Überraschend legte das BVerfG die deutsche Gesetzgebung zum europäischen Einheitspatent auf Eis. Der eigentliche Grund für das Verfahren dürften allerdings nur indirekt die neuen Regelungen sein, erklärt Paetrick Sakowski die Hintergründe.
Lang und steinig war der bisherige Weg zum europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung (nachfolgend: europäisches Einheitspatent) samt zugehörigem Gericht. Bereits seit den fünfziger Jahren gibt es Überlegungen, konkurrierende Modelle und zähe Verhandlungen unter den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) und später der Europäischen Union (EU) zu vermeiden. Die Das Sprachregime, die Verteilung der Gebühren unter den Mitgliedsstaaten sowie die Vereinbarkeit mit Unionsrecht waren nur einige der zu lösenden Dauerstreitfragen.
Im Jahr 2009 erteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Rechtsgutachten der vorgeschlagenen Ausgestaltung des einheitliche Patentgerichts und der Beteiligung von Drittstaaten dann eine Absage. Der nachfolgend beschrittene Weg schien dafür endlich zum Durchbruch zu führen: Im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit nach Art. 20 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) unterzeichneten im Jahr 2013 25 Mitgliedsstaaten das Übereinkommen zum einheitlichen Patentgericht.
Eine Klage Spaniens vor dem EuGH gegen das neue System scheiterte und selbst der Brexit, der zunächst das Ende des Projekts befürchten ließ, scheint heute nur eine Verzögerung, aber keinen Abgesang des großen Vorhabens mehr zu bedeuten. Die Umsetzungsgesetzgebung in den teilnehmenden Mitgliedsstaaten ist mittlerweile weit vorangeschritten. Es fehlen für den Start des neuen Systems nur noch die Ratifikationen des Vereinigten Königreichs und Deutschlands.
Gerade in Deutschland, das sich als wichtiges Patentland stets für das europäische Einheitspatent eingesetzt hatte, rechnete man mit keinen größeren Hindernissen mehr. Zumindest dann nicht, wenn das Vereinigte Königreich nach der Verspätung durch die vorzeitig angesetzten Unterhauswahlen die Ratifikation vornimmt.
Der Stein des Anstoßes: Das Europäische Patentamt
Nun ist seit einigen Tagen ist bekannt, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) den Bundespräsidenten gebeten hat, die bereits vom Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Umsetzungsgesetze nicht auszufertigen. Hintergrund ist, dass das BVerfG so ausreichend Zeit hat, einen gegen die Gesetze anhängigen Eilantrag ausreichend zu prüfen. In gleicher Weise verfuhr das BVerfG zum Beispiel bei den Eilanträgen gegen die Gesetze zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und zum Fiskalvertrag.
Gegenstand der aktuell anhängigen Verfassungsbeschwerde und des entsprechenden Eilantrags dürften Bedenken gegen die Rechtsstaatlichkeit der Verfahren vor dem Europäischen Patentamt (EPA) sein, das auch für die Erteilung der europäischen Einheitspatente und hiergegen eingelegte Einsprüche zuständig sein wird. Indem die EU-Verordnungen zum europäischen Einheitspatent, das Übereinkommen über das einheitliche Patentgericht und die deutschen Ausführungsgesetze an die Organisation des EPA anknüpfen, setzen sie sich derselben verfassungsrechtlichen Kritik aus, die bereits Gegenstand mehrerer Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen des EPA ist. Von diesen werden noch in diesem Jahr vier vor dem BVerfG verhandelt werden.
Dass das EPA als seit Jahrzehnten funktionierende supranationale Einrichtung nicht mit den Grundsätzen des Grundgesetzes vereinbar sein und seine Entscheidungen daher Grundrechte verletzen sollen, mag zunächst erstaunen. Prof. Siegried Broß, ehemaliger Verfassungsrichter und im Jahr 2010 selbst noch an einer Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidung des EPA beteiligt (Az. 2 BvR 2253/06), vertritt diese Kritik prominent.
BVerfG stoppt Einheitspatent: . In: Legal Tribune Online, 16.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23205 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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