Die AfD geht in Brandenburg gerichtlich gegen ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz vor. Am Dienstag reichte der Landesverband Organklage und eine Klage beim VG ein. Die Landesregierung sieht ausreichend Anhaltspunkte für Beobachtung.
Mit allen ihr zur Verfügung stehenden juristischen Mitteln wehrt sich die AfD in Brandenburg gegen ihre Beobachtung durch den brandenburgischen Landesverfassungsschutz. Dieser stuft seit Juni 2020 die Partei als rechtsextremen Verdachtsfall ein, da hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorlägen. Eine solche Einstufung erlaubt dem Verfassungsschutz u.a. den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel. 2019 waren bereits die AfD-Teilstrukturen "Junge Alternative für Deutschland" (JA) und "Der Flügel" vom brandenburgischen Verfassungsschutz als Verdachtsfälle eingestuft worden.
Die Beobachtung der gesamten Brandenburger AfD hatte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) seinerzeit mit ihrer stetigen Radikalisierung begründet sowie mit der Beobachtung, dass sie von einem ethno-kulturellen Volksbild geprägt sei, "das Menschen anderer Herkunft oder Religion verächtlich macht und damit gegen die Würde des Menschen verstößt." Auch sei die Partei in Brandenburg vom Gedankengut des völkisch-nationalen Flügels durchdrungen. Dessen "vermeintliche" Auflösung spiele für die Frage der Beobachtung keine Rolle. "In der Brandenburger AfD ist der Flügel längst der ganze Vogel", so Stübgen.
Dass die AfD diese Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht auf sich sitzen lassen und juristisch dagegen vorgehen will, hatte sie von Anfang an angekündigt, allerdings erst Ende vergangenen Jahres in einem ersten Schritt umgesetzt. So legte am 8. Dezember die AfD-Landtagsfraktion eine Normenkontrollklage beim Landesverfassungsgericht (LVerfG) Brandenburg ein, die sich gegen das Brandenburgische Verfassungsschutzgesetz richtet. Die Fraktion ist der Meinung, dass eine darin enthaltene Norm, die der Behörde eine öffentliche Bekanntmachung von Verdachtsfallbearbeitungen ermöglicht, sei wegen des Parteienprivilegs nach Art. 21 Grundgesetz (GG) gar nicht auf politische Parteien anwendbar.
AfD: Einstufung als Verdachtsfall zurücknehmen
In den nun am Dienstag eingereichten Klagen, geht es allerdings um die Einstufung als rechtsextremen Verdachtsfall an sich. Der AfD-Landesverband hat durch seinen Prozessbevollmächtigten Prof. Dr. Michael Elicker, der die Rechtspopulisten bereits in diversen anderen Verfahren vertritt, hierzu zwei Verfahren auf den Weg gebracht: Zum einen ein verfassungsrechtliches Organstreitverfahren beim LVerfG, zum anderen eine Klage beim Verwaltungsgericht (VG) Potsdam eingereicht.
Mit der verwaltungsgerichtlichen Klage gegen Innenminister Stübgen, die LTO vorliegt, will die Partei letztlich erreichen, dass ihre Einstufung als "Beobachtungsfall", so der Antrag, zurückgenommen wird und sie aus dem Verfassungsschutzbericht 2019 samt einer dazugehörigen Pressemitteilung gestrichen wird. Gerichtlich soll die Verbreitung beider Dokumente untersagt werden.
Brandenburgs Innenminister hatte am 7.September den Verfassungsschutzbericht des Landes 2019 vorgestellt und hierzu auch in einer Pressemitteilung noch mal erläutert, warum die gesamte AfD Brandenburgs als Verdachtsfall eingestuft und beobachtet werde: So sei im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 in Brandenburg "ein gefährliches politisches Umfeld entstanden, in dem eine Entgrenzung und Modernisierung des Rechtsextremismus vorangetrieben werde. Dieser solle mit der Mitte der Gesellschaft verzahnt werden. Hierzu zähle auch die brandenburgische AfD, so Stübgen.
Halle, Hanau, Kassel und die Rolle der AfD
Neben ihrer Tilgung aus dem Verfassungsschutzbericht will die AfD in Brandenburg außerdem erreichen, dass sie in öffentlichen Erklärungen nicht mehr in die Nähe des Rechtsextremismus und der Verfassungsfeindlichkeit gerückt sowie nicht mehr im Zusammenhang mit den "extremistischen Verbrechen von Halle, Hanau und Kassel" erwähnt wird. Innenminister Stübgen hatte in seiner Pressemitteilung vom September 2020 auf die Anschläge in Halle und Hanau sowie des Mordes an Dr. Walter Lübcke Bezug genommen und diese auch mit der Politik der AfD in Verbindung gebracht.
Die eingereichte verfassungsrechtliche Organklage, die LTO ebenfalls vorliegt, richtet sich darüber hinaus gegen die Brandenburgische Landesregierung und ihren Ministerpräsidenten. Auch in dieser Klage wendet sich die AfD gegen ihre Einstufung als Verdachtsfall und den entsprechenden öffentlichen Verlautbarungen hierzu.
Die AfD ist der Auffassung, dass es der Regierung nicht erlaubt sei, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln in den Wettbewerb der politischen Parteien einzugreifen. Gerügt wird insoweit eine Verletzung des Rechts auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG. Mit der Verdachtsbeobachtung gehe eine "äußerst weitgehende Rufschädigung und Behinderung im politischen Wettbewerb um Wählerzustimmung" einher, heißt es im Schriftsatz. Außerdem verstoße de Verdachtsberichterstattung über politische Parteien bei bloßem Gefahrenverdacht grundsätzlich gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
AfD-Prozessvertreter Elicker kündigte darüber hinaus an, noch in dieser Woche eine einstweilige Anordnung einzureichen, die dem Landesinnenminister die Kommunikation vermeintlich ungerechtfertigter Verdachtsbeobachtung einstweilen untersagt. "Wegen der herannahenden Wahlen ist die Eilbedürftigkeit unbestreitbar", so Elicker gegenüber LTO.
AfD bald bundesweiter "Verdachtsfall"?
Inhaltlich mitverantwortlich für all diese Verfahren ist im Übrigen der rechtspolitische Sprecher der AfD im Bundestag, Roman Reusch. Der ehemalige Berliner Oberstaatsanwalt ist Mitglied im Landesvorstand der Partei in Brandenburg.
Reusch kritisierte, dass nach gegenwärtiger Rechtslage die Regierung in Brandenburg vor dem Wählen einer Partei warnen könne, sobald gegen diese nach Auffassung der Regierung der Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen existiere. "Nach diesem Muster wollen die herrschenden Parteien ihre heute lästige Konkurrenz, nämlich die AfD, loswerden. Wir sind aber zuversichtlich, dass es uns gelingt, die von uns angerufenen Gerichte deutlich schneller davon zu überzeugen, dass die Regierenden rechtswidrig handeln."
Wie der gerichtliche Streit am Ende ausgehen wird, bleibt abzuwarten. Gegenüber LTO betonte der Sprecher des verklagten Innenministeriums, Martin Burmeister, dass Brandenburgs AfD "aufgrund hinreichend tatsächlicher Anhaltspunkte" unter Rechtsextremismus Verdacht stehe und deswegen vom Verfassungsschutz beobachtet werde.
Zu den Erfolgsaussichten vor Gericht wollte sich Burmeister nicht äußern: "Das Innenministerium hat stets betont, dass es der AfD selbstverständlich freisteht, die Einstufung als Verdachtsfall gerichtlich überprüfen zu lassen. Dass die AfD, nach mittlerweile mehr als sieben Monaten, nun doch von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will, nehmen wir zur Kenntnis."
Unterdessen soll nach einem Bericht der FAZ die AfD bundesweit in der nächsten Woche vom Verfassungsschutz zum Verdachtsfall erklärt werden. Damit bestätigt sich ein Bericht des Spiegels vom Dezember.
Rechtsextremismus in Brandenburg: . In: Legal Tribune Online, 19.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44033 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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