Der erste Schritt einer Cannabis-Freigabe rückt näher. Nach zähem Ringen haben sich die Ressorts der Ampel auf einen Referentenentwurf verständigt. Er geht nun zur Beurteilung an Länder und Verbände. Änderungen danach nicht ausgeschlossen.
Auf diesen Gesetzentwurf zur Cannabis-Liberalisierung haben viele seit Wochen gewartet: LTO liegt nun ein umfassender Referentenentwurf des federführenden Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) eines Cannabisgesetzes (CanG) vor. Auf den 163-seitigen Entwurf haben sich nach wochenlangen Abstimmungen die Ressorts der Ampel am Mittwoch geeinigt. Er soll jetzt in die Länder- und Verbändeanhörung gehen. Bis zuletzt hatten die SPD-geführten Ministerien BMG und BMI nach LTO-Informationen noch darauf gedrängt, in das Gesetz Verordnungsermächtigungen aufzunehmen. Diese hätten den Ländern die Einführung strengerer Regeln ermöglicht. Durchsetzen konnten sich die beiden Ressorts mit diesem Vorschlag jedoch (bislang) nicht.
Der Referentenentwurf (Stand 05.07.2023, 15.59 Uhr) trägt den Titel "Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften". Er betrifft die sogenannte "Säule-1" des von Karl Lauterbach (SPD) angekündigten Cannabis-Legalisierungsvorhabens. Der Entwurf steht hier zum Download bereit.
"Das Gesetz zielt darauf ab, zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen, die cannabisbezogene Aufklärung und Prävention zu stärken, den illegalen Markt für Cannabis einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu stärken", heißt es in der Einleitung des Entwurfs. Konsumentinnen und Konsumenten werde durch den Gesetzentwurf ein verantwortungsvoller Umgang mit Cannabis erleichtert. Mit der Neuregelung werde der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau und der private Eigenanbau von Konsumcannabis erlaubt.
Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ist der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum künftig erlaubt. Hinsichtlich des Eigenanbaus regelt das Gesetz, dass Erwachsene "an ihrem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes bis zu drei Cannabispflanzen zum Zweck des Eigenkonsums" züchten dürfen. Die unentgeltliche Weitergabe des Home-Grown-Hanfes ist "an Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, im Bereich der Wohnung der anbauenden Person zum unmittelbar auf die Weitergabe folgenden gemeinschaftlichen Konsum zulässig".
Keine "Social-Clubs"
Wer privaten Eigenanbau betreibt, muss laut Gesetz allerdings geeignete Maßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen treffen, damit das berauschende Hanf vor dem Zugriff durch Kinder, Jugendliche oder Dritte geschützt ist. Außerdem darf die Nachbarschaft nicht gestört werden.
Bürgerinnen und Bürgern entstehe vor diesem Hintergrund ein zusätzlicher "Erfüllungsaufwand" für Schutzmaßnahmen, z.B. für die Anbringung eines Tür- oder Schrankschlosses. Im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes sei mit 770.000 Stunden und 20 Millionen Euro bei einer Million Fälle zu rechnen.
Ein strenges Konsumverbot sieht der Gesetzentwurf für Personen vor, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Auch ist der Konsum von Cannabis "in unmittelbarer Gegenwart von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben", verboten.
Der öffentliche Konsum von Cannabis ist nunmehr nicht mehr in einem Abstand von bis zu 250, sondern 200 Metern zum Eingangsbereich von Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, in öffentlich zugänglichen Sportstätten sowie auf und in einem Abstand von bis zu 200 Metern zum Eingangsbereich von Kinderspielplätzen untersagt. In Fußgängerzonen darf zwischen 7 und 20 Uhr sowie innerhalb und in einem Abstand von bis zu 200 Metern zum Eingangsbereich von Anbauvereinigungen nicht gekifft werden. Damit erteilt die Bundesregierung dem Wunsch vieler eine Absage, die statt reine Anbauvereinigungen lieber sog "Cannabis-Social-Clubs" hätten, in denen auch konsumiert werden darf.
Ein üppiger Katalog von Strafvorschriften regelt schließlich, welche Sanktionen drohen, wenn man sich an die zahlreichen Vorgaben des Gesetzes nicht hält. Wer z.B. "mehr als drei weibliche Cannabispflanzen gleichzeitig anbaut", dem drohen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Richtig "teuer" wird es – Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren – wenn Kinder und Jugendliche im Spiel sind.
Vereinbar mit internationalem Recht
Umfassend geprüft wurde das Vorhaben seitens der Bundesregierung auch auf die Vereinbarkeit mit internationalem Recht. Es sei mit den bestehenden völker- und europarechtlichen Rahmenbedingungen vereinbar. "Die bisherige restriktive Cannabis-Politik hat die Ziele eines ausreichenden Gesundheits-, Kinder- und Jugendschutzes sowie einer wirksamen Bekämpfung der Drogenkriminalität nicht erreicht. Eine große und weiter zunehmende Zahl von Menschen in Deutschland erwerben und konsumieren Cannabis vom Schwarzmarkt mit unkalkulierbaren Risiken für die Gesundheit und den Jugendschutz. Dieser gesellschaftlichen Realität stellt sich dieses Gesetz", heißt es im entsprechenden Kapitel.
Bund, Länder und Kommunen sollen steuerlich durch das neue Gesetz profitieren. Gerechnet wird mit zusätzlichen Lohnsteuereinnahmen von insgesamt 200.000 Euro im ersten Jahr, 300.000 im zweiten Jahr, 400.000 Euro im dritten Jahr, 500.000 Euro im vierten Jahr und 600.000 Euro in den Folgejahren. Inwiefern die intendierten Ziele des Gesetzentwurfes erreicht werden, wird nach vier Jahren durch eine Evaluation überprüft.
Regelungen zum Kinder- und Jugendschutz
Der Gesetzentwurf sieht zahlreiche Maßnahmen des Gesundheitsschutzes sowie des Kinder- und Jugendschutzes im Zusammenhang mit Cannabis vor. LTO dokumentiert hier die wichtigsten Regelungen:
• Begrenzung der zulässigen Besitzmenge an Konsumcannabis außerhalb von Anbauvereinigungen auf 25 Gramm.
• Nicht-gewerbliche Anbauvereinigungen dürfen nur mit behördlicher Erlaubnis Konsumcannabis gemeinschaftlich unter aktiver Mitwirkung der Mitglieder anbauen und zum Eigenkonsum an Mitglieder weitergeben. Enge gesetzliche Rahmenbedingungen müssen eingehalten werden.
• Einhaltung von strengen Mengen-, Qualitäts- sowie Kinder- und Jugendschutzvorgaben erforderlich, gesichert durch behördliche Kontrolle.
• Begrenzung der Weitergabe von Konsumcannabis in Anbauvereinigungen: Weitergabe nur an volljährige Mitglieder mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, verbunden mit einer strikten Pflicht zur Überprüfung der Mitgliedschaft und des Alters.
• Konsumverbot von Cannabis in und in einer Schutzzone von 200 Metern Abstand zum Eingangsbereich von Anbauvereinigungen, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen sowie in öffentlich zugänglichen Sportstätten.
• Begrenzte Weitergabemengen und eine Begrenzung des zulässigen THC-Gehalts auf zehn Prozent
• Weitergabe von Konsumcannabis in kontrollierter Qualität und nur in Reinform, d.h. Marihuana oder Haschisch.
• Allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot für Konsumcannabis und für Anbauvereinigungen.
• In begrenztem Umfang zulässiger privater Eigenanbau mit Pflicht zum Schutz des privat angebauten Konsumcannabis vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche sowie Dritte.
• Stärkung der Prävention: Präventionsmaßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sowie in den Anbauvereinigungen Information und Beratung durch Präventionsbeauftragte mit nachgewiesenen Sachkenntnissen und Kooperation mit lokalen Suchtberatungsstellen.
Säule-2-Gesetz kommt nach der Sommerpause
Nach der nun über die nächsten Wochen andauernden Begutachtung durch Länder und Verbände, werden die Stellungnahmen ausgewertet. Welche Version dann am Ende ins Bundeskabinett geht, ist derzeit noch völlig offen.
Für nach der parlamentarischen Sommerpause hat das BMG darüber hinaus den Säule-2-Gesetzentwurf angekündigt. Dieser sieht regionale Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten vor. Der Gesetzentwurf zu Säule 2 werde voraussichtlich der Europäischen Kommission zur Prüfung vorgelegt, schreibt das Ministerium auf seiner Website.
LTO veröffentlicht Referentenentwurf: . In: Legal Tribune Online, 06.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52171 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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