2/2: "Wer Hass sät, wird Gewalt ernten"
Der Artikel der Bildzeitung ist in etwa so sachlich, wie man es von ihr gewohnt ist. Ein Satz sticht aus der Berichterstattung aber deutlich heraus. Die Bild nimmt Bezug auf den offen ausgesprochenen Hass in den Kommentaren und führt fort: "Und wer Hass sät, wird Gewalt ernten". Man kann ihn als Mahnung verstehen, die öffentliche Hetze könne in Gewalt gegen Flüchtlinge (und ihre Sympathisanten) umschlagen, wie dies beispielsweise im Fall der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker ja auch geschehen ist. Der Satz könnte aber auch als Drohung verstanden werden - linksradikale Aktivisten etwa könnten die "Vorarbeit" der Bild nutzen, um die identifizierten und an den Pranger gestellten Facebook-Nutzer körperlich anzugreifen. Einen Tag nach der Veröffentlichung legte die Bild-Zeitung noch einen drauf und suchte die Kommentaren auf. Dabei wurde neben den Namen auch der Wohnort aufgezeigt. Die Erfahrung zeigt, dass solche Berichte das Risiko potenzieller Angriffe durch die noch einfachere Identifizierbarkeit weiter verstärken.
Ein Aufruf zur Gewalt würde ohne Zweifel dazu führen, dass die berechtigten Interessen der Betroffenen auf körperliche Unversehrtheit überwiegen und einer zulässigen Berichterstattung entgegenstehen. Da die Bild sich in ihren weiteren Ausführungen aber klar gegen die Gewaltaufrufe durch die fremdenfeindlichen Facebook-Nutzer positioniert und zudem als Zweck ihrer Pranger-Berichterstattung ein Tätigwerden der zuständigen Staatsanwaltschaft statt eines aufgebrachten Lynchmobs fordert, ist diese Lesart wohl eher fernliegend.
Die Tatsache, dass aufgrund des Artikels möglicherweise staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet werden, tangiert die schützenswerten Interessen der Abgebildeten indessen nicht, da die Verfolgung von (etwaigen) Straftaten in einem Rechtsstaat gerade gewollt ist.
Konfrontation haben die Hetzer selbst gesucht
Geht man davon aus, dass die Kommentatoren sogar nur in der Öffentlichkeitssphäre betroffen sind, weil sie sich mit ihren Kommentaren gezielt der Öffentlichkeit zugewendet haben, um ihr Gedankengut zu verbreiten, wäre ein überwiegendes berechtigtes Interesse der Abgebildeten sehr schnell zu verneinen. Dieser Bereich verdient nach den Vorgaben der Rechtsprechung den geringsten Schutz; das Persönlichkeitsrecht hat dort grundsätzlich zurückzutreten.
Als weiteres Argument für die Zulässigkeit der Veröffentlichung der Bilder könnte die Zeitung vorbringen, dass die Berichterstattung einen besonderen Bezug zum demokratischen Prozess in Deutschland hat (BVerfG, Beschl. v. 26.04.2001, Az. 1 BvR 758/97). Es ist durchaus vertretbar, dass die immer stärker werdende Hetze gegen Fremde und Fremdes bei Facebook ein Thema ist, welches die Öffentlichkeit mit Rücksicht auf die für die Demokratie wichtige öffentliche Meinungsbildung wesentlich betrifft (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.08.2006, Az. 1 BvR 2606/04).
Abschließend ist hinsichtlich der Veröffentlichung die Rolle und das Verhalten der Abgebildeten von Bedeutung. Es ist insofern Sache des Betroffenen selbst, zu bestimmen, was seinen sozialen Geltungsanspruch in der Öffentlichkeit ausmachen soll. Durch die freiwillige Preisgabe ihres eindeutigen Gedankenguts bei Facebook in konfrontativer Art und Weise, haben die Hetzer sich ihrer Privatsphäre selbst begeben. Auch wenn es bei der Prüfung auf den jeweiligen Inhalt und Kontext des einzelnen Kommentars ankommt, kann man zumindest in Bezug auf die heftigsten und strafrechtlich relevanten Kommentare ohne jeglichen Zweifel von einem Zurücktreten des Persönlichkeitsrechts ausgehen. Dies gilt auch in Bezug auf die veröffentlichten Namen, welche von den Nutzern zuvor ebenfalls freiwillig preisgegeben wurden. Das Namensrecht nach § 12 BGB tritt aber aufgrund der aufgezeigten Vorgaben ebenfalls zurück (vgl. BGH Urt. v. 18.11.2010 – I ZR 119/08). Wer durch sein konkretes Verhalten bewusst Anlass für eine kritische Berichterstattung gibt, muss sich diese Kritik auch in erhöhtem Maße gefallen lassen. Auch wenn es mit den Mitteln der Bildzeitung geschieht.
Der Autor Dr. Niklas Haberkamm, LL.M. oec. ist Partner der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum in Köln. Er ist spezialisiert auf Medienrecht und dort insbesondere auf das Reputationsmanagement sowie den Schutz des Persönlichkeitsrechts.
Niklas Haberkamm, Der "Pranger der Schande" bei Bild und das Persönlichkeitsrecht: . In: Legal Tribune Online, 22.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17296 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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