Der Ausbau der Elektromobilität verläuft schleppend. Anschaffungskosten oder Reichweite sind nicht allein das Problem. Auch die Rechtslage ist undurchsichtig. Der Gesetzgeber sollte daher für Rechtssicherheit sorgen, meint Franziska Lietz.
Die Bundesregierung hat sich auf die Fahnen geschrieben, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen zu bringen. Bislang geht der Ausbau aber nur sehr schleppend voran. Privatleute und Unternehmen schrecken noch immer davor zurück, Elektroautos und die nötigen Ladeeinrichtungen anzuschaffen. Der undurchsichtige Rechtsrahmen trägt in erheblichem Maße dazu bei, dass die Elektromobilität in Deutschland nicht so recht vorankommen will.
Für die nur zögerliche Verbreitung der Elektromobilität gibt es zum einen praktische Gründe, wie z.B. hohe Anschaffungskosten, inkompatible Ladesysteme und die beschränkte Reichweite der Fahrzeuge. Auf der anderen Seite birgt der Rechtsrahmen derzeit noch eine Vielzahl von Fallstricken, Zweifelsfragen und das Risiko selbst bei harmlos anmutenden Fehleinschätzungen massiv sanktioniert zu werden.
Wer sein Elektrofahrzeug an einer eigenen Ladeeinrichtung lädt, zahlt zunächst einmal seinen Strompreis wie für jedes andere Verbrauchsgerät auch. Gezahlt werden hierbei auch alle Abgaben und Umlagen, wie Netzentgelte, EEG-Umlage und Stromsteuer.
Lässt der Betreiber einer Ladeeinrichtung aber auch Dritte Ladestrom beziehen, kommen auf ihn bestimmte Pflichten eines Energielieferanten zu. Im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und im Stromsteuerrecht ist nämlich der Betreiber des ladenden Fahrzeugs der Letztverbraucher, der Ladesäulenbetreiber sein Lieferant. Dies gilt z.B. dann, wenn ein Unternehmen seine Mitarbeiter oder Kunden an der unternehmenseigenen Ladesäule laden lässt. Die Folge ist, dass der Betreiber der Ladeeinrichtung für die an Dritte abgegeben Strommengen EEG-Umlage an den Netzbetreiber abführen und die empfindlich sanktionierten Meldepflichten des EEG fristgerecht erfüllen muss. Er muss auch die Stromsteuer anmelden und abführen und kann unter Umständen verpflichtet sein, sich als sog. Versorger anzumelden. Werden bei der Abführung der Steuer Fehler gemacht, kann dies sogar strafrechtliche Konsequenzen haben.
EEG oder EnWG: Komplizierte Rechtslage
Ganz anders stellt sich die Rechtslage dagegen im Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) dar: Hier hat der Gesetzgeber im Jahr 2016 dafür gesorgt, dass der Ladesäulenbetreiber nicht als Lieferant, sondern als Letztverbraucher gilt. Dies soll den Ladesäulenbetreiber von den Lieferantenpflichten des EnWG befreien. Ein Ladesäulenbetreiber muss bei der Ladung von Drittfahrzeugen also bspw. keine Rechnung mit ausgewiesenen Strompreisbestandteilen, Informationen zum Strommix und einem Vergleich mit dem Verbrauch anderer Durchschnittskunden ausstellen. Dennoch kann von einer Vereinfachung der Rechtslage nicht die Rede sein. Allein die Tatsache, dass der Ladesäulenbetreiber im EEG und im Stromsteuerrecht die Pflichten eines Lieferanten zu erfüllen hat, im EnWG aber als Letztverbraucher gilt, dürfte für den elektromobil interessierten Laien bereits undurchschaubar sein.
Noch schwieriger wird es für Ladesäulenbetreiber, die selbst erzeugten Strom, z.B. aus eigenen PV-Anlagen, an der Ladesäule abgegeben und als Eigenversorger keine oder nur eine reduzierte EEG-Umlage zahlen müssen. Ähnliches gilt, wenn Unternehmen andere energierechtliche Vergünstigungen in Anspruch nehmen. Dies betrifft zum Beispiel die Reduzierung von EEG-Umlage und Netzentgelten für die sog. Stromkostenintensiven Unternehmen oder für flexible Stromverbraucher. Werden bei diesen Privilegien versehentlich Strommengen eingerechnet, die von Dritten verbraucht wurden, kann das Unternehmen die Vergünstigung für seinen gesamten Stromverbrauch verlieren.
Für größere Unternehmen drohen deshalb oft Nachteile in Millionenhöhe. Ganze Beraterarmeen unterstützen daher die betroffenen Unternehmen bei der – je nach Gesetz natürlich unterschiedlichen Anforderungen unterliegenden – rechtskonformen Abgrenzung von Drittmengen.
Geeignete Messtechnik, verzweifelt gesucht
Auch bei den technischen Anforderungen an den Betrieb von Ladesäulen liegt noch einiges im Argen. Nahezu keine Ladesäule, die derzeit betrieben wird, genügt nämlich den Anforderungen des Mess- und Eichrechts. Unklarheiten bestehen für Hersteller und Anwender z.B. darüber, inwieweit auch sog. Backend-Systeme der Eichpflicht unterliegen. Für Gleichstromladesäulen existiert noch nicht einmal geeignete Messtechnik, mit der die eichrechtlichen Anforderungen umsetzbar wären.
Die Ladesäulenverordnung, die europarechtliche Vorgaben umsetzt, schafft insbesondere für Ladesäulen im gewerblichen Bereich zusätzliche Pflichten und damit weitere Rechtsunsicherheiten. Die Betreiber von Ladesäulen auf öffentlich zugänglichen Parkplätzen müssen jedem, der den Parkplatz befahren darf, das Laden ohne Abschluss eines Dauervertrages ermöglichen. Das Ganze ist entweder kostenlos anzubieten oder muss über ein bestimmtes standardisiertes Zahlungsverfahren abgewickelt werden. Auf den ersten Blick eine schöne Idee, soll sie doch eine ohnehin bestehende Ladeinfrastruktur für alle zugänglich machen. In anderen europäischen Ländern mag dies auch einfach umzusetzen sein.
Aber in Deutschland stellt diese Pflicht viele Unternehmen, deren Parkplätze von Lieferanten, Kunden und Gästen frequentiert werden, vor eine Herausforderung. Denn wenn hier Dritte an der Ladesäule Strom tanken, werden dem Betreiber zwangsläufig die energierechtlichen Lieferantenpflichten des EEG aufgezwungen. Vielerorts überlegen daher Unternehmen, entsprechende Parkplätze zu reinen Mitarbeiterparkplätzen umzuwidmen, um diesen Pflichten zu entgehen.
Was darf Ladestrom kosten?
Ist ein Ladesäulenbetreiber davon noch nicht genug abgeschreckt und will an seiner Ladesäule entgeltlich Strom abgeben, so muss er auch bei der Bepreisung des Ladestroms ein zulässiges Modell wählen. Nach einem langen und erbittert geführten Streit hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) erst kürzlich der Diskussion ein Ende gesetzt, ob für die Preisgestaltung bei Ladestrom die Preisangabeverordnung (PAngV) maßgeblich ist. Das ist übrigens die Verordnung, der wir es zu verdanken haben, dass bei der Auszeichnung von Produkten im Supermarkt Preisangaben zu vergleichbaren Produktgrößen angebracht werden müssen. Aber die PAngV befasst sich auch mit der Bestimmung zulässiger Messgrößen bei der Lieferung von Strom.
Für den Verkauf von Ladestrom bedeutet dies, dass nach Auffassung des BMWi ein nach Kilowattstunden berechneter Preis grundsätzlich erlaubt ist, reine Zeittarife dagegen verboten; monatlich abgerechnete Flatrates sind erlaubt, Einmalgebühren (sog. Session-Fees) wieder verboten. Aktuell müssen daher viele Ladestromanbieter ihre Preismodelle anpassen oder es auf eine gerichtliche Klärung ankommen lassen.
Damit greift es zu kurz, den Fehler für den schleppenden Ausbau der Elektromobilität bei den Nutzern zu suchen, denen kurze Reichweite, fehlende Ladeinfrastruktur und inkompatible Steckersysteme lästig sind. Es greift auch zu kurz, den Fehler bei den Fahrzeugherstellern zu suchen, die bislang kaum attraktive Modelle zu attraktiven Preisen anbieten konnten. Die größte Hürde für den Erfolg der Elektromobilität in Deutschland ist der sperrige und zugleich detailverliebte Rechtsrahmen des Energierechts, der selbst innovationsbegeisterte Nutzer mit Pflichten überschüttet und damit eine Technologie ausbremst, die – richtig eingesetzt – zum Gelingen der Energiewende beitragen könnte.
Die Autorin Dr. Franziska Lietz ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Ritter Gent Collegen in Hannover und seit 10 Jahren im Energie- und Umweltrecht tätig. Als Geschäftsführerin des Legal-Tech-Unternehmens RGC Manager GmbH & Co. KG verantwortet Frau Lietz die Rechtsregister- und Pflichtenmanagement-Software RGC Manager für das Energie-, Umwelt- und Arbeitsschutzrecht und das Nachrichtenportal RGC News.
Rechtsrahmen bremst Elektromobilität aus: . In: Legal Tribune Online, 07.11.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31933 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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