CAS zu überdurchschnittlichem Testosteronwert: Zu männ­lich für eine Frau?

Gastbeitrag von Dr. Paul Lambertz

02.05.2019

Wer über so etwas nachdenkt, fragen Sie sich? Der internationale Leichtathletikverband, der Grenzen für Hormonwerte festgesetzt hat. Die hat der internationale Sportgerichtshof nun bestätigt. Eine Fehlentscheidung, findet Paul Lambertz.

Testosterongrenzwerte für Leichtathletinnen sind zulässig. Solche, die der internationale Leichtathletikverband IAAF festgelegt hat, hat der internationale Sportgerichtshof (CAS) am Dienstag bestätigt.

Wann eine Frau eine Frau ist, war für die IAAF offenbar nicht so klar. Er hat sich deshalb seit 2011 mit dieser Frage auseinandergesetzt und kam zu dem Ergebnis, dass eine Frau erst dann eine Frau ist, wenn ihr Testosteronwert weniger als fünf Nanomol pro Liter Blut beträgt. Erst wenn der Testosteronwert einer Wettkämpferin darunter liegt, darf diese bei Frauenrennen an den Start gehen. Liegt er darüber, haben die Frauen, so die Regelungen des internationalen Leichtathletikverbandes, diesen Wert durch Medikamente künstlich zu senken.

Angestoßen hatte diesen bemerkenswerten Denkprozess der IAAF, der mit den oben bezeichneten Regelungen endete, die südafrikanische Läuferin Caster Semenya. Diese wurde 2009 in Berlin Weltmeisterin über die 800-Meter-Strecke, doch hatten ihr maskulines Auftreten, ihre breiten Schultern und die tiefe Stimme bereits vor dem Rennen für große Diskussionen gesorgt. Nachdem diese auch später nicht abriss, entschied die IAAF, besagte Testosterongrenzwerte einzuführen, da man davon ausging, dass Frauen, die über solch hohe Werte verfügen, einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Teilnehmerinnen hätten.

CAS: Grenzwerte eine gerechtfertigte Diskriminierung

Da diese Regel aber mehr als fragwürdig ist, wundert es nicht, dass diese alsbald einer juristischen Prüfung unterzogen wurde. Geklagt hatte 2015 eine andere Athletin, die Inderin Dutee Chand, die gerne bei den Olympischen Spielen in Rio 2016 starten wollte, zuvor aber wegen ihres Testosteronwerts von den Commonwealth Games disqualifiziert wurde.

Der CAS setzte die Regel daraufhin für zwei Jahre aus und gab der IAAF auf, die medizinische Notwendigkeit für diese nachzuweisen. 2017 gelang der IAAF der Nachweis - zumindest aus Sicht des CAS. 2018 verschärfte der Verband den Grenzwert sogar noch von damals zehn auf jetzt fünf Nanomol pro Liter Blut, der aber nur auf den Laufstrecken von 400 Meter bis hin zu einer Meile und auch nur ausschließlich bei internationalen Wettbewerben gelten soll.

Da Semenya als Stein des Anstoßes für diese Regelung aber immer noch von dieser Beschränkung betroffen war, klagten sie und der südafrikanische Leichtathletikverband vor dem CAS gegen die Grenzwerte. Nach langem Verfahren und der Anhörung etlicher Experten entschied der CAS nunmehr, dass die Regel zwar diskriminierend sei, aber das damit verfolgte Ziel, die Integrität weiblicher Läufer zu schützen, diese Diskriminierung rechtfertige.

Der bis jetzt vorliegenden Pressemitteilung sind jedoch keine weiteren diesbezüglichen Ausführungen zu entnehmen, so dass man auf die Veröffentlichung des umfangreichen Schiedsspruchs warten muss, um zu erfahren, wie die Schiedsrichter ihre Entscheidung begründet haben.

Zwar ist das CAS-Verfahren mit dieser Entscheidung beendet, doch besteht für Semenya und den südafrikanischen Verband noch die Möglichkeit, gegen diese vor den schweizer und im Anschluss sogar vor den europäischen Gerichten anzugehen. Angesichts des Ergebnisses ist damit zu rechnen, dass die Athletin und der südafrikanische Verband weiter klagen werden.

Körperliche Konstitution war schon immer ein Vorteil

Sowohl die angegriffene Regel als auch das Urteil des CAS sind falsch, rütteln sie doch an den Grundwerten des Sports, wie wir sie heute kennen.

Der Sport tut natürlich gut daran, Regeln aufzustellen. Wie lang zum Beispiel eine Halbzeit ist, unter welchen Voraussetzungen ein Sprung anerkannt wird oder wie viele Mitglieder ein Team haben darf. Auch Fragen zur Zulässigkeit medizinischer Anwendungen oder der Einnahme von Medikamenten sind im Interesse des Sports zu regeln. Dort aber, wo der Sport Regeln vorgibt, unter welchen natürlichen körperlichen Beschaffenheit Athleten an den Start gehen dürfen, ist Schluss. Die Unterscheidung zwischen Mann und Frau, behindert oder nicht behindert, sind die einzigen zulässigen und notwendigen Einteilungen im (professionellen) Sport.

Jede Sportart lebt davon, dass sich dort Menschen wiederfinden und messen, die sich aufgrund bestimmter physiognomischer Gegebenheiten eben diese Sportart ausgesucht haben. So werden beispielsweise große Menschen eher Basket- oder Volleyball, hagere Typen eher Ausdauersportarten oder kräftige Menschen eher kraftbetonte Sportarten auswählen. Aus den unzähligen Sportarten kann sich jeder die Sportart aussuchen, die zu ihr oder ihm am besten passt. Der Versuch der IAAF, diesen Automatismus mit dem Ziel der Gleichschaltung zu behindern, greift aber tief in den Sport ein, wie wir ihn kennen.

Beim Basketball käme niemand auf so eine Idee

Wie absurd die Idee von der Angleichung der Athleten ist, zeigt sich am anschaulicheren Beispiel des Basketballs. Wer würde dort ernsthaft vertreten, Spieler über einer Körpergröße von zwei Metern nicht mehr spielen zu lassen, weil das für die kleinen Spieler unfair ist? Worin der Unterschied zu Läuferinnen mit erhöhtem und durchschnittlichem Testosteron ist, erschließt sich nicht.

Frauen mit einem von Natur aus erhöhten Testosteronwert sind eben auf natürliche Weise mit einem Wettbewerbsvorteil ausgestattet, so wie große Basketballspieler oder kleine, leichte Marathonläufer. Ein hohes Testosteronlevel ist aber ein Wettbewerbsvorteil wie jeder andere auch, ein Korrektiv deshalb nicht notwendig.

Die IAAF schadet mit dieser Regel nicht nur sich, sondern auch dem Sport. Man kann nur hoffen, dass kein anderer Sportverband solche Regeln einführt und die IAAF zur Vernunft kommt und die Regel ersatzlos streicht.

Der Autor Dr. Paul Lambertz ist Anwalt in Düsseldorf und spezialisiert aufs Sportrecht.

Zitiervorschlag

CAS zu überdurchschnittlichem Testosteronwert: . In: Legal Tribune Online, 02.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35157 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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