BVerfG bestätigt Demo-Verbot in Dortmund: Der Rechtsstaat nimmt die Rechten in die Zange

von Dr. jur. Alfred Scheidler

31.08.2012

Es ist noch nicht lange her, schon zeigt das Verbot der rechten Gruppierung "Nationaler Widerstand Dortmund" Wirkung: Die für Freitag und Samstag geplanten Demos der Rechten im Herzen des Ruhrgebiets dürfen nicht stattfinden. Das bestätigte nicht nur das OVG Münster, sondern am Freitag auch das BVerfG. Alfred Scheidler über neue Perspektiven im Umgang mit rechten Versammlungen.

Seit 2005 treffen sich Neonazis alljährlich Anfang September – in zeitlicher Nähe zum Jahrestag von Hitlers Überfall auf Polen – in Dortmund zu einem "Nationalen Antikriegstag". Was nach Protest für den Frieden klingt, ist in Wirklichkeit eine Verherrlichung des Zweiten Weltkriegs, nationalsozialistisches Gedankengut wird verbreitet.

Trotzdem hat das Bundesverfassungsgericht in den vergangenen Jahren in schöner Regelmäßigkeit die von der Dortmunder Polizei jeweils verbotenen rechtsextremen Demos immer wieder erlaubt (siehe etwa BVerfG, einstweilige Anordnung v. 04.09.2010, Az. 1 BvR 2298/10).

In ständiger Rechtsprechung vertreten die höchsten deutschen Richter nämlich die Auffassung, dass nicht schon die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen als solche die Grenze der freien politischen Auseinandersetzung bilde, sondern erst eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung (siehe etwa BVerfG, Beschl. v. 04.11.2009, Az. 1 BvR 2150/08). Bloße Verdachtsmomente und Vermutungen, dass es auf einer Demo der Rechten zu Gewalttätigkeiten komme, lässt Karlsruhe nicht für ein Versammlungsverbot genügen. Im Jahr 2012 aber ist nun alles anders, am Freitag bestätigte das BVerfG nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa die Eilentscheidung des OVG Münster (OVG, Beschl. v. 30.08.2012, Az. 5 B 1025/12), die Versammlung zu verbieten (BVerfG, Beschl. v. 31.08.2012, Az. 1 BvR 1840/12 – noch nicht veröffentlicht).

Das Vereinsverbot als Grundlage für Versammlungsverbot

Bei der auch für dieses Jahr geplanten Demo der Rechten ist die Ausgangssituation nämlich eine andere: Mit Verfügung vom 10. August 2012 hat das nordrhein-westfälische Innenministerium, gestützt auf § 3 des Vereinsgesetzes (VereinsG), die rechte Gruppierung "Nationaler Widerstand Dortmund" verboten und die sofortige Vollziehung dieses Verbots angeordnet.

Für die nun angekündigten Demos der Rechten an diesem Wochenende war das Polizeipräsidium Dortmund als zuständige Versammlungsbehörde daher nicht mehr nur auf bloße Mutmaßungen angewiesen, dass es zu Straftaten komme. Die Beamten konnten vielmehr konkret bevorstehende Straftaten benennen, nämlich Zuwiderhandlungen gegen das Vereinsverbot, strafbar gemäß § 20 VereinsG. Bevorstehende Straftaten gefährden die öffentliche Sicherheit und können daher ein Versammlungsverbot nach § 15 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes (VersG) rechtfertigen.

Alle Instanzen haben das Verbot, das schon das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in seiner Eilentscheidung vom vergangenen Mittwoch für rechtens erklärt hatte (Beschl. v. 29.08.2012, Az. 14 L 1048/12), bestätigt, auch ein Trick half den Rechten nicht weiter.

Veranstalter der Versammlung war nämlich nicht der – verbotene - "Nationale Widerstand Dortmund", sondern ein Führungsmitglied dieser Vereinigung, das angeblich  nicht für den Verein, sondern als Privatperson auftrat. Das OVG Münster ließ diesen Einwand nicht gelten. Die nordrhein-westfälischen Richter stellten darauf ab, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt werde, es handle sich unmittelbar um eine Veranstaltung der verbotenen Vereinigung oder jedenfalls zu deren Gunsten. Dies auch deshalb, weil die Versammlungen seit Jahren jeweils von Führungsmitgliedern der verbotenen Vereinigung organisiert und auf Internetportalen, Flyern und Plakaten beworben worden seien.

Nachdem auch das BVerfG diese Entscheidung jedenfalls im Ergebnis bestätigt hat, könnte die nordrhein-westfälische Lösung Modellcharakter bekommen. Geplante Versammlungen Rechtsextremer könnten mithilfe eines Vereinsverbot verhindert werden.

Der Autor Dr. Alfred Scheidler ist Oberregierungsrat in Neustadt an der Waldnaab und Autor zahlreicher Publikationen zum öffentlichen Recht, u. a. zum Versammlungsrecht.

Zitiervorschlag

Alfred Scheidler, BVerfG bestätigt Demo-Verbot in Dortmund: . In: Legal Tribune Online, 31.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6976 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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