legal Tribune Online, 02.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26241 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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