Ob Fitnessstudio oder Konzert: In der Coronakrise fällt alles aus. Wo es eigentlich Geld zurück gäbe, sollen Verbraucher jetzt Gutscheine bekommen. Wofür man die einlösen kann und wann man doch sein Geld zurückbekommt, erklärt Stephan Lorenz.
In Folge der Corona-Pandemie hat der Gesetzgeber eine unglaubliche Geschwindigkeit aufgenommen. Gesetzentwürfe kommen jetzt als "Formulierungshilfe" aus dem sog. "Corona-Kabinett" und werden dann von den Regierungsfraktionen in den Bundestag eingebracht. Selbst das sog. "Strucksche Gesetz", wonach "kein Gesetz aus dem Bundestag so rauskommt, wie es reinkommt" scheint derzeit nicht mehr zu gelten.
So liegt auch für das Veranstaltungsrecht nun eine solche "Formulierungshilfe" vor. In Art. 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) wird - nach den bereits eingeführten Sonderregelungen für Verbraucher, Kleinstunternehmer, Mieter und Pächter sowie Darlehensnehmer in §§ 1 bis 4 - in einem § 5 eine Sonderregelung für das Veranstaltungsrecht getroffen.
Leistungsstörungsrecht: Was normalerweise gilt
Das Leistungsstörungsrecht hat für den Ausfall von Veranstaltungen und die Schließung von Freizeiteinrichtungen wie z.B. Fitnessstudios infolge der COVID-19 Pandemie eigentlich klare Lösungen. Fällt etwa ein Konzert aus, wird die Leistung des Veranstalters unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB), was dazu führt, dass eine Gegenleistung nicht geschuldet (§ 326 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) und – wenn schon entrichtet – nach § 326 Abs. 4 BGB zurückzuerstatten ist.
Ist eine Freizeiteinrichtung wie z.B. ein Fitnessstudio geschlossen, gilt ähnliches: Für die Dauer der Schließung ist die Leistung unmöglich, der Nutzungsberechtigte schuldet kein Entgelt. Dieses Ergebnis ist auch nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen zu ändern.
Für Veranstalter sowie für Betreiber von Freizeiteinrichtungen bedeutet das einen enormen Einnahmeverlust, der sich existenzbedrohend auswirken kann. Dem will die geplante Regelung entgegenwirken, indem sie letztlich einen Zahlungsaufschub für Veranstaltern und Betreiber begründet.
Die Gutscheinlösung
Für Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeitveranstaltungen, die aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden oder bereits nicht stattfinden konnten, wird eine sog. Gutscheinlösung eingeführt.
Der Entwurf ermöglicht es Veranstaltern, im Falle der Unmöglichkeit den Gläubiger zunächst mit einem Gutschein abzufinden. So soll er eine wirtschaftliche Existenzbedrohung abwenden können (Art. 240 § 5 Abs. 1 EGBGB). Die Regelung gilt für Konzerte, Festivals, Theatervorstellungen, Filmvorführungen, Wissenschaftsveranstaltungen, Vorträge, Lesungen, Sportwettkämpfe und ähnliche Freizeitveranstaltungen. Nicht erfasst werden Veranstaltungen im beruflichen Kontext wie etwa Fortbildungen, Seminare, Fachmessen und Kongresse. Ein Jura- Repetitor darf damit seine Teilnehmer nicht mit Gutscheinen abfinden.
Die Gutscheinlösung erfasst auch Freizeiteinrichtungen, die wegen der COVID-19 Pandemie geschlossen wurden. Das betrifft Fitnessstudios, aber auch Schwimmbäder, Freizeitparks, Tierparks und Museen: Auch deren Betreiber Einrichtungen sind berechtigt, den Inhaber einer im Voraus erworbenen Nutzungsberechtigung mit einem Gutschein abzufinden (Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB).
Rammstein, Helene Fischer oder doch Geld?
Der Gutschein ist als Wertgutschein auszustellen. Er muss den gesamten Eintrittspreis oder das gesamte Entgelt einschließlich etwaiger Vorverkaufsgebühren erfassen, Ausstellung und Übersendung müssen kostenlos sein. Seine Geltungsdauer darf nicht beschränkt werden.
Als reiner Wertgutschein kann der Gläubiger, also der um sein Vergnügen gebrachte Verbraucher, den Gutschein bei allen zukünftigen vertraglichen Leistungen des Veranstalters oder der Freizeiteinrichtung als Entgelt einlösen. Wer also eine Konzertkarte für Rammstein erworben hatte, muss nicht bei nächster Gelegenheit ein Helene-Fischer-Konzert besuchen.
Einen Anspruch auf sofortige Auszahlung des Gutscheinwerts erwirbt dessen Inhaber nach dem Entwurf, wenn der Verweis auf einen Gutschein für ihn angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist. Also etwa, wenn er die Veranstaltung im Rahmen einer Urlaubsreise besuchen wollte und einen Nachholtermin nur mit hohen Reisekosten wahrnehmen könnte. Denkbar ist aber auch der Einwand, dass er ohne die Auszahlung des Gutscheinwerts nicht in der Lage ist, existenziell wichtige Lebenshaltungskosten wie Miet- oder Energierechnungen zu begleichen.
Aber auch wer solche Umstände nicht geltend machen kann, muss sich nicht dauerhaft auf einen Gutschein verweisen lassen. Ab dem 31. Dezember 2021 kann jeder Inhaber eines Gutscheins, den er bis dahin nicht eingelöst hat, die Auszahlung des Gutscheinwerts verlangen. Damit wird den Veranstaltern bzw. den Betreibern der genannten Einrichtungen ein Zahlungsaufschub für die eigentlich geschuldete sofortige Rückzahlung nach § 326 Abs. 4 BGB gewährt.
Damit zeigt sich die wahre Funktion der Gutscheinlösung: Sie ist letztlich nichts anderes als ein Zahlungsaufschub, der Veranstaltern erlaubt, nach der Krise erst einmal wieder finanziell zu Atem zu kommen. Und: Niemand wird zu Helene Fischer gezwungen!
Der Autor Prof. Dr. Stephan Lorenz ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Ludwig-Maximilian-Universität München und Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs.
Gutscheine für abgesagte Veranstaltungen: . In: Legal Tribune Online, 14.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41294 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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