Am Donnerstag begann der Candylove-Prozess mit einem Rechtsgespräch, in dem das Gericht einige Aspekte deutlich machte. Eine Bande sieht es derzeit nicht. Maximilian Schmidt hingegen beantwortete Fragen zu seiner Einlassung sehr schwammig.
Erneutes Warten am sechsten Verhandlungstag im Candylove-Prozess vor dem Landgericht (LG) Leipzig: Kammer, Staatsanwalt und Verteidiger traten gleich zu Beginn unter Ausschluss der Öffentlichkeit in ein Rechtsgespräch ein. Etwa eineinhalb Stunden später fasst der Vorsitzende den Inhalt zusammen.
Unter anderem über die Strafvorstellung der Beteiligten sei gesprochen worden. Die fünf Männer sind wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gem. § 30a Betäubungsmittelgesetz angeklagt, da sie etwa 20 Kilogramm Drogen über einen Onlineshop verschickt haben sollen. Die Angeklagten Schmidt, Friedemann G. und der Anwalt R. sind als Täter angeklagt, Jens M. und Julius M. wegen Beihilfe.
Maximilian Schmidt, der den Onlineshop nach eigenen Angaben technisch aufgebaut hat, solle nach Vorstellung der Staatsanwaltschaft knapp sechs Jahre Freiheitsstrafe dafür bekommen. Auf keinen Fall mehr als viereinhalb Jahre, meint Schmidts Verteidigung. Für den Angeklagten G. werde eine Einstellung nach § 154 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) in Betracht gezogen, dies könne aber noch nicht abschließend beantwortet werden. Hinsichtlich der anderen Angeklagten äußerte sich das Gericht nicht.
Gericht sieht derzeit keine Bande
Weiterhin sei erneut das Bandenmerkmal diskutiert worden, was die Staatsanwaltschaft bei den Angeklagten Schmidt, Friedemann G., Jens M. und Julius M. für gegeben halte. Das hätte man dann aber auch entsprechend anklagen müssen, habe der Verteidiger von Jens M. entgegengehalten. Tatsächlich sind nur Schmidt, G. und Anwalt R. als Bande angeklagt. Von letzterem war auf einmal keine Rede mehr. Stattdessen will die Staatsanwaltschaft also die wegen Beihilfe angeklagten Jens M. und Julius M. ins Banden-Boot holen.
Das Gericht sehe allerdings nach derzeitigem Stand keine Bande. Dass Jens M. und Julius M. einen festen Betrag für ihre Tätigkeiten erhalten hätten – wie in ihren Geständnissen angegeben – und die Tatsache, dass sich Jens M. und Schmidt gekannt hätten, genüge nicht. Eine konkrete Bandenabrede sei damit derzeit nicht erkennbar.
Kammer: Nicht alle Gespräche mit Anwalt unverwertbar
Was allerdings erkennbar wurde, ist ein erster zarter Standpunkt des Gerichts zur Frage der Verwertbarkeit der Gespräche zwischen dem Angeklagten G. und seinem damaligen Anwalt R. Diese wurden von den Ermittlungsbehörden abgehört, wodurch die Unverwertbarkeit aller durch das Belauschen gewonnen Erkenntnisse eine bedeutende Frage im Prozess darstellt – LTO nahm dies bereits näher unter die Lupe. Der Verteidiger des angeklagten Anwalts R., Andrej Klein, positionierte sich klar gegen die Verwertbarkeit, da Gespräche zwischen Anwalt und Mandant umfassend geschützt seien. Dem schloss sich auch Schmidts Verteidiger Engel unter Verweis auf die Sonderrolle eines Strafverteidigers nochmal ausdrücklich an.
Nach vorläufiger Auffassung der Kammer sei jedoch nicht von einer vollständigen Unverwertbarkeit der Gespräche auszugehen. Man müsse sich genau anschauen, ab welchem Zeitpunkt es einen Anfangsverdacht gegeben habe. Allein die Tatsache, dass möglicherweise Mandatsverhältnisse bestehen, schütze nicht umfassend jedes Gespräch zwischen einem Rechtsanwalt und einer weiteren Person. Es gäbe keinen allgemeinen Schutzschirm für Rechtsanwälte oder andere Berufsgeheimnisträger. Ein Gespräch müsse spezifisch und mit konkretem Mandatsbezug sein, auch wenn dieser nicht eng gezogen werden darf. "Wenn ein Arzt mit einem Patienten über ein Fußballspiel spricht, fällt das auch nicht unter das Arztgeheimnis", so der Vorsitzende Richter Rüdiger Harr weiter.
R. war zeitweise nicht nur der Anwalt, sondern auch der Arbeitgeber des G. Den Äußerungen des Gerichts folgend wären demnach mögliche abgehörte Gespräche, die R. als Arbeitgeber – also nicht als Anwalt – mit G. geführt haben könnte, wohl verwertbar.
So ganz lichtet sich der Verwertbarkeitsnebel damit nicht. Scheinbar hat die Kammer auch nicht vor, die Frage der Verwertbarkeit noch im Verfahren zu entscheiden. Eine derartige Frage könne grundsätzlich auch der Endentscheidung vorbehalten bleiben, so die Kammer. Und so kam es erneut, dass der später erschienene Zeuge, ein Beamter des Zollfahndungsamts, – wie seine Vorgänger auch – nicht zum Verhältnis zwischen G. und R. aussagen durfte. Seine Aussage hielt er dann auch sehr kurz.
Doch mehr als technische Beteiligung?
Nach dem Rechtsgespräch wurde es beim Frage-Antwort-Spiel mit Schmidt aber nochmal interessant. In seinem Geständnis am Montag gab Schmidt an, nur die technische Umsetzung des Onlineshops übernommen, mit dem Beschaffen, Verpacken und Versenden der Drogen aber nichts zu tun gehabt zu haben. Die Kammer hielt ihm am sechsten Verhandlungstag dagegen eine vermeintlich von ihm stammende Nachricht vor, die dies auf den ersten Anschein widerlegt.
Darin wies er Jens M. an, beim Abwiegen der bestellten Drogen mit den Grammzahlen ganz genau zu sein. Sie hätten "ja nichts zu verschenken". "Klingt nicht so ganz danach, als hätten Sie nichts mit der Verpackung zu tun gehabt", merkt Richter Harr an. Schmidt versuchte es mit einer Erklärung: Durch die Erfahrung mit dem Versenden von Drogen aus Shiny-Flakes-Zeiten habe er den einen oder anderen Tipp geben können. Und das sei ja Teil des Erklärens gewesen, womit er wohl die am Montag beschriebenen, von ihm erstellten Arbeitsvorlagen meint.
Bekannt wird auch, dass er einen Teil des erwirtschafteten und in Magdeburg abgeholten Geldes selbst behielt. Schmidt verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass man ja etwa 40.000 Euro in bar bei der Durchsuchung seiner Wohnung gefunden habe.
Autohandel-Anstellung für faktisches Nichtstun
Richtig schwammig wurde es dann bei der Frage der Staatsanwaltschaft, was Schmidt denn genau bei dem Autohandel gemacht habe. Am dritten Verhandlungstag war bekanntgeworden, dass er dort angestellt gewesen sein soll. Schmidt tänzelte um die Frage herum: Er sei offiziell dort angestellt gewesen, aber wirklich feste Arbeitszeiten habe er nicht gehabt. Er habe "manchmal Autos mit verkauft", aber auch nicht immer, und wenn was mit dem Drucker gewesen sei, dann habe er sich darum gekümmert. Oder er habe Dinge erklärt. Schlau wurde man daraus nicht wirklich. So fragte sich auch der Staatsanwalt, warum er denn dort angestellt gewesen sei, wenn er faktisch nichts gemacht habe.
Möglicherweise bringt die Einlassung des Angeklagten G. mehr Klarheit. Diese wurde für den nächsten Verhandlungstermin am 9. März 2023 angekündigt.
Klärendes Rechtsgespräch im Candylove-Prozess: . In: Legal Tribune Online, 02.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51207 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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