Wer sich als Prominenter im öffentlichen Raum bewegt, muss mit Berichterstattung leben. Das erfuhr jetzt Jörg Kachelmann vor dem BVerfG. In Innenhöfen sieht das anders aus. Martin. W. Huff erklärt die Beschlüsse.
Das Bild eines prominenten Angeklagten, fotografiert auf der Straße auf dem Weg zu seiner Verteidigerin, darf veröffentlicht werden, Bilder aus dem Innenhof der Kanzlei dagegen nicht, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden (Beschl. v. 09.02.2017, Az. 1 BvR 967/15 u. 1 BvR 2897/14 verbunden mit 790/15). Wieder einmal ging es in den Verfahren um Klagen von Jörg Kachelmann und die Berichterstattung rund um den Strafprozess wegen des Vorwurfs u.a. der Vergewaltigung.
Knapp sechs Jahre sind seit dem Freispruch des Wettermoderators vor dem Landgericht Mannheim inzwischen vergangen – doch die Auseinandersetzungen rund um das Verfahren dauern fort. Neben Schadenersatzklagen des Moderators gegen seine ehemalige Geliebte ist er auch flächendeckend gegen die Medien vorgegangen und hat versucht, bestimmte Bild- und Wortberichterstattungen zu untersagen. So wandte er sich auch gegen die Bildberichterstattung diverser Medien aus dem Hause Springer – mal mit dem Ziel der Unterlassung, mal klagte er auf Schadensersatz.
Differenzierter als die Zivilgerichte
Das BVerfG hatte sich mit dem Fall zu befassen, weil Springer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberlandesgericht (OLG) Köln eingelegt hatte. Das Gericht hatte der Bild-Zeitung bzw. Bild.de die Veröffentlichung eines Bildes untersagt, das ihn das ihn wenige Meter vom Eingang der Kanzlei seiner Verteidigerin entfernt auf dem Gehweg zeigt. Ebenfalls untersagt wurden zwei Bilder, auf denen Kachelmann im Innenhof der Kanzlei seiner Verteidigerin abgelichtet war. Dies geschah mit dem Argument, die Berichterstattung habe insbesondere unterhaltenden Charakter und die Bilder zeigten den Moderator auch in seiner Privatsphäre.
Der Springer-Konzern sah seine Pressefreiheit beeinträchtigt und legte in allen Fällen Verfassungsbeschwerde ein. Und erreichte bei der 3. Kammer des Ersten Senats eine differenzierte Entscheidung: Die Verfassungsbeschwerde gegen die untersagte Veröffentlichung des Bildes auf der Straße hatte Erfolg (1 BvR 967/15), die andere dagegen nicht.
Straßenbild-Verbot eindeutig Verfassungsverstoß
Die drei Richter - Berichterstatter in diesen Verfahren ist der Verfassungsrichter Johannes Masing - sehen in der Unterlassungsverpflichtung des Straßenbilds einen eindeutigen Verfassungsverstoß. Sie stellen klar, dass es bei der Bildberichterstattung seit der sogenannten Caroline-Rechtsprechung ein abgestuftes Schutzkonzept für die Berichterstattung über Ereignisse der Zeitgeschichte gibt, §§ 22, 23 Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KUG). Wer sich im Rahmen eines solchen Ereignisses in der Sozialsphäre bewegt, ist deutlich weniger schützenswert als dies in der Privatsphäre oder sogar der Intimsphäre der Fall ist.
Die Verfassungsrichter widersprechen sehr deutlich der Auffassung der Vorinstanzen, dass es sich bei dem Bild auf der Straße um ein Bild aus der Privatsphäre handelt. Die vom Landgericht (LG) angenommene "Vorstufe" zur Privatsphäre, die in der Kanzlei sicherlich gegeben ist, lehnen die Richter in Bezug auf das Straßenbild ab. Es handele sich um ein Bild aus der Sozialsphäre.
"Der Kläger befand sich vielmehr in einem öffentlichen Bereich und konnte aufgrund der Gesamtumstände – des Strafverfahrens gegen ihn und der Tatsache, dass ein weiterer Prozesstag bevorstand – nicht ausschließen, dass er dort wahrgenommen wird", teilten die Karlsruher Richter mit. Auch das geschützte Verteidigergespräch sei nicht berührt.
2/2: Informationswert beurteilen die Medien
Das BVerfG folgt auch nicht der bei vielen Instanzen beliebten Argumentation, es habe sich um eine banale Berichterstattung ohne Informationswert gehandelt. Dies zu bewerten sei nicht Aufgabe der Gerichte, sondern obliege den Medien selber. "Auch die Normalität des Alltagslebens oder in keiner Weise anstößige Handlungsweisen prominenter Personen dürfen der Öffentlichkeit vor Augen geführt werden, wenn dies der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinen Interessen dienen kann", formulieren die Richter.
Da das Bild zulässig in der Sozialsphäre entstanden sei und ein Berichterstattungsinteresse bestanden hätte, verletzten die Entscheidungen die Rechte der Medien aus Art. 5 Grundgesetz (GG). Die Pressekammer des LG Köln muss jetzt erneut entscheiden. Wie diese Entscheidung ausfällt, kann man sich nach der Begründung aus Karlsruhe denken.
Innenhof der Kanzlei geschützter Raum
Erfolglos blieb die Beschwerde im zweiten Fall: Die Bilder stammten aus der geschützten Privatsphäre, nämlich aus dem normalen Blicken nicht zugänglichen Innenhof der Kanzlei. Damit lag eine Verletzung der §§ 22, 23 KUG vor. Ein solches Bild dürfe nicht verwendet werden, denn an dem Bildinhalt habe es kein besonderes, auf das Bild bezogenes Berichterstattungsinteresse gegeben, entschieden die Richter.
Insgesamt sind beide Beschlüsse zu begrüßen, sie schreiben die medienfreundliche Linie des BVerfG fort, zeigen aber auch die Grenzen auf. Wer sich als Prominenter im Rahmen eines Ereignisses der Zeitgeschichte im öffentlichen Raum bewegt, muss damit rechnen, dass Bilder angefertigt und auch in dem entsprechenden Kontext des Ereignisses für eine Berichterstattung verwendet werden.
Dies liegt eigentlich auch auf der Linie der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH), der z.B. bei einem Kündigungsschutzprozess eines Chefarztes oder der Berichterstattung über die nicht mehr wiedergewählte Ministerpräsidentin Heide Simons immer in diese Richtung entschieden hatte. Warum dies hier nicht der Fall war, sondern die Revision nicht angenommen worden war, ist schwer nachzuvollziehen.
Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LLR in Köln und befasst sich, auch in der Ausbildung von Pressesprechern, seit Langem mit medienrechtlichen Fragen.
Martin W. Huff, BVerfG zu Veröffentlichung von Kachelmann-Fotos: Banalität im öffentlichen Interesse . In: Legal Tribune Online, 15.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22380/ (abgerufen am: 19.07.2024 )
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