Untersuchung von Eizellen auf genetische Defekte: Zu Lasten der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung?

von Dr. Britta Wiegand

14.09.2015



2/2: PKD ist keine Maßnahme zur künstlichen Befruchtung

Ebenfalls in konsequenter Fortführung der Rechtsprechung vom 18. November 2014 hat das BSG auch einen Anspruch auf die PKD als Maßnahme der künstlichen Befruchtung nach § 27a SGB V verneint.

Zwar bedurfte es in dem am vergangenen Samstag verhandelten Fall unstreitig einer künstlichen Befruchtung, weil der Ehemann der klagenden Versicherten unter einer Fertilitätsstörung leidet. Die Kosten hierfür hat die beklagte Krankenkasse dementsprechend auch vollständig übernommen.

Allerdings ist die PKD ebenso wenig wie die PID - dies hat das BSG bereits in der Entscheidung vom 18. November 2014 dargelegt - eine Maßnahme der künstlichen Befruchtung, weil beide Untersuchungen nicht erforderlich sind, um eine Schwangerschaft herbeizuführen. Sowohl die PKD als auch die PID kann zwar nur im Zusammenhang mit einer künstlichen Befruchtung durchgeführt werden, umgekehrt gilt dies indes nicht: Eine künstliche Befruchtung kann auch ohne PKD oder PID erfolgen.

Rechtsethische Entscheidung des Gesetzgebers

Versicherte haben also weder mittels der PKD im vorembryonalen Stadium noch mittels der PID im embryonalen Stadium die Möglichkeit, zu Lasten der GKV die Eizellen auf genetische Defekte untersuchen zu lassen.

Wird berücksichtigt, dass spätere Abtreibungen gem. § 24b SGB V hingegen grundsätzlich  zum Leistungskatalog der GKV gehören, mag das Bauchgefühl "opponieren".

An dieser Stelle wird aber der Boden der Rechtsprechung verlassen. Insoweit hat das BSG bereits in der Entscheidung zur PID aus 2014 dargelegt, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, jede nicht verbotene Form der "medizinisch unterstützten Erzeugung menschlichen Lebens" in den Leistungskatalog der GKV einzubeziehen. Diesen zu bestimmen, ist vielmehr Sache des Gesetzgebers.

Rechtsprechung ist eben nicht Rechtsetzung

Die Entscheidung des BSG führt das Urteil vom 18. November 2014 konsequent fort. Sie kann angesichts der konkreten Frage, ob von den Eltern verlangt werden kann, sehenden Auges das Risiko einzugehen, ein schwer krankes Kind zu gebären,  vielleicht als "ungerecht" oder "ethisch schwer vertretbar" empfunden werden.

An diesem Fall zeigen sich aber in besonderer Weise die Grenzen zwischen den Aufgaben des Gesetzgebers und der Rechtsprechung, im Ergebnis also das Funktionieren der Gewaltenteilung.

Das BSG hat durch den Verweis auf die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers deutlich hervorgehoben, dass dieser hier in der Pflicht ist. Die rechtlichen Grundlagen sehen einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine PKD - ebenso wie für die PID - derzeit nicht vor. Der Bereich der Gesetzesauslegung, welcher  den Gerichten obliegt, und in dem die Rechtsprechung gestaltend wirken kann, ist deshalb von vornherein nicht betroffen.

Es geht vielmehr um die Schaffung neuer rechtlicher Ansprüche, die zentrale ethische Fragen betreffen. So muss etwa diskutiert werden, ob mit dem ethischen Empfinden auch eine Vorauswahl der Eizellen im Hinblick auf weniger schwerwiegende Erkrankungen oder gar auf Geschlecht oder Haarfarbe vereinbar wäre. Wo sind hier die Grenzen?

Solche Fragen müssen in einem parlamentarischen Prozess durch den Gesetzgeber - auch unter Beantwortung der Frage nach der hinreichenden medizinischen Qualität der Leistungen - entschieden werden. Ob und welche legislativen Aktivitäten im Hinblick auf die PKD und die PID geplant sind, insbesondere ob sie in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen werden, ist derzeit nicht absehbar. Auch in dieser Hinsicht muss der dpolitische Diskursabgewartet werden.

Die Autorin Dr. Britta Wiegand ist Richterin am Sozialgericht in Mainz und derzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an den 1. Senat des BSG abgeordnet.

Zitiervorschlag

Untersuchung von Eizellen auf genetische Defekte: . In: Legal Tribune Online, 14.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16892 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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