Beschäftigte haben seit dem 6. Januar den Auskunftsanspruch nach dem Entgelttransparenzgesetz. Die Idee des Gesetzes ist löblich, doch zu Entgeltgleichheit werde das Gesetz nicht führen, meint Jan Tibor Lelley.
Die politische Forderung nach gleichem Entgelt bei gleicher Arbeit für Frauen und Männer ist fast 150 Jahre alt, seitdem die amerikanische Feministin Susan B. Anthony 1869 in der Zeitschrift The Revolution das Equal Pay for Equal Work verlangte. Die Europäische Union und Deutschland nahmen sich der Entgeltgleichheit vor über 60 Jahren an: Seit 1957 ist das Gebot einer diskriminierungsfreien Bezahlung in den Römischen Verträgen zu finden, heute in Art. 157 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Die Mütter und Väter des Grundgesetzes (GG) haben diesen Kerngedanken in Art. 3 GG umgesetzt und der Gesetzgeber hat ihn in den §§ 2 ff. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und speziell für das Betriebsverfassungsrecht in § 75 Abs.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) weiter abgesichert.
Das reichte aber nach Ansicht der Bundesregierung noch nicht. Denn – und das ist statistisch nachweisbar – die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern ist auch 2018 in Deutschland eine hässliche Realität. Nach einer Pressemitteilung der Bundesregierung vom 5. Januar 2018 erhielten Frauen 2016 laut Statistischem Bundesamt im Schnitt 21 Prozent (unbereinigter Gender Pay Gap) beziehungsweise sechs Prozent (bereinigter Pay Gap) Arbeitsentgelt weniger als Männer.
EntgTranspG soll es richten
Daher soll seit 2017 das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) die Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern im Sinne von "gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit" durchsetzen, § 7 EntgTranspG. Weiter regelt das Gesetz, tarifgebundene oder tarifanwendende Arbeitgeber zu privilegieren und tariffreie Unternehmen zu diskriminieren, um eine stärkere Tarifbindung zu erreichen, § 18 Abs. 3 bzw. § 22 Abs. 1 und Abs. 2.
Neu sind die gesetzlichen Definitionen zu den Grundsätzen und Begriffen der Entgeltgleichheit. Hier hat sich der Gesetzgeber völlig nachvollziehbar auf die umfangreichen judiziellen Vorarbeiten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) verlassen: Das Gesetz unterscheidet in § 1 zwischen gleicher und gleichwertiger Arbeit. Weibliche und männliche Beschäftigte üben demnach eine gleiche Arbeit aus, wenn sie an verschiedenen oder nacheinander an denselben Arbeitsplätzen eine identische oder gleichartige Tätigkeit erfüllen. Gleichwertige Arbeit hingegen soll sich unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren bestimmen, wenn aufgrund dieser die Situation als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden kann.
Das Gesetz regelt in § 3 das Verbot der unmittelbaren und mittelbaren Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts. Nach der gesetzlichen Definition liegt eine unmittelbare Entgeltbenachteiligung vor, wenn Beschäftigte wegen des Geschlechts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein geringeres Entgelt erhalten, als solche des jeweils anderen Geschlechts.
Eine mittelbare Entgeltbenachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Beschäftigte wegen des Geschlechts gegenüber solchen des jeweils anderen Geschlechts in Bezug auf das Entgelt in besonderer Weise benachteiligen können. Hier gibt es allerdings Rechtfertigungsgründe für unterschiedliches Entgelt in Form von sachlich gerechtfertigten, angemessenen und erforderlichen Mitteln zur Zielerreichung. Das Gesetz spricht dazu "insbesondere" (also nicht abschließend!) arbeitsmarkt-, leistungs- und arbeitsergebnisbezogene Kriterien zur Rechtfertigung an.
Auf der Suche nach dem Anwendungsbereich
Und doch fragen sich manche, welche praktische Relevanz das nun festgeschriebene Prinzip "gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit" haben soll. Denn dieses Prinzip ist bereits umfassend gesetzlich garantiert (vgl. § 3 Abs. 1 AGG, § 75 Abs. 1 BetrVG). Ein eigenständiger Anwendungsbereich ist daher fraglich.
Die Bundesregierung ließ am Freitag keine Zweifel aufkommen: Der individuelle Auskunftsanspruch nach § 10 Abs. 1 i.V.m. §§ 11 bis 16 soll das zentrale Instrument des EntgTranspG sein. Seit dem 6. Januar 2018 könnten Beschäftigte iSd § 5 Abs. 2 EntgTranspG von ihrem Arbeitgeber Auskunft darüber verlangen, was andere Beschäftigte mit einer gleichen oder gleichwertigen Tätigkeit an Entgelt erhalten.
Der Auskunftsanspruch ist aber in seinem Anwendungsbereich eingeschränkt und gilt nach § 12 Abs. 1 EntgTranspG nicht in Betrieben mit in der Regel bis zu 200 Beschäftigten. Eine weitere Einschränkung gibt es, um sog. "Entgeltspanner" abzuwehren: Der Auskunftsanspruch kann nicht dazu benutzt werden, das Entgelt einzelner Kollegen zu erfahren nach dem Motto: "Ich wollte ja immer schon mal wissen, was die Müller oder der Meyer so verdienen ...". Das Vergleichsentgelt wird daher nicht aufgedeckt, wenn die vergleichbare Tätigkeit weniger als sechs Beschäftigten des anderen Geschlechts ausüben (§ 12 Abs. 3).
Der Auskunftsanspruch wird unterschiedlich gehandhabt werden in tarifgebundenen Unternehmen und tariffreien Unternehmen: Bei den ersteren sollen sich die Beschäftigten mit dem Auskunftsanspruch an den Betriebsrat wenden, bei den letzteren direkt an den Arbeitgeber – was in einem lebendigen Arbeitsverhältnis für eine geringe Geltendmachung sprechen dürfte.
Entgeltungleichheit indiziert keine Diskriminierung
Doch was ist der Auskunftsanspruch in der Praxis wert? Schon sehr früh im Gesetzgebungsverfahren hörte man Stimmen mit dem Hinweis, die aus dem Auskunftsanspruch gewonnenen Informationen seien für das Aufdecken einer Entgeltdiskriminierung ungeeignet (vgl. zB Thüsing, Betriebs-Berater 2017, 565 (567)): Das liege zum einen daran, dass der Median der Vergütung der Beschäftigten des eigenen Geschlechts unbekannt bliebe, zum anderen daran, dass nur der Median, nicht aber der Durchschnitt erfragt werde.
Die Beschäftigten haben zur Geltendmachung des Auskunftsanspruchs eine Vergleichstätigkeit zu benennen, also eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit. Der Auskunftsanspruch umfasst dann die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung und die Angabe zum Vergleichsentgelt. Selbst dort, wo Männer und Frauen die exakt gleiche Vergütung bekämen, Männer aber unterschiedlich gegenüber Männern und Frauen unterschiedlich gegenüber Frauen verdienten, weise die Beantwortung des Auskunftsverlangens immer auf eine Diskriminierung hin – der Frauen oder der Männer. Und dass, obwohl eine Ungleichbehandlung gerade nicht indiziert sei.
Da ist also wohl was dran: Wer solche Antworten auf sein Auskunftsverlangen erhält, kann daraus für eine Diskriminierung nichts herleiten.
Gerne lassen wir uns eines besseren belehren: Wenn der individuelle Auskunftsanspruch tatsächlich das Herzstück des EntgTranspG ist, kann es sich jetzt in der Praxis bewähren. Arbeitgeber, die in ihren Betrieben den Schwellenwert von 200 Beschäftigten überschreiten, hatten seit Juli 2017 Zeit genug, sich bereits mit der praktischen Umsetzung des Auskunftsverlangens zu befassen. Dabei sind die Fragen zur Erfüllung der Auskunftsansprüche unter Beachtung des Datenschutzes für die Betroffenen besonders wichtig. Denn nicht nur das Gesetz selber weist zu recht dem Personaldatenschutz eine herausgehobene Rolle zu.
Dazu kommt noch das strenge datenschutzrechtliche Sanktionsregime nach der Datenschutzgrundverordnung, das auch den Arbeitnehmerdatenschutz betrifft und ab dem 25. Mai 2018 gilt. In den vergangenen Monaten stellte sich schon heraus, dass Unternehmen vor einem deutlichen Mehraufwand für die Entgelttransparenzbürokratie stehen. Das ist umso ärgerlicher, da der gesetzlich vorgesehene Auskunftsanspruch zur Herstellung von Entgelttransparenz ganz ungeeignet ist.
Der Autor Dr. Jan Tibor Lelley, LL.M. ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Buse Heberer Fromm Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB.
Jan Tibor Lelley, Auskunftsanspruch nach Entgelttransparenzgesetz: . In: Legal Tribune Online, 08.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26351 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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