Die Bundesregierung hat den Entwurf zur Reform des Bauvertragsrechts Anfang März beschlossen, doch der Bundesrat meldet Änderungswünsche an. Wird eine Einigung nicht bald erzielt, hängt das Schicksal des Entwurfs vom nächsten Wahlergebnis ab.
Nachdem die Bundesregierung am 2. März 2016 den Entwurf des Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung beschlossen hat, liegt nun die Stellungnahme des Bundesrats vom 22. April 2016 hierzu vor.
Momentan beinhaltet der Gesetzesentwurf zwei Regelungskomplexe, das Bauvertragsrecht und die kaufrechtliche Mangelhaftung. Nach der Empfehlung des Bundesrates sollen die beiden Bereiche nun entkoppelt werden, um den im Koalitionsvertrag enthaltenen verbesserten Gewährleistungsanspruch im Kaufrecht noch in dieser Legislaturperiode umsetzen zu können. Die vorgebrachten Änderungsvorschläge zum neuen Bauvertragsrecht ließen anderenfalls eine Verzögerung des gesamten Gesetzgebungsverfahrens befürchten.
Der Bundesrat empfiehlt vor allem Modifikationen beim Anordnungsrecht des Bauherren. Darüber hinaus schlägt er auch eine weitere Stärkung der Verbraucherrechte in Bauverträgen sowie Kündigungsfolgen und Zustandsfeststellungen für sämtliche Werkverträge vor:
Klärungsbedarf bei den Voraussetzungen des neuen Anordnungsrechts
Entgegen der Anregung des Wirtschaftsausschusses plädiert der Bundesrat nicht für eine vollständige Streichung des im Regierungsentwurf vorgesehenen Anordnungsrechts für Bauherren, sondern empfiehlt lediglich gewisse Modifikationen.
So sollen Änderungsanordnungen zur Erreichung des Werkerfolgs nicht mehr erforderlich, sondern nur noch dienlich sein und somit für den Bauherrn leichter belegbar werden. Ein zweiter Stellplatz mag zwar für ein Einfamilienhaus dienlich sein, aber wohl nicht zwingend erforderlich. Anderseits soll der Bauunternehmer Änderungen des Werkerfolgs, also beispielsweise die Aufstockung zu einem Zweifamilienhaus, leichter abwehren dürfen. Die im Regierungsentwurf vorgesehene Begrenzung des Anordnungsrechts erst im Falle der Unzumutbarkeit bedarf nach Ansicht des Bundesrates der Überarbeitung, denn sie belaste die Bauunternehmer unangemessen.
Außerdem sollen die bewährten Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B (VOB/B) zum Anordnungsrecht insgesamt und nicht nur hinsichtlich der Vergütungsfolgen einer Anordnung der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle entzogen werden. Hierdurch sollen AGB-Streitigkeiten außerhalb von Verbraucherverträgen vermieden werden, denn die VOB/B schränkt den in diesem Bereich weitergehenden Regierungsentwurf wieder ein. Nach der VOB/B steht dem Bauherrn ein Anordnungsrecht etwa nur insoweit zu, als der Betrieb des Bauunternehmers auch auf die zusätzlichen Leistungen eingerichtet ist. Im Regierungsentwurf ist eine solche Einschränkung nicht enthalten. Ohne die vorgeschlagene Ausnahme des Anordnungsrechts von der AGB-Kontrolle bestünde daher zunächst Rechtsunsicherheit, die Klärung der Frage bliebe langwierigen Klageverfahren vorbehalten. Ein Ausschluss von der AGB-Kontrolle wird vom Bundesrat zudem auch für die Regelungen der VOB/B zu Abschlagszahlungen empfohlen.
Eine weitere Anregung des Bundesrats betrifft die Voraussetzungen, unter denen dem Bauherren ein Anordnungsrecht zusteht. Nach dem Regierungsentwurf setzt dies das Scheitern der Verhandlungen über eine Leistungsänderung voraus. Der Bundesrat regt nun an, solche Verhandlungen spätestens nach 30 Tagen als gescheitert zu bewerten, um Verzögerungen im Bauablauf zu vermindern. Aus Beweisgründen soll die Änderungsanordnung überdies schriftlich oder zumindest in Textform erfolgen müssen.
Unzureichende Regelungen zur Sachverständigenbeteiligung
Bei Streitigkeiten über die Vergütung von Leistungsänderungen während der Bauzeit sieht der Regierungsentwurf die Beteiligung von Sachverständigen vor. Nach dem Bundesrat sollen in diesem Fall öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige hinzugezogen werden, wie sie üblicherweise auch in Gerichtsverfahren eingesetzt werden. Zudem wird kritisiert, dass im Regierungsentwurf erforderliche Regelungen u. a. zur Auswahl des Sachverständigen, zur Vergütung des Sachverständigen, zu den Mitwirkungspflichten der Parteien bei der Begutachtung und zur Entbehrlichkeit eines Sachverständigen fehlen.
Auch wird angeregt, dass bei einer ausbleibenden Einigung im einstweiligen Rechtsschutz mitentschieden wird, welche Partei die Kosten des Sachverständigen zu tragen hat. Der Regierungsentwurf sieht insoweit unabhängig vom Verfahrensausgang stets eine Kostenteilung vor.
Der Bauunternehmer soll zudem berechtigt werden, die Verpflichtung des Auftraggebers zur Zahlung von Abschlagszahlungen im einstweiligen Verfahren titulieren zu lassen. Dem Bauherrn bliebe dann die Möglichkeit der Rückforderung von Überzahlungen nach einer im Hauptverfahren korrigierten Schlussabrechnung.
Weitere Stärkung der Verbraucherrechte
Der Bundesrat schlägt vor, die gesetzlichen Mängelrechte bei Verbraucherbauverträgen verbindlich vorzuschreiben, wie dies im Kaufrecht bereits der Fall ist. Vertragliche Abweichungen von der Gesetzeslage zu Lasten der Verbraucher wären dann auch bei Bauverträgen nicht mehr möglich.
Außerdem soll die verbindliche Baubeschreibung auch Vergütungsgrundlagen des Bauunternehmers beinhalten müssen, um insbesondere die Berechnung von Leistungsänderungen besser prüfen zu können. So sollen Baubeschreibungen auch den kalkulierten Zeitaufwand und Materialbedarf sowie die dafür veranschlagten Preise beinhalten. Außerdem sollen nicht nur die Baubeschreibungen, sondern Verbraucherbauverträge insgesamt der Textform unterliegen, damit der Vertragsinhalt für beide Parteien hinreichend dokumentiert ist.
Darüber hinaus wird für den Verbrauchervertrag eine gesetzliche Pflicht zur prüffähigen Schlussrechnung unverzüglichen nach Fertigstellung empfohlen, damit ein Bauvorhaben zügig abgerechnet werden kann.
Ergänzungen zum allgemeinen Werkvertragsrecht
Neben den baurechtspezifischen Änderungsvorschlägen befasst sich der Bundesrat auch mit dem vom Gesetzesentwurf vereinzelt erfassten allgemeinen Werkvertragsrecht.
Nach einer Kündigung des Bauherrn aus wichtigem Grund schlägt der Bundesrat vor, die Vergütungspflicht des Auftraggebers für bereits erbrachte Teilleistungen davon abhängig zu machen, ob und inwieweit der Auftraggeber ein Interesse an der bereits erbrachten Teilleistung hat. Sofern etwa der Bauvertrag nach Aushebung der Baugrube außerordentlich vom Bauherr gekündigt wird, soll die Vergütung der Baugrube davon abhängen, ob und inwieweit der Bauherr hieran noch Interesse hat. Der Regierungsentwurf sieht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung stets eine vollständige Vergütung der bis zur Kündigung aus wichtigem Grund erbrachten Leistung vor.
Die im Regierungsentwurf bislang nur für die Abnahme vorgesehene gemeinsame Feststellung des Leistungsstandes soll nach den Empfehlungen des Bundesrats im Interesse des Auftragnehmers auch dann verpflichtend sein, wenn der Auftraggeber während der Bauzeit Zahlungen infolge angeblicher Mängel einbehält.
Es bleibt abzuwarten, wie sich der Bundestag zu den Empfehlungen des Bundesrats in der bevorstehenden ersten Gesetzeslesung verhalten wird. Sollte es zu der angeregten Entkoppelung von Bauvertragsrecht und kaufrechtlicher Mängelhaftung kommen, würde das neue Bauvertragsrecht wohl nicht mehr in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden können. Sein Schicksal hinge dann entscheidend von den Wahlen ab.
Rechtsanwalt Dr. Oliver Kerpen ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht am Standort Köln der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle. Er berät deutsche und internationale Mandanten bei der Projektentwicklung, in gerichtlichen und schiedsgerichtlichen Auseinandersetzungen sowie bei Unternehmenstransaktionen in der Baubranche.
Bundesrat fordert Nachbesserungen: . In: Legal Tribune Online, 28.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19242 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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