BGH zum Kreditkartenmissbrauch : Haftungsverteilung beim Bankraub à la carte

von Alexander Knauss

08.12.2011

Der BGH hat seine Grundsätze zur Haftung des Karteninhabers bei missbräuchlichen Abhebungen von Bargeld an Geldautomaten mit PIN und Karte ergänzt. Auch zu AGB-Klauseln, die die Kundenhaftung regeln, haben sich die Richter geäußert. Auf den ersten Blick stellt sich die Entscheidung zwar als kundenfreundlich dar. Auf den zweiten Blick ändert sich allerdings nicht viel, meint Alexander Knauss.

Die Fälle missbräuchlicher Abhebungen an Geldautomaten sind mittlerweile Legion, der verursachte Schaden immens. Laut Bundeskriminalamt wurden im Jahr 2010 insgesamt 3.183 Angriffe auf Geldautomaten registriert, das sind rund 55 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Anzahl  der betroffenen Karteninhaber ist nicht bekannt. Im letzten Jahr wurden über 300.000 Kartendaten vorsorglich gesperrt, um missbräuchliche Einsätze abgegriffener Kartendaten nach Manipulationen von Geldautomaten zu verhindern. Der geschätzte Schaden lag bei 60 Millionen Euro.

Man erkennt, dass sowohl der kriminelle als auch wirtschaftliche Wert im Zusammenhang mit Kartenmissbrauch enorm gestiegen ist. Die Situationen, in denen es zu einer missbräuchlichen Verwendung kommen kann, reichen dabei von dem gewöhnlichen Diebstahl der Kredit- oder EC-Karte, über einen Datenklau, bei dem diese kopiert und die PIN ausgespäht wurden (so genanntes „Skimming“) bis hin zu Betrugsfällen, in denen der Kunde das Geld selbst abhebt, nachträglich aber eine der anderen beiden Varianten behauptet.

Abhebungen an Geldautomaten sind nicht ohne PIN möglich. Doch ist diese vom Kunden geheim zu halten. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) spricht deshalb bei Verwendung der meist 4-stelligen Zahl der so genannte Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Kunde die Abhebung entweder selbst vorgenommen oder  Karte und Geheimzahl unzulässig gemeinsam verwahrt hat (vgl. Urt. v. 05.10.2004, Az. XI ZR 210/03 und Urt. v. 06.07.2010, Az. XI ZR 224/09).

Ein Auszahlungslimit und eine Haftungsgrenze

In dem vom Karlsruher Gericht nun zu entscheidenden Fall hatte der Kunde von der klagenden Bank eine Kreditkarte erhalten, die zur Abhebung von Bargeld an Geldautomaten zugelassen war. In ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hatte die Bank Bargeldauszahlungen auf höchstens 1.000 Euro pro Tag begrenzt. Außerdem war der Karteninhaber verpflichtet, bei Verlust oder Missbrauch der Karte unverzüglich die Bank zu benachrichtigen. Seine Haftung bis zum Eingang dieser Verlustmeldung sollte auf höchstens 50 Euro begrenzt sein.

Im August 2009 wurden mit dieser Kreditkarte unter Verwendung der PIN des Karteninhabers in einer Nacht an verschiedenen Geldautomaten in Hamburg insgesamt sechs Mal je 500 Euro abgehoben. Die Bank belastete das Girokonto des Kunden mit den abgehobenen Beträgen im Lastschriftverfahren. Doch dieser widersprach den Abbuchungen und kündigte den Kreditkartenvertrag, woraufhin die Bank ihn auf Schadenersatz verklagte. Wenn der Beklagte die Abhebungen nicht selbst getätigt habe, müsse er seine Geheimhaltungspflicht hinsichtlich der verwendeten PIN verletzt haben, so das Geldinstitut. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die Berufung des beklagten Kontoinhabers blieb erfolglos.

Nun hoben die Karlsruher Richter auf die Revision des Beklagten das Urteil auf und verwiesen den Rechtsstreit an das Landgericht zur erneuten Entscheidung zurück (Urt. v. 29.11.2011 - XI ZR 370/10). Zwar liegen bislang die schriftlichen Urteilsgründe noch nicht vor, doch lassen sich bereits jetzt zwei Aspekte der Entscheidung beleuchten.

Bank muss Einsatz der Originalkarte beweisen

Der Einsatz der Originalkarte ist nach Auffassung des BGH von der Bank zu beweisen. Denn bei Abhebung mithilfe einer ohne Kenntnis des Inhabers gefertigten Kartenkopie (wie etwa durch Skimming) spricht kein typischer Geschehensablauf dafür, dass der Kunde Originalkarte und Geheimzahl gemeinsam aufbewahrt hat. Damit hätte er auch nicht gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen.

Der BGH geht also offenbar auch weiterhin von einem Anscheinsbeweis zugunsten der Bank aus, verlangt aber von der Bank zumindest den Nachweis, dass die Originalkarte eingesetzt wurde, wie dies für neuere Fälle auch die Ende Oktober 2009 in Kraft getretene Regelung des § 675w Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorsieht.

Ob die Bank den Einsatz der Originalkarte bei strittigen Abhebungen beweisen kann, dürfte davon abhängen, wo die strittige Abhebung erfolgt ist: In Deutschland wird die Echtheit der Karte nicht über den Magnetstreifen ermittelt, sondern über den auf der Karte enthaltenen Chip, der eine eindeutige Identifikationsnummer hat. Dagegen sind viele Geldautomaten im Ausland  nicht in der Lage, den Chip auszulesen und verwenden daher den Magnetstreifen. Auf diesem lässt sich allerdings kein eindeutiges Merkmal zur Kennzeichnung der Originalkarte speichern, denn der Magnetstreifen von Original und Kopie ist identisch.

Kunde ist durch AGB hinreichend geschützt

Zudem spielte die in den AGB der kontoführenden Bank im konkreten Fall enthaltene Klausel, nach der der Kunde bis zum Eingang einer Verlustmeldung nur bis zu einem Höchstbetrag von 50 EUR haftet, eine entscheidende Rolle.

Denn nach Auffassung des BGH erfasst diese auch die Haftung des Karteninhabers wegen schuldhafter Verletzung seiner Sorgfaltspflichten.
Diese auf den ersten Blick kundenfreundliche Feststellung erweist sich bei näherem Hinsehen als ebenso richtig wie folgenlos: Wenn der Kunde die Karte nicht selbst eingesetzt hat, haftet er der Bank ohnehin nur für eine schuldhafte Verletzung seiner Sorgfaltspflichten, so dass eine von dem Geldinstitut vorgesehene Begrenzung dieser Haftung auch und gerade nur diese Pflichtverletzungen betrifft. Die Bank schafft mit dieser Regelung einen Anreiz für den Kunden, sich auf die Verwendung von Zahlungskarten überhaupt einzulassen. Die AGB-Klausel begrenzt die damit verbundenen und für den Kunden unüberschaubaren Risiken zu dessen Gunsten. Dann ist es auch konsequent, die Bank hieran festzuhalten.

Der BGH hat ferner völlig zu Recht zu Lasten der Bank berücksichtigt, dass trotz Vereinbarung eines Tageslimits für Bargeldauszahlungen im Rahmen der nächtlichen Abhebungen keinerlei Prüfung erfolgte, ob die Grenze von 1.000 Euro bereits erreicht war.

Trotz fehlender schriftlicher Urteilsgründe ist die Entscheidung bei nüchterner Betrachtung lediglich die moderate und konsequente Fortführung einer seit langem bestehenden Rechtsprechung zur Beweislastverteilung zwischen Bank und Kunden, die mittlerweile auch Eingang in das Gesetz gefunden hat. Sie ist nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Rechtsanwalt Alexander Knauss ist unter anderem Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Partner der überörtlichen Sozietät MEYER-KÖRING Rechtsanwälte Steuerberater mit Büros in Bonn und Berlin.

 

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Zitiervorschlag

Alexander Knauss, BGH zum Kreditkartenmissbrauch : . In: Legal Tribune Online, 08.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5057 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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