Behörden dürfen ihre Informationen zu Missständen in der Tierschlachtung auch dann herausgeben, wenn sie Abweichungen gegen gesetzliche Vorschriften nicht per Verwaltungsakt festgestellt haben, so das BVerwG.
Was darf ich als Verbraucher von einer Behörde über einen Tierschlachterbetrieb erfahren? Und wann erhalte ich Zugang zu Behördendokumenten über festgestellte und nicht zulässige Abweichungen von Lebensmittel- und Futterrecht? Am Donnerstag beschäftigte sich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig mit einer grundsätzlichen Frage des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) (Urt. v. 29.09.2019, Az. 7 C 29.17).
Geklagt hat ein Betrieb, der in Bayern Geflügel schlachtet und verarbeitet. Eine Privatperson hatte versucht per Antrag nach dem VIG beim zuständigen Landratsamt Informationen zu dem Betrieb zu bekommen. Die Behörde entschied, dass der Verbraucher einen Anspruch auf die Informationen habe, die ihr zu dem Betrieb und insbesondere zu dort durchgeführten Kontrollen vorliegen.
Dagegen wehrte sich der Geflügelbetrieb. Seine Vertreter argumentierten zunächst, der Antrag sei rechtsmissbräuchlich, weil er aus sachfremden Motiven gestellt worden sei. Der Antragsteller schiebe lediglich vor, die Informationen als Verbraucher zu benötigen. In Wirklichkeit wolle der Beigeladene die Informationen an eine Tierschutzorganisation weiterleiten, deren Ziel es sei, die Klägerin im Internet schlecht zu machen.
Diese Einwände hatten bereits die Vorinstanzen ausgeräumt. 2015 lehnte das Verwaltungsgericht (VG) Regensburg die Klage als unbegründet ab, es hatte zudem auch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des VIG. Die Berufung der Klägerin wies der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München 2017 als unbegründet ab.
Anspruch auf Informationen unabhängig von Verwaltungsakt
Die Klägerin argumentierte, das VIG gewähre nur den Zugang zu produktbezogenen Informationen, nicht jedoch zu allgemeinen Informationen, zum Beispiel über Hygiene im Betrieb. Auch würden beim Landratsamt keine Informationen über "nicht zulässige Abweichungen" von lebensmittelrechtlichen Anforderungen vorliegen. Denn bloße sich in den Akten befindliche Hinweise und Belehrungen seien Dritten nicht zugänglich zu machen. Die Behörde dürfte solche Informationen über Abweichungen von gesetzlichen Vorschriften nur dann herausgeben, wenn sie durch Verwaltungsakt festgestellt worden sind. Das würde eine klare Einschränkung der Reichweite des Auskunftsanspruchs nach dem VIG darstellen. Was die Behörde nicht per Verwaltungsakt festgestellt hat, bleibt dem Verbraucher in jedem Fall verborgen.
Dem hat das BVerwG mit seiner Entscheidung von Donnerstag allerdings eine Absage erteilt, und die Revision des Betriebs zurückgewiesen. Zum einen sei der Zugangsanspruch des Verbrauchers nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG nicht auf produktbezogene Informationen beschränkt. Zum anderen komme es nicht darauf an, ob die unzulässigen Abweichungen durch Verwaltungsakt festgestellt worden sind. "Ausreichend ist, dass die zuständige Behörde die Abweichung unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt hat", heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. Dagegen bestünden auch keine verfassungs- oder unionsrechtlichen Bedenken.
Das VIG gilt seit 2008. Ähnlich wie bei einem Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und dem Umweltinformationsgesetz (UIG) soll das Gesetz es dem einzelnen Bürger erleichtern, an Informationen zu kommen, die dem Staat vorliegen und die für das Leben des Bürgers relevant sein könnten. Die Schwelle um einen solchen Anspruch geltend zu machen sind niedrig ausgestaltet, so kann "jedermann" Zugang zu Informationen verlangen. Auf der anderen Seite werden Belange Dritter wie etwa Geschäftsgeheimnisse betroffener Unternehmen durch Ausschlussgründe im Gesetz geschützt. Wie Anspruch und Gegeninteresse in Ausgleich zu bringen sind, beschäftigt immer wieder die Gerichte.
Die Frage nach der Richtigkeit der staatlichen Informationen
Ein weiterer spannender Aspekt, wurde vor dem BVerwG nicht weiter vertieft, obwohl er in den Vorinstanzen eine zentrale Rolle einnahm. Das BVerwG ließ die Revision, die der VGH München zunächst ausgeschlossen hatte, nur hinsichtlich der beiden Fragen um den § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
In den Vorinstanzen war es daneben auch um die Frage gegangen, ob die auskunftspflichtige Behörde, die herauszugebenden Daten auf ihre Richtigkeit prüfen muss. In § 6 Abs. 3 des VIG heißt es dazu: "Die informationspflichtige Stelle ist nicht verpflichtet, die inhaltliche Richtigkeit der Informationen zu überprüfen, soweit es sich nicht um personenbezogene Daten handelt." Als ein Korrekturmoment enthält der Absatz noch einen Satz 2: "Der informationspflichtigen Stelle bekannte Hinweise auf Zweifel an der Richtigkeit sind mitzuteilen."
Die Klägerin hatte sich auf das verfassungsrechtlich verankerte Rechtsstaatsprinzip gestützt. Daraus soll sich ergeben, dass die Behörde die Informationen genauer prüfen müsse. Dieser Auffassung hatte aber bereits der VGH München mit deutlichen Worten eine Absage erteilt. Zwar sei die "Richtigkeit" der Information nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 GG eine verfassungsrechtliche Grundvoraussetzung aktiver staatlicher Informationstätigkeit. Und sobald sich eine Information nachträglich als unrichtig erweise, sei der Staat von Verfassungs wegen zur Berichtigung verpflichtet.
Allerdings gelte dieser strenge Maßstab für das aktive staatliche Informationshandeln – also etwa für staatliche Warnungen der Bevölkerung vor gefährlichen Produkten. Diese Vorgaben ließen sich nicht auf die auf Informationen übertragen, die erst auf Antrag an einen einzelnen Antragsteller herausgegeben werden. Breitenwirkung könnten die erst dann entfalten, wenn sie weiter veröffentlicht werden.
Das VIG enthalte mit § 6 Abs. 4 eine Pflicht zur nachträglichen Richtigstellung, falls sich die Information als unrichtig herausstellt, so der VGH. Im Übrigen könne sich ein Betroffener auch zivilrechtlich gegen die Verbreitung falscher Informationen wehren. Alles in allem stelle das VIG einen angemessenen Ausgleich zwischen den verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen der Unternehmen und den Verbraucherinteressen von Verfassungsrang dar.
Bereits 2015 hat sich das BVerwG mit den Anforderungen an die Richtigkeit der herauszugebenden Informationen beschäftigt, damals hatte es keine Bedenken, dass das VIG die Behörde von einer Richtigkeitsprüfung freistellt. Mit seiner Entscheidung von Donnerstag erstreckt es den Informationsanspruch der Verbraucher auch auf Prüfungsergebnisse im Vorstadium zu einem Verwaltungsakt. In Sachen Fehlerrisiko bleibt für die Behörden aber alles beim Alten.
BVerwG zu Informationsanspruch für Verbraucher: . In: Legal Tribune Online, 30.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37343 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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