Kabinett beschließt Gesetzentwurf: So sieht die Bundes-Corona-Not­b­remse aus

von Dr. Christian Rath

13.04.2021

Was steht im Gesetzentwurf? Wie schnell geht er durch den Bundestag? Und welche Auswirkungen hat das auf Rechtsschutz für die Betroffenen? Ein Überblick zur Bundesnotbremse.

Die Bundesregierung hat an diesem Dienstag den Gesetzentwurf für eine Bundes-Notbremse beschlossen. Wegen des Widerstands von AfD, FDP und Linken kann sie aber noch nicht in dieser Woche in Kraft treten, sondern frühestens Ende nächster Woche.

Der Gesetzentwurf wird als viertes Bevölkerungsschutzgesetz bezeichnet. Formal ist er eine Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD, die den Entwurf sofort in den Bundestag einbringen sollen. Die Bundes-Notbremse soll mit einem neuen § 28b ins Infektionsschutzgesetz (IfSG) eingefügt werden.

Zentraler Inhalt des Gesetzentwurfs: Öffentliches Leben und private Kontakte sollen verbindlich heruntergefahren werden, sobald in einem Landkreis der Inzidenzwert drei Tage lang über 100 (Neu-Ansteckungen pro 100.000 Einwohner/Woche) liegt.

Bisher galt die Notbremse nur als unverbindlicher Beschluss der Bund-Länder-Konferenz vom 3. März und wurde uneinheitlich oder gar nicht umgesetzt. Mit der geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes gälte die Notbremse künftig automatisch. Es wären keine weiteren Beschlüsse von Bund, Ländern oder Kommunen erforderlich.

Von der Ausgangssperre bis zum Sportverbot

Das sind die wichtigsten Maßnahmen der Notbremse laut dem geplanten § 28b IfSG:

- Ausgangssperre von 21 Uhr bis 5 Uhr (Ausnahme: "gewichtige und unabweisbare Gründe" wie medizinische Notfälle oder berufliche Tätigkeiten).

- Einzelhandel ist geschlossen (Ausnahmen u.a.: Lebensmittel, Bücher, Gartenbedarf)

- Gastronomie ist geschlossen (Ausnahme: Takeaway und Kantinen)

- Freizeit- und Kultureinrichtungen sind geschlossen.

- Sport ist untersagt (Ausnahmen: kontaktloser Individualsport allein oder zu zweit oder mit dem eigenen Haushalt sowie Profisport ohne Zuschauer)

- Busse und Züge fahren nur mit halber Passagierzahl

- Private Treffen nur im eigenen Haushalt plus eine Person und deren Kinder (Ausnahme: Demonstrationen und Gottesdienste).

Nach derzeitigem Stand würde die Notbremse in rund 300 von 412 Landkreisen und kreisfreien Städten gelten. Die Maßnahmen treten aber automatisch außer Kraft, sobald der Inzidenzwert im jeweiligen Kreis fünf Tage hintereinander unter 100 liegt.

Schulen und Kitas müssen erst schließen, wenn der Inzidenzwert über 200 steigt. Bis dahin sind für Schüler:innen und Lehrer:innen zwei Mal wöchentlich Corona-Tests vorgesehen. Dabei besteht Testpflicht. 

Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung

Zudem soll die Bundesregierung künftig gem. § 28b Abs. 6 IfSG für Fälle einer Inzidenz über 100 auch Verordnungen beschließen können, mit denen die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen verschärft oder abgeschwächt werden können. Auf Druck der SPD soll nicht nur der Bundesrat, sondern auch der Bundestag solchen Verordnungen zustimmen müssen.

Die Bundesregierung hält die massiven Eingriffe in die Grundrechte von Bürger:innen und Unternehmen laut Begründung für verhältnismäßig, weil sie nicht dauerhaft gelten sollen, sondern eine schnellst mögliche Rückkehr zu einem Zustand mit weniger Einschränkungen angestrebt wird. Verhältnismäßig seien die Maßnahmen auch wegen ihrer "Gesamtsignalwirkung".

Bürger:innen und Unternehmen, die gegen Notbremse-Maßnahmen verstoßen - zum Beispiel indem sie gegen eine Ausgangssperre verstoßen oder einen Laden trotz Verbots öffnen - begehen damit eine Ordnungswidrigkeit. Der Katalog in § 73 Abs. 1a IfSG wird entsprechend erweitert. Bei Verstößen drohen gem. § 17 Ordnungswidrigkeitengesetz (OwiG) Geldbußen von 5 bis 1.000 Euro.

Eingeschränkter Rechtsschutz

Große Auswirkungen hat die Bundes-Notbremse auf den Rechtsschutz der Betroffenen. Wer Maßnahmen wie die Ausgangssperre für unverhältnismäßig hält, kann gegen die gesetzliche Regelung nur noch per Verfassungsbeschwerde das Bundesverfassungsgericht anrufen. Eine Anrufung der Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe ist nicht mehr möglich, denn eine Normenkontrolle gem. § 47 VwGO, die gegen die Verordnungen der Landesregierungen möglich war, steht hier nicht zur Verfügung.

Sollte die Bundesregierung von ihrer Verordnungsermächtigung Gebrauch machen, wäre dennoch keine Normenkontrolle möglich, da es dieses Instrument im Land Berlin nicht gibt. Hier könnten sich Betroffene nur per Feststellungsklage an das Verwaltungsgericht Berlin wenden. Die Feststellung hätte dann aber nur Wirkung zwischen den Prozessbeteiligten (inter partes) und könnte nicht die Verordnung als Ganzes zu Fall bringen.

Der neue Notbremsen-Paragraph 28b IfSG soll nicht dauerhaft in Kraft bleiben. Wie der im November 2020 eingefügte § 28a ist er an das Bestehen einer "epidemischen Lage nationaler Tragweite" gebunden. Ob diese vorliegt, entscheidet gem. § 5 Abs. 1 IfSG der Bundestag. Er muss seit der letzten IfSG-Änderung im März mindestens alle drei Monate den Beschluss erneuern.

Wenn der Inzidenzwert unter 100 bleibt, sind weiterhin die Verordnungen der Landesregierungen gem. § 28a i.V.m. § 32 IfSG maßgeblich. Die Länder können unterhalb der 100er-Schwelle also weiterhin selbst entscheiden, welche Beschränkungen sie einführen und welche Lockerungen sie zulassen wollen. Unterhalb der Schwelle dürfte die Flexibilität der Länder sogar steigen, weil hier keine koordinierenden Bund-Länder-Konferenzen mehr vorgesehen sind.

AfD, FDP und Linke gegen Schnellverfahren im Bundestag

Ursprünglich strebte die Bundesregierung an, dieses Gesetz noch in dieser Woche durch Bundesrat und Bundestag zu bringen. Für die notwendigen Fristverkürzungen wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Abgeordneten erforderlich gewesen. Doch AfD, FDP und die Linke wollten dieses Eilverfahren nicht mittragen.

Vorgesehen ist nun folgendes Verfahren: Am Freitag wird im Bundestag die erste Lesung stattfinden. Ebenfalls am Freitag könnte es zu einer Experten-Anhörung im Gesundheitsausschuss kommen. Der federführende Gesundheitsausschuss würde dann am Montag in einer Sondersitzung seine Beschlussempfehlung treffen, so dass der Bundestag das Gesetz am Mittwoch nächster Woche beschließen könnte.

Nach wie vor geht die Bundesregierung davon aus, dass die Änderung des Infektionsschutzgesetzes keine Zustimmung des Bundesrats erfordert. Doch auch bei einem Einspruchgesetz muss der Bundesrat zu einer Sondersitzung zusammenkommen, was die Bundesregierung aber verlangen kann. Vermutlich werden die Länder aber noch die Zustimmungsbedürftigkeit durchsetzen. Dann gelten Enthaltungen als faktische Ablehnung, was nicht zuletzt den Grünen, die in elf Ländern mitregieren, doch noch starkes Gewicht geben würde.

Zitiervorschlag

Kabinett beschließt Gesetzentwurf: . In: Legal Tribune Online, 13.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44715 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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