BSG zum Anspruch auf medizinische Hilfsmittel: Dia­be­ti­ker müssen au­to­ma­ti­sche Blut­zu­cker­re­gu­lie­rung selbst be­zah­len

von Dr. Britta Wiegand

08.07.2015

Diabetiker müssen ihren Blutzuckerwert viele Male am Tag messen und bei Bedarf gegensteuern. Ein Gerät, welches dies automatisch übernimmt, müssen sie bis auf Weiteres selbst bezahlen. Das klingt kalt, ist aber konsequent, meint Britta Wiegand.

Diabetes mellitus ist eine Volkskrankheit. Es verwundert daher nicht, dass die Frage, unter welchen Voraussetzungen Hilfsmittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Zusammenhang mit dieser Krankheit beansprucht werden können, Gegenstand zahlreicher Verfahren vor den Sozialgerichten ist. Am Mittwoch hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass einem in der GKV versicherten Kleinkind kein Anspruch auf die Versorgung mit einem "Continuous Glucosemonitoring System" (CGMS) zusteht (Urt. v. 08.07.2015, Az, B 3 KR 5/14 R).

Nach der Entscheidung haben in der GKV Versicherte nur dann Anspruch auf Versorgung mit einem im Rahmen einer ärztlichen Behandlung eingesetzten Hilfsmittel, wenn bezüglich der Behandlungsmethode eine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vorliegt. Bei dem G-BA handelt es sich um ein aus Vertretern der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen zusammengesetztes Gremium.

Gerät ist präziser und weniger zeitaufwendig als manuelles Verfahren

Ein CGMS besteht unter anderem aus einem Glukosesensor der im Unterhautfettgewebe kontinuierlich den Glukosewert misst. Der Sensor übermittelt die Werte in der Regel an einen Real-Time-Transmitter, der die Glukosewerte per Funk an die Insulinpumpe sendet. Diese wiederum unterbricht bei einer drohenden Unterzuckerung (Hypoglykämie) automatisch die Insulingabe (meist temporär). Auf diese Weise bleibt es dem Patienten erspart, den Wert viele Male am Tag selbst zu ermitteln und dann Insulin zu spritzen.

Dass das BSG im Einklang mit den Vorinstanzen einen Anspruch der Klägerin gegen ihre Krankenkasse auf Erstattung der Kosten für das selbst beschaffte System abgelehnt hat, mag daher auf den ersten Blick nicht unbedingt dem Gerechtigkeitsempfinden entsprechen. Möglicherweise könnte mittels des CGMS das Abrutschen des Blutzuckerwertes in zu niedrige (oder hohe) Bereiche vermieden werden, welches das Kind andernfalls vielleicht nicht rechtzeitig erkennt. Juristisch betrachtet erweist sich die Entscheidung dennoch als konsequent und sachgerecht.

Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln

Ob die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Kosten hat, hängt davon ab, ob sie - hätte sie sich das CGMS nicht selbst beschafft - einen Anspruch auf die Versorgung mit einem solchen System gehabt hätte. Für in der GKV Versicherte sieht § 33 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) einen Anspruch auf die Versorgung mit Hilfsmitteln unter anderem dann vor, wenn diese im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern.

Zu den Hilfsmitteln zählen alle sächlichen medizinischen Leistungen (etwa Körperersatzstücke, Rollstühle) und damit auch die das CGMS bildenden Komponenten. Durch deren Einsatz soll der Erfolg der Krankenbehandlung durch eine rasche Reaktion auf drohende Unterzuckerungen und eine insgesamt verbesserte Blutzuckereinstellung gesichert werden. Würde es allein bei der Anwendung dieser Norm verbleiben, hätte die Klägerin also grundsätzlich einen Anspruch auf die Versorgung mit dem CGMS gegen ihre Krankenkasse gehabt.

Positive Empfehlung des G-BA bei Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis (HMV) notwendig

Das System der Hilfsmittel muss jedoch im Zusammenspiel mit anderen Normen, insbesondere § 135 Abs. 1 SGB V, betrachtet werden. Diese für das vertragsärztliche Leistungsrecht zentrale Regelung sieht für sogenannte neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden vor, dass diese im ambulanten Bereich nur dann erbracht werden dürfen, wenn der G-BA eine positive Empfehlung abgegeben hat. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass nur solche Methoden in der vertragsärztlichen Versorgung zur Anwendung gelangen, die im Hinblick auf ihre Qualität und Wirksamkeit geprüft wurden.

Das Hilfsmittel an sich ist zwar keine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Jedoch hat das BSG bereits in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Ansprüchen von Herstellern auf Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis (HMV) entschieden und in einem anderen Verfahren vom heutigen Tage (Az. B 3 KR 6/14) bestätigt, dass das Prüfungsverfahren durch den G-BA nach § 135 Abs. 1 SGB V auch der Aufnahme in das HMV zwingend vorgeschaltet ist.

Solange die Therapie als neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode mangels Empfehlung des G-BA nicht zur Versorgung in der GKV zugelassen ist, sind folglich auch die dabei eingesetzten und in einem untrennbaren Zusammenhang zu der Methode stehenden Geräte keine von der Leistungspflicht der GKV umfassten Hilfsmittel. Bezeichnet wird dies als "Sperrwirkung" des § 135 Abs. 1 SGB V für die Aufnahme in das HMV.

Zitiervorschlag

BSG zum Anspruch auf medizinische Hilfsmittel: . In: Legal Tribune Online, 08.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16137 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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