Der Rückerwerb von Anteilen am Energiekonzern EnBW zum Preis von knapp fünf Milliarden Euro durch das Land Baden-Württemberg hat Ministerpräsident Mappus in Erklärungsnot gebracht. Tatsächlich erfolgte der Kauf zu einem deutlich höheren Kurswert, als er damals an der Börse angeboten wurde. Mappus muss sich jetzt die Frage gefallen lassen, ob das Geschäft seinen Preis wert war.
Über ihre Tochtergesellschaft Neckarpri hatte das Land Baden-Württemberg eine Beteiligung zu 45,01 Prozent an der EnBW AG erworben. Der Kaufpreis betrug 4,7 Milliarden Euro (zuzüglich Nebenkosten), der über eine Anleihe, verbürgt durch das Land, finanziert werden soll.
Die Anteile sollen in einigen Jahren an die Börse gebracht werden. Der Anteilserwerb erfolgte zu einem Kurswert von 41,50, d. h. 18 Prozent höher als zum Kaufzeitpunkt an der Börse angeboten. Aus rechtlicher Sicht stellt sich zunächst die Frage, ob das Land Baden-Württemberg durch den Deal gegen das Privatisierungsgebot verstoßen hat.
Wirtschaftliche Entwicklung rechtfertigte den Erwerb nicht
Zunächst gehen die Haushaltsordnungen (auch für Baden-Württemberg) von der Subsidiarität aus, das heißt der Staat hat abzuwägen, ob nicht eine Aufgabe durch einen Privaten besser oder gleich gut erledigt werden kann. Dieser Vorrang der Privatisierung deckt sich sehr wohl mit dem damaligen Verkauf der Anteile der EnBW an den französischen Energieversorger EdF, umso merkwürdiger ist aber nun der Weg zurück.
Das Land Baden-Württemberg hatte erklärt, die Beteiligung sei nur befristet, nur mittelbar erworben und solle schnellstmöglich an die Börse gebracht werden, damit ein breiter Anlegerkreis den - mittelbaren - Anteil des Landes erwirbt. Dies erinnert an die Verstaatlichungen unter anderem von General Motors durch die USA, die nun zum Teil erfolgreich rückprivatisiert wurden.
Jene Käufe erfolgten allerdings zu dem Zweck, einen größeren volkswirtschaftlichen Schaden zu vermeiden. Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein: Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland gebietet nicht den Erwerb eines Energieerzeugers, der schon seit Jahren ansehnliche Gewinne erwirtschaftet. Auch andere Gründe, die ein Eingreifen des Staates erfordern, sind nicht ersichtlich.
Offenbar soll der Erwerb aber auch nur eine Durchgangsstation sein. Letztlich findet weder eine Privatisierung und breite Streuung statt; auch werden keine Haushaltsmittel gebunden, da der Erwerb durch eine Anleihe finanziert wird, die - zumindest soweit Zinsen anfallen - durch die Ausschüttungen gedeckt wird. Die Rückführung der Restschuld erfolgt dann über die alsbald stattfindende Anteilsveräußerung. Offen bleibt allerdings, inwieweit es Zweck staatlichen Handelns ist, Anteile zu erwerben und dann unter das Volk zu streuen. Dies ergibt sich jedenfalls weder aus der Verfassung, noch aus der Haushaltsordnung.
Aktienkurse als starkes Indiz für den Unternehmenswert
Man könnte allerdings über diese Probleme hinweg sehen, wenn der Erwerb ein Schnäppchen gewesen wäre. Schließlich ist das Land nach den haushaltsrechtlichen Vorschriften nur verpflichtet, sein Vermögen zu erhalten, aber nicht gehindert, sein Vermögen zu vermehren.
Der Erwerb erfolgte nun allerdings zu einem Preis, der 18 Prozent über dem Kurswert der Aktie zum Zeitpunkt der Erwerbsvereinbarung lag. Diese Abweichung vom Börsenwert ist nicht vollkommen unerheblich, summiert sie sich doch insgesamt auf mehr als 800 Mio. Euro.
Auch wenn Aktienkurse nur ein sehr flüchtiges Dasein fristen und sich rasch und deutlich ändern können, werden sie am Markt gebildet und bilden deshalb ein starkes Indiz für den Wert eines Unternehmens. Dieser leitet sich, vereinfacht gesagt, aus den Ertragserwartungen ab. Da ein Investor eines Anteiles sich von den zu erwartenden Ausschüttungen leiten lässt und damit von dem zu erwartenden Ertrag, spiegelt sich die Ertragserwartung im Börsenkurs wieder. Hinzu kommen noch spekulative Momente: Wenn eine Aktie an der Börse gehandelt wird, kann sie möglicherweise schnell zu Geld gemacht werden.
Rechtfertigung von hohem Paketzuschlag ist zweifelhaft
Es ist deshalb denkbar, dass der Aktienkurs den Wert eines Unternehmens nicht wiedergibt - sei es, weil der Aktienkurs spekulativ überhöht oder zu niedrig ist. Beim Erwerb der EnBW argumentiert die Landesregierung Baden-Württemberg, dass der Kurswert überschritten worden sei, da Stückzinsen (das heißt zu erwartende Dividendenausschüttung) abzugelten waren. Einen höheren Preis vermag dies allerdings nicht zu erklären, da sich Dividendenerwartungen in der Regel im Aktienkurs nur kurzfristig niederschlagen.
Weiterhin wird argumentiert, dass ein höherer Wert bezahlt werden musste, da es sich um eine Beteiligung von 45,01 Prozent handelt, womit ein so genannter Paketzuschlag zu bezahlen wäre. Hieran ist richtig, dass man generell bei einer Beteiligungsquote von mehr als 30 Prozent eine kontrollierende Stellung (vgl. auch das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz) unterstellt.
Allerdings steht dem Beteiligungsblock des Landes Baden-Württemberg ein ebenso starker Beteiligungsblock der kommunalen Anteilseigner von 45,01 Prozent gegenüber, so dass von einer beherrschenden Beteiligung nicht gesprochen werden kann. Ob ein derart hoher Paketzuschlag gerechtfertigt ist, dürfte daher eher zweifelhaft sein. Andere langfristige Vorteile für das Land Baden-Württemberg sind nicht erkennbar, zumal es die Anteile gleich weitergeben will. Es fehlen auch Anhaltspunkte dafür, dass es zur Abwehr eines anderen Interessenten unbedingt erforderlich war, den Anteil für den öffentlichen Bereich zu einem höheren Preis zu sichern.
Haushalterische Risiken sind nicht von der Hand zu weisen
Der höhere Preis könnte sich aber schlicht daraus rechtfertigen, dass der Unternehmenswert der EnBW nicht durch den Kurswert widergespiegelt wird, das Unternehmen an der Börse also unterbewertet ist. Allerdings fehlen auch für diese Option die entscheidenden Anhaltspunkte. Die Ermittlung des inneren Wertes wäre indes auch wichtig gewesen, um die Risiken für das Land im Falle des Wiederverkaufes einzuschätzen.
Die Bewertungsdaten rechtfertigen also für die Zukunft keinen Weiterverkaufspreis, der den Erwerbspreis nicht unterschreitet. Eine Veräußerung an Anlieger würde jedenfalls zur Realisierung von Verlusten führen bzw. es würde unter Umständen der Zwang entstehen, die Beteiligung länger zu halten als ursprünglich geplant. In diesem Falle würden gerade mit Blick auf die von der Landesregierung abgeschlossene Bürgschaft erhebliche haushalterische Risiken deutlich werden.
Zwar mag es sein, dass der Erwerb eine gute Sache für das Land Baden-Württemberg war - aus sonstigen Gründen, die bis dato nicht offenbar wurden. Ein Kaufpreis, der deutlich über dem Kurswert liegt, spricht jedenfalls nicht für einen derartigen "Schatzfund".
Der Autor Ass. jur. Anton Kumanoff ist für eine international ausgerichtete Unternehmensberatungsgesellschaft tätig.
EnBW-Affäre: . In: Legal Tribune Online, 23.12.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2216 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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