Die neue Schiedsgerichtsordnung tritt am 1. März in Kraft. Gut, dass die DIS nicht jedem Trend folgt, meint Catrice Gayer. Die Reform bringt aber viele Vorteile für Parteien und Schiedsgerichte.
Die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) hat ihre Schiedsgerichtsordnung umfassend reformiert. Die neue Ordnung tritt am 1. März 2018 in Kraft und bringt deutschen Unternehmen zahlreiche Vorteile: Transparenz und Qualität der Verfahren werden gestärkt. Schiedsgerichte werden von vielen administrativen Tätigkeiten entlastet und können sich auf die Entscheidungsfindung konzentrieren. Verfahren werden effizienter gestaltet und schneller durchgeführt.
Die letzte Version der Ordnung stammt aus dem Jahr 1998. In den letzten 20 Jahren gab es weltweit zahlreiche Entwicklungen in der Schiedsgerichtsbarkeit. Die DIS ist erfreulicherweise nicht jedem Trend gefolgt.
So behält die DIS in der aktuellen Ordnung ganz bewusst diejenigen – deutschen – Rechtstraditionen bei, die eine frühzeitige Konfliktlösung fördern: Ein Schiedsgericht darf den Parteien frühzeitig eine Einschätzung zu den Erfolgsaussichten der Klage mitteilen, was oft die Vergleichsbereitschaft der Parteien erhöht. Warum sich weiter streiten, wenn der Ausgang des Verfahrens absehbar ist?
Die DIS hat aber auch Regelungen in die neue Ordnung aufgenommen, die sich bei anderen, international tätigen Schiedsinstitutionen bewährt haben: So muss jedes Schiedsgericht nun den Entwurf eines Schiedsspruches der DIS vorlegen, die prüft, ob alle formellen Anforderungen eingehalten werden. Auch wenn die DIS nicht die inhaltliche "Richtigkeit" der Entscheidung prüfen kann und darf, erhöht dieses Vier-Augen-Prinzip (Schiedsgericht und Schiedsinstitution) die ohnehin schon hohe Qualität von Schiedssprüchen aus DIS-Schiedsverfahren.
Ziele des Reformprozesses klar definiert
Viele deutsche Unternehmen, ob sie nun in Deutschland oder grenzüberschreitend tätig sind, nutzen die Schiedsgerichtsbarkeit, um Streitfälle schnell und effizient zu lösen. In den letzten Jahren haben zahlreiche Schiedsinstitutionen ihre Schiedsgerichtsordnungen reformiert, um den gestiegenen Anforderungen nach erhöhter Transparenz, Effizienz, Qualität und Kostenreduzierung gerecht zu werden.
Diese Prinzipien verfolgt auch die DIS. Der umfangreiche Revisionsprozess dauerte 18 Monate, unter Beteiligung von fast 300 Personen. Zahlreiche Unternehmensvertreter und Experten aus der Schiedsgerichtsszene haben eine deutsch- und englischsprachige Fassung der Ordnung erarbeitet.
Schiedsgerichte sollen Vergleiche fördern
Im Revisionsprozess der Schiedsgerichtsordnung betonten die Unternehmensvertreter, wie wichtig eine frühzeitige Streitlösung ist. Je früher ein Rechtsstreit beendet ist, desto weniger Ausgaben belasten die Unternehmen und desto weniger wird die Produktivität durch Bindung interner Ressourcen beeinträchtigt. Das Schiedsgericht soll die Parteien durchgängig im Verfahren unterstützen, einen Vergleich zu schließen. Daher muss ein Schiedsgericht bereits in einem sehr frühen Stadium des Verfahrens, in der sogenannten Verfahrenskonferenz, klären, ob die Parteien eine Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage wünschen.
Die Parteien müssen einwilligen
Diese Kompetenzen – Vergleichsvorschläge unterbreiten und Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage abgeben – darf ein Schiedsgericht nur ausüben, wenn die Parteien einwilligen. Der Einwilligungsvorbehalt ist wegen teilweise stark divergierender Rechtstraditionen in verschiedenen Jurisdiktionen notwendig: In deutschen Gerichtsverfahren handelt es sich um selbstverständliche Kompetenzen eines Richters. In anderen Jurisdiktionen darf ein Richter jedoch keine Vergleichsvorschläge oder eine vorläufige Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage abgeben.
Steht nun ein deutsches Unternehmen in einem Verfahren nach der DIS-Schiedsgerichtsordnung einer Partei aus eben einer solchen Jurisdiktion gegenüber, stellt sich die Frage, welche Rechtstraditionen Vorrang genießen und welche Kompetenzen ein Schiedsgericht ausüben darf.
Die DIS hat sich hier klar positioniert: Solange keine der Parteien widerspricht, darf ein Schiedsgericht eine Einschätzung der Erfolgsaussichten abgeben und Vergleichsvorschläge unterbreiten. Insbesondere deutschen Unternehmen können diese Kompetenzen eines Schiedsgerichts in Rechtsstreitigkeiten mit zahlungsunwilligen ausländischen Unternehmen helfen, effizient ihre Ansprüche durchzusetzen.
DIS stärker in Verfahren involviert
Bisher war die DIS vor allem bei Beginn und am Ende von Verfahren involviert (so etwa bei der Zustellung der Klage bei Beginn und bei Zustellung des Schiedsspruches an Ende des Verfahrens). Mit der neuen Ordnung werden zahlreiche Tätigkeiten und Entscheidungen, die bisher ein Schiedsgericht selbst erledigen musste, auf die DIS übertragen. Die DIS hat zu diesem Zweck ein neues Gremium gegründet, den DIS-Rat für Schiedsgerichtsbarkeit:
Der neue DIS-Rat entscheidet über Ablehnung von Schiedsrichtern und Honorarkürzung
Gemäß der Ordnung von 1998 musste das Schiedsgericht selber über die Ablehnung eines Schiedsrichters wegen angeblich fehlender Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit entscheiden. Bei einem Dreier-Schiedsgericht hat sich zwar üblicherweise der abzulehnende Schiedsrichter der Entscheidung enthalten.
Dennoch: Viele Schiedspraktiker kritisierten, dass keine neutrale Stelle diese Entscheidung traf. Nun entscheidet der neu gegründete DIS-Rat gem. Art. 15.4. Diese neu eingeführte Kompetenz des DIS-Rats wird die Akzeptanz von Parteien in solche – sei es negative wie positive – Ablehnungsentscheidungen erhöhen.
In der Vergangenheit gab es Fälle, in denen Parteien nach einer mündlichen Verhandlung auf den Schiedsspruch – grundlos – lange warten mussten. Für das Schiedsgericht blieb ein solches Verhalten ohne Konsequenzen. Nun müssen Schiedsrichter jedoch damit rechnen, dass der DIS-Rat im Falle der verspäteten Übermittlung des Entwurfes eines Schiedsspruches das Honorar des Schiedsgerichts kürzt (Art. 37).
Der neue DIS-Rat kann Streitwert überprüfen
Den Streitwert des Verfahrens setzt das Schiedsgericht in erster Instanz fest. Der DIS-Rat kann, auf Antrag einer Partei, den festgesetzten Streitwert bestätigen oder abändern (Art. 36.3). Gerade in schwierigeren Fällen (etwa bei nicht bezifferbaren Klageanträgen) erhöht das Vier-Augen-Prinzip (Schiedsgericht und DIS-Rat) die Akzeptanz der Parteien in die Streitwertfestsetzung.
Weniger administrative Aufgaben für das Schiedsgericht
Auf Grundlage des festgesetzten Streitwerts wird die DIS die Honorarvorschüsse für die Schiedsrichter bei den Parteien einfordern und verwalten (Art. 35). Diese Neuregelung wird die Schiedsrichter entlasten: Bisher musste das Schiedsgericht diese Tätigkeiten wahrnehmen.
Schnellere Durchführung von Verfahren
Zudem werden Schiedsgerichte mit drei Schiedsrichtern nun schneller konstituiert. Der Schiedsbeklagte muss innerhalb von 21 (statt früher 30) Tagen seinen Schiedsrichter benennen. Die Frist für die Klageerwiderung beträgt 45 Tage nach Zustellung der Klage beim Schiedsbeklagten (Art. 7).
Die alte Ordnung regelte die Frist für die Klageerwiderung gar nicht. Stattdessen legte das Schiedsgericht – nach seiner Konstituierung – die Frist für die Klageerwiderung fest. Selbst wenn die Konstituierung des Schiedsgerichts ohne Verzögerung erfolgte, war die Frist für die Klageerwiderung daher oft weit länger als 45 Tage.
Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz
Jedes Schiedsgericht muss nunmehr innerhalb von 21 Tagen nach seiner Konstituierung eine sogenannte Verfahrenskonferenz abhalten (Art. 27). Neben der Abstimmung eines Verfahrenskalenders muss ein Schiedsgericht in der Verfahrenskonferenz mit den Parteien die Anwendung bestimmter Maßnahmen im Verfahren adressieren.
Die Maßnahmen ergeben sich aus den Anlagen 3 und 4 der neuen Ordnung und dienen alle der Förderung der Effizienz und Beschleunigung von Verfahren. Dazu gehören etwa: Begrenzung des Umfangs und der Anzahl von Schriftsätzen und Zeugenaussagen; Ausschluss und Beschränkung der Vorlage von Dokumenten; Mitteilung durch das Schiedsgericht über die vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage und Anwendung der Regelungen des beschleunigten Verfahrens.
Komplexe Fallkonstellationen nunmehr auch geregelt
Komplexe Fallkonstellationen wie Mehrparteien- und Mehrvertragsverfahren, der Beitritt zusätzlicher Parteien oder die Verbindung von Schiedsverfahren, waren bisher, wenn überhaupt, nur sehr rudimentär geregelt.
Die neue Ordnung regelt nun im Detail die Zulässigkeit der Verbindung von mehreren Schiedsverfahren (Art. 8) und der Geltendmachung von Ansprüchen aus unterschiedlichen Verträgen in einem einzigen Schiedsverfahren (Mehrvertragsverfahren, Art. 17). Zusätzlich enthält Art. 18 die Voraussetzungen, unter denen Ansprüche zwischen mehr als zwei Parteien in einem einzigen Schiedsverfahren behandelt werden können. Die Einbeziehung einer zusätzlichen Partei ist in Art. 19 geregelt.
Insgesamt verbindet die DIS-Schiedsordnung 2018 damit in gelungener Weise die neuesten Trends und Entwicklungen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit mit den alt bewährten Prinzipien staatlicher deutscher Gerichtsverfahren. Die Verfahren werden effizienter und schneller durchgeführt. Die Schiedsgerichte werden spürbar entlastet und die Integrität und Transparenz des Verfahrens werden – auch durch das neu gegründete Gremium des DIS-Rates – deutlich verbessert.
Die Autorin Catrice Gayer ist Rechtsanwältin im Düsseldorfer Büro von Herbert Smith Freehills Germany LLP und als Schiedsrichterin und Parteivertreterin in nationalen und internationalen Schiedsverfahren tätig.
Die neue DIS-Schiedsgerichtsordnung 2018: . In: Legal Tribune Online, 01.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27273 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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