Ein in der Slowakei verliehener Doktortitel kann auch bei Bekanntwerden von Plagiaten nicht entzogen werden – dennoch besteht ein Äquivalenzabkommen mit Deutschland. Für die Vermittlung ins Ausland verlangen Agenturen fünfstellige Summen.
"In meinem Heimatland", also an gut hundert deutschen Universitäten, habe er keine Chance zur Promotion gesehen, sagt der Geschäftsführer eines karitativen Hilfswerks. Er hat dann das Nächstbeste gemacht und ein berufsbegleitendes Fernstudium in der Slowakei aufgenommen, an der Comenius-Universität in Bratislava. Dort bestand der Betriebswirt 2009 die Doktorprüfung mit einer Arbeit über die Krankenhausfinanzierung in Deutschland. Verbunden damit ist der akademische Grad PhD oder, amtlich eingedeutscht, "Dr." ohne fachlichen Zusatz und Herkunftsangabe.
An der Gleichwertigkeit zu einem in Deutschland verliehenen Doktorgrad kann man indes zweifeln. Laut der auf die Aufspürung wissenschaftlicher Plagiate spezialisierten Plattform Vroniplag weisen 76 von 185 Seiten der Dissertation plagiatsverdächtige Stellen auf. Dennoch gibt es, wie die Vizerektorin für Studien an der Comenius-Uni auf Nachfrage klarstellt, in der Slowakei keine gesetzliche oder sonstige Rechtsgrundlage, um verliehene Grade nachträglich zu überprüfen oder gar zu widerrufen.
Deutsche Unis hingegen haben – durch den Fall des Ex-Verteidigungsministers von Guttenberg für das Thema sensibilisiert – in den vergangen Jahren Dutzende Doktortitel rechtskräftig entzogen. Doch wer einmal Doktor in der Slowakei ist, ist es zugleich auch für immer in Deutschland. Das garantiert ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen, das beide Staaten über die wechselseitige Gleichwertigkeit ihrer Hochschulabschlüsse vereinbart haben. Damit gewährt der deutsche Staat slowakischen Titeln im Zweifelsfalle mehr Schutz als den eigenen, für die die Möglichkeit einer Nachprüfung und eines nachträglichen Entzugs besteht. Ähnliche Äquivalenzabkommen gibt es zwar auch mit einer ganzen Reihe inner- und außereuropäischer Partnerländer, aber doch fast nie samt der Ewigkeitsgarantie für den Doktorhut.
Kontaktanbahnung und Beratung für 10.000 Euro
Diese ungewöhnliche Konstellation ist von gewerblichen Vermittlern nicht unentdeckt geblieben – eine Dresdener Agentur etwa fordert von angehenden Doktoranden gute zehntausend Euro für ihre "Beratungsleistungen". Dafür nimmt sie ihnen die Kontaktanbahnung und –pflege in die Slowakei ab und hilft etwa bei der Themenfindung und mancherlei Prüfungsvorbereitung. Fünfstellig sind zudem die Studiengebühren, die die Comenius-Uni selber einfordert. Unter solchen Bedingungen haben allein die willigen Helfer aus Dresden schon viele Dutzend Kandidaten in der Slowakei und ganz Osteuropa zum Erfolg geführt. Einzelne deutsche Comenius-Doktoren wurden hierzulande sogar Fachhochschulprofessoren.
Selbstverständlich kann niemand von hohen Beraterhonoraren und Studiengebühren einfach auf "gekaufte" Doktorgrade schließen, ebenso wenig von plagiierten Dissertationen auf ein böses Zusammenspiel von Autor und Prüfer. Unabhängig davon stellt sich jedoch die Frage, was ein ausländischer Hochschulgrad denn im Normalfall fachlich-sachlich wert ist. Eine Antwort gibt die Kultusministerkonferenz (KMK) mit dem Instrument der "Zeugnisbewertung". Diese bestimmt, so der amtliche Wortlaut, "die Ebene des deutschen Bildungsabschlusses, mit der der ausländische Abschluss vergleichbar ist." Solche Vergleiche zieht die KMK auf Antrag weltweit, um über die "beruflichen und akademischen Verwendungsmöglichkeiten" fremder akademischer Grade auf dem deutschen Bildungs- und Arbeitsmarkt Orientierung zu verleihen.
"Wesentliche Umstände des Graderwerbs nicht aufklärbar"
Zu diesem Vorgehen haben sich die EU-Mitgliedsstaaten sowie etliche weitere wechselseitig verpflichtet. Aber: "Für Doktorgrade aus der Slowakei" stellt die KMK laut ihrem Sprecher "keine Zeugnisbewertungen aus, da wesentliche Umstände des Graderwerbs von hier aus nicht aufklärbar sind."
Das lässt sich mit dem Gleichwertigkeitsgedanken des Äquivalenzabkommens schwer vereinbaren. Tatsächlich sieht dieses für derartige Zweifelsfälle die Einsetzung einer bilateralen "Expertenkommission" vor – die aber bislang, seit einem Dutzend Jahren, kein einziges Mal zusammengetreten ist.
Gemeinsamen Normen und Standards stehen derzeit im Mittelpunkt der Diskussion über das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP). Über den internationalen Wissenschaftsbetrieb mit seinen unterschiedlichen Hochschulabschlüssen wird hingegen nur wenig gesprochen – dabei bestünde gerade hier einiger Nachbesserungsbedarf.
Hermann Horstkotte, Promovieren in der Slowakei: . In: Legal Tribune Online, 10.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19331 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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