Mit einem neuen Cannabisgesetz will die Bundesregierung die Entkriminalisierung von Cannabis-Konsumenten angehen. U.a. geht es um strenge Regeln für die neuen Anbauvereine, den Anbau zu Hause, neue Straftatbestände und Rehabilitierung.
84-Seiten, zehn Artikel, zahlreiche Gesetzesänderungen und neue Vorschriften: LTO liegt der Referentenentwurf aus dem Bundesministerium der Gesundheit (BMG) für ein "Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften" vor. Abgekürzt "Cannabisgesetz" bzw. "CannG". Der Entwurf vermerkt den "Bearbeitungsstand 28.04.2023, 14:26 Uhr".
Es handelt sich dem Vernehmen nach um die Entwurfsfassung, die - wie LTO berichtet hatte - Ende April von Karl Lauterbach (SPD) in die Ressortabstimmung gegeben worden war. Auch den zuständigen Fachpolitikern der Bundestagsfraktion liegt diese Fassung offenbar vor. Zum Beispiel der sucht- und drogenpolitischen Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Kristine Lütke MdB, wie ihr Büro gegenüber LTO am Mittwoch bestätigte.
Über einige Inhalte des Entwurfs war bereits auf Grundlage eines Berichts von dpa vom Montag spekuliert worden. Kernstück des Entwurfs sind die Vorgaben für die geplanten Cannabis-Anbauvereine, in denen die Abgabe von Cannabis an erwachsene Mitglieder künftig erfolgen darf. Jugendlichen bleibt der Zutritt zu den Cannabis-Clubs verwehrt.
Nach § 3 Abs.3 eines in Artikel-1 des CannG neu geschaffenen Cannabisabgabegesetzes (CannabG) darf ein solcher Anbauverein - im Gesetz heißt es "Anbauvereinigung" - an erwachsene Mitglieder bis zu 25 Gramm Cannabis pro Tag und bis zu 50 Gramm Cannabis pro Monat zum Eigenkonsum abgeben. An Heranwachsende darf maximal 30 Gramm pro Monat mit einem THC-Gehalt von höchstens zehn Prozent abgegeben werden. Darüber hinaus stellt § 4 CannabG klare Anforderungen an die Qualität: Verboten ist z.B. die Vermischung von Cannabis mit Alkohol, Tabak, Lebensmitteln oder "Aromen und sonstigen Zusätzen".
Umfangreiche Dokumentations- und Meldepflichten für Social Clubs
Im Übrigen werden in dem Gesetz zahlreiche Sicherheitsvorkehrungen aufgelistet, die die Anbauvereinigungen einhalten müssen. Wer gegen die Regeln verstößt, muss mit dem Entzug der "Erlaubnis für die gemeinschaftliche Erzeugung und Abgabe" rechnen. Um die Einhaltung der Vorschriften durch die Betreiber im Zweifel zu überprüfen, kann "die zuständige Behörde von der Anbauvereinigung Auskünfte, die Vorlage von Unterlagen und den Zutritt zum befriedeten Besitztum der Anbauvereinigung verlangen".
Weiter treffen die "Anbauvereinigungen" umfangreiche Dokumentations- und Meldepflichten. Jedes Jahr bis zum 31. Januar muss der Behörde akribisch übermittelt werden, "welche Mengen Cannabis und Vermehrungsmaterial im vorangegangenen Kalenderjahr von ihnen erzeugt, abgegeben oder vernichtet wurden". Zusätzlich sind die jeweilige Sorte sowie der jeweilige Gehalt an THC und CBD anzugeben.
Eigenanbau zu Hause darf die Nachbarn nicht stören
Der Konsum von Cannabis ist in den Vereinen selbst nicht erlaubt. Um den Kinder- und Jugendschutz Rechnung zu tragen, bestimmt der Entwurf in § 6 Abs. 3 CannabG, dass die Einnahme des berauschenden Hanfs „in und in einem Umkreis von 250 Metern um den Eingangsbereich von Anbauvereinigungen, angrenzenden Räumlichkeiten und befriedeten Besitztümern der Anbauvereinigungen" verboten ist. Auch "in einem Umkreis von 250 Metern um den Eingangsbereich von Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen und öffentlich zugänglichen Sportstätten" und in der Nähe von öffentlichen Kinderspielplätzen darf nicht gekifft werden. Tabu ist der Konsum ebenso in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr.
Konkrete Anforderungen an den privaten Eigenbau regelt das CannabG in § 8 des Entwurfs: "Personen ab 18 Jahren ist in ihrer Wohnung oder im Bereich ihres befriedeten Besitztums die nicht-gewerbliche Erzeugung von insgesamt bis zu drei weiblichen blühenden Pflanzen pro Kalenderjahr zum Zwecke des Eigenkonsums von Cannabis (privater Eigenanbau) erlaubt."
Den Nachbarn sollen die Kiffer nach der Liberalisierung nicht zur Last fallen: "Privater Eigenanbau darf keine unzumutbaren Belästigungen und Störungen für die unmittelbare Nachbarschaft verursachen", heißt es.
Neue Straftatbestände im neuen CannabG
In Kapitel 7 des CannabG geht es schließlich um die Straf- und Bußgeldvorschriften unter den liberalisierten Bedingungen. Grundtatbestand ist künftig § 41 CannabG: Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe u.a. bestraft, "wer unerlaubt mehr als 25 Gramm Cannabis besitzt, unerlaubt mehr als drei weibliche Pflanzen anbaut oder unerlaubt im Bereich der Wohnung oder des befriedeten Besitztums eine Jahresernte von mehr als drei Cannabispflanzen besitzt".
Außerdem fällt das unerlaubte Handeltreiben oder die Ausfuhr unter die Strafvorschrift. Eingeführt werden allerdings auch besonders schwere Fälle (§ 42) sowie ein zum Verbrechen hochgestufter Qualifikationstatbestand (§ 43): Diese Vorschriften betreffen im Wesentlichen den gewerbsmäßigen Handel oder die Abgabe von Cannabis an Kinder und Jugendliche.
Die Staatsanwaltschaft kann von einer Klage absehen, wenn ein Beschuldigter in Verdacht steht, "eine Straftat auf Grund einer cannabisbezogenen Abhängigkeitserkrankung begangen zu haben und keine höhere Strafe als eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu erwarten ist".
Im geltenden Betäubungsmittelgesetz sieht das CannG diverse Streichungen vor, soweit es um Cannabis geht (Artikel 2 CannG)
Tilgung von Strafen im Bundeszentralregister
Abschnitt 5 des CannabG befasst sich schließlich mit bestimmten Rehabilitierungsmaßnahmen für Cannabis-Konsumenten, die aufgrund der alten Rechtslage Nachteile erlitten haben:
"Sofern jemand ausschließlich wegen einer Handlung verurteilt wurde, für die das vorliegende Gesetz keine Strafe mehr vorsieht, wird die Eintragung im Bundeszentralregister getilgt, wenn die betroffene Person einen entsprechenden Antrag stellt. Gleiches gilt für den Fall, dass das vorliegende Gesetz für die Handlung nur noch eine Geldbuße allein oder eine Geldbuße mit einer Nebenfolge androht." Mit diesen Regelungen werde dem berechtigten Interesse Betroffener Rechnung getragen, den Makel der Verurteilung zu beseitigen, heißt es im Entwurf.
Das BMG rechnet offenbar damit, dass von diesem Antragrecht eine Vielzahl von Betroffenen Gebrauch machen: "Es besteht die Möglichkeit, dass nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Vielzahl an Anträgen gestellt wird, in denen die Tilgung von cannabisbezogenen Eintragungen im Bundeszentralregister begehrt wird. Um eine effiziente Antragsbearbeitung zu gewährleisten, ist die Festlegung eines speziellen Verfahrens erforderlich. Das Bundesministerium der Justiz wird daher ermächtigt, das Nähere zum Antragsverfahren in einer Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu regeln."
Auf Anfrage von LTO wollte sich das BMJ zu Einzelheiten nicht äußern. Eine Sprecherin erklärte lediglich: "Wir prüfen den Gesetzentwurf natürlich mit." Während der noch laufenden Ressortabstimmung gebe es aber keine weitergehenden Informationen.
Zigarettenrauchen im Auto in Anwesenheit von Kindern wird verboten
Hinsichtlich bereits erfolgter Verurteilungen von Cannabis-Konsumenten sieht das neue CannabG in § 54 Übergangsvorschriften vor. „Sofern eine Strafvollstreckung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes noch nicht beendet ist, die ausschließlich aufgrund einer Handlung ergeht, für die dieses Gesetz keine Strafe mehr vorsieht, ist die Strafvollstreckung unverzüglich zu beenden“, heißt es. Und weiter: "Aufgrund der einschneidenden Wirkung der Strafvollstreckung ist sie jedoch spätestens zwei Wochen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes zu beenden. Im Hinblick auf noch laufende Ermittlungs- und Strafverfahren besteht kein Bedarf an Übergangsvorschriften, da die StPO Möglichkeiten vorsieht, diese zu beenden." Gemeint sein dürfte damit u.a. § 206b StPO, der die die Einstellung des Verfahrens wegen Gesetzesänderung durch Gerichte vorsieht.
Im Bereich Cannabis und Straßenverkehr bleibt es zumindest vorerst bei den bisherigen strikten Regelungen - wie von LTO vergangenen Freitag berichtet: Eine Erhöhung der umstrittenen geltenden THC-Grenzwerte, die im Ergebnis Null-Toleranz für autofahrende Kiffer bedeuten, ist so schnell nicht geplant. Erst müsse evaluiert werden.
In der Begründung des CannG heißt es: "Ob die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu nicht-medizinischen Zwecken Auswirkungen auf die geltenden Grenzwerte im Straßenverkehr (…) hat, kann nur auf wissenschaftlicher Grundlage evaluiert und unter Einbeziehung der einschlägigen Fachgremien (insbesondere die Gemeinsame Arbeitsgruppe für Grenzwertfragen und Qualitätskontrolle - Grenzwertkommission) und unter Berücksichtigung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze festgestellt werden."
Eingeführt wird im Straßenverkehrsgesetz allerdings ein neuer § 24b StVG ("Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung von Cannabis"). Dieser lautet: "Die Zulässigkeit des Führens von Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Straßen unter der Wirkung des in der Anlage zu § 24a genannten berauschenden Mittels Cannabis orientiert sich ausschließlich an den Erfordernissen der Straßenverkehrssicherheit. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr wird die Auswirkungen der kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu nicht-medizinischen Zwecken auf die geltenden Grenzwerte im Straßenverkehr auf wissenschaftlicher Grundlage evaluieren."
Ganz nebenbei bringt das CannG beim Gesundheitsschutz auch Neues für autofahrende Tabakraucher: So wird Im Bundesnichtraucherschutzgesetz künftig nicht nur das Kiffen, sondern auch das Zigarettenrauchen in Autos in Anwesenheit von Minderjährigen und Schwangeren verboten.
LTO veröffentlicht Referentenentwurf: . In: Legal Tribune Online, 10.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51742 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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