2/2: Zu klein und gleichzeitig zu groß
Als provisorische Lösung wollen die Abgeordneten am Donnerstag einen Hauptausschuss einrichten, der alle Ausschussaufgaben übernehmen soll. Diesem Superausschuss, der bis zur Bildung einer neuen Regierung tagen soll, werden vierzig Abgeordnete angehören. Ihre Aufgaben werden vielfältig sein: die vom Bundesrat eingebrachte Gesetzesvorlage zu Steuerfragen beraten, die Verlängerung von Bundeswehrmandaten diskutieren und endlich liegen gebliebene Petitionen bescheiden.
Nur: Der Hauptausschuss darf einige dieser Aufgaben nicht wahrnehmen, andere kann er nicht sinnvoll bewältigen und auch die Rechte der Abgeordneten werden möglicherweise verletzt.
Denn das Grundgesetz schreibt eben die Bildung bestimmter Ausschüsse vor, die sich auf die ihnen zugewiesenen Aufgaben spezialisieren. Der Hauptausschuss darf deren Aufgaben nicht übernehmen.
Und auch in den Fällen, in denen die Verfassung schweigt, hat Spezialisierung ihren Sinn. Die Aufgaben des Bundestages sind so vielfältig, dass sie innerhalb der zuständigen Ausschüsse von den Fachpolitikern der Fraktionen wahrgenommen werden. Ein Ausschuss von vierzig Mitgliedern kann nicht für alle Aufgaben die notwendige Sachkompetenz aus allen Fraktionen bündeln. Dafür ist er zu klein. In anderer Hinsicht ist er zu groß, denn in einem vierzig Personen starken Gremium leidet die Intensität der Beratungen.
90 Prozent der Abgeordneten von der Ausschussarbeit ausgeschlossen
Zudem hat das Bundesverfassungsgericht in der "Wüppesahl-Entscheidung" das Recht aller Abgeordneten bekräftigt, in gleicher Weise an der Arbeit des Parlaments mitzuwirken (Urt. v. 13.06.1989, Az. 2 BvE 1/88). Da diese Arbeit zu wesentlichen Teilen in den Ausschüssen stattfindet, billigte das Gericht jedem Abgeordneten das Recht zu, in einem Ausschuss zu sitzen.
Zwar ließen die Richter die Möglichkeit offen, von diesem Recht Abstriche zu machen, wenn die Funktionsfähigkeit des Bundestages dies erfordere. Gegenwärtig geht es aber nicht um die Funktionsfähigkeit des Parlaments, sondern nur um die der Koalitionsverhandlungen.
Allerdings kann man aus dem Recht der Abgeordneten auf gleiche Teilhabe an der Arbeit des Bundestags nicht ohne weiteres ein Recht auf Schaffung von Ausschussplätzen ableiten für den Fall, dass nach Beschlusslage des Parlaments nicht genügend Ausschussplätze für alle Parlamentsmitglieder zur Verfügung stehen. Über 90 Prozent der Abgeordneten von der Ausschussarbeit auszuschließen, wie es mit der Einrichtung eines einzigen Hauptausschusses geschieht, ist aber kaum zu rechtfertigen. Nur die kurze Dauer, für die der Hauptausschuss geplant ist, macht die Beeinträchtigung der Abgeordnetenrechte eventuell noch hinnehmbar. Aber hier befinden wir uns, um mit der Kanzlerin zu sprechen, auf Neuland. Dieses verminte Gelände sollte der Bundestag nicht betreten, sondern seine regulären Ausschüsse einrichten.
Der Autor Dr. Sebastian Roßner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Rechtstheorie und Rechtssoziologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Sebastian Roßner, Hauptausschuss: . In: Legal Tribune Online, 27.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10172 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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