BGH begrenzt Vorauszahlungshöhe im Reiserecht: Kunden sind keine Darlehensgeber

von Prof. Dr. Ernst Führich

10.12.2014

In gleich drei Verfahren hat der BGH am Dienstag die bisher von Reiseanbietern verlangten Anzahlungs- und Stornogebühren der Höhe nach gedeckelt. Mehr als 20 Prozent des Gesamtreisepreises können danach meist nicht gefordert werden. Ernst Führich begrüßt die Entscheidungen.

Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat hat sich am Dienstag in drei Verfahren mit der Wirksamkeit von Klauseln in Reisebedingungen befasst. Dabei ging es um die erlaubte Höhe von Anzahlungen auf den Reisepreis und Rücktrittspauschalen sowie um den Zeitpunkt der Fälligkeit des Gesamtpreises.

Geklagt hatte der Bundesverband Verbraucherzentrale Berlin gegen den größten deutschen Reiseveranstalter TUI und die Verbraucherzentrale NRW gegen Urlaubstours GmbH und TC Touristic GmbH. Den Klägern ging es insbesondere um die Feststellung, dass Anzahlungen auf den Reisepreis in Höhe von 25, 30 und mitunter sogar 40 Prozent zu hoch und entsprechende AGB der Veranstalter unwirksam seien. Darin gab ihnen der Bundesgerichtshof (BGH) überwiegend Recht (Urt. v. 10.12.2014, Az. X ZR 85/12; X ZR 13/14; X ZR 147/13).

Seit dem letzten Urteil des BGH zu dieser Thematik aus dem Jahre 2006 stiegen die Anzahlungen bei Pauschalreisen, die vormals bei 15 bis 20 Prozent gelegen hatten, teils erheblich an. Auch der Zeitpunkt, zu dem der Gesamtpreis fällig werden sollte, wurde weiter nach vorn verlegt, auf etwa 45 Tage vor Reisebeginn. Das war umso erstaunlicher, als der BGH bereits 2006 eine Anzahlung von mehr als 20 Prozent als im Grundsatz zu hoch ansah. Folgerichtig und wie von diesem Autor an anderer Stelle prognostiziert, kippte er nun die AGB der Veranstalter – ebenso übrigens, wie bereits sämtliche Vorinstanzen.

Kunden gehen bei Veranstalter-Insolvenz oft leer aus

Feste Vorgaben zu Anzahlungen und Restzahlungen sucht man im Reiserecht vergebens. Der BGH entwickelt sie aus dem Zug-um-Zug-Prinzip, wonach Leistung und Gegenleistung grundsätzlich gleichzeitig zu erbringen sind, sowie dem Gedanken einer fairen Verteilung des Insolvenzrisikos. Je mehr der Kunde bereits bei seiner Buchung bzw. einige Wochen vor Reisebeginn vorschießt, desto höher sein Schaden, wenn der Veranstalter zwischenzeitlich pleite geht. Ein Fall, in dem Kunden eines insolventen Reiseveranstalters jemals auch nur eine Quote ihrer Anzahlung zurückerhalten hätten, ist nicht bekannt: Der Urlauber steht in solchen Fällen stets am Ende der Schlange der Gläubiger und geht leer aus. Auch das Flugticket und der Hotelgutschein bieten in einem solchen Fall keine wirksame Sicherheit.

Zwar erhält der Kunde seit Ende 1994 vom Veranstalter einen Sicherungsschein ausgestellt. Dieser dokumentiert das Vorhandensein einer Versicherung des Reiseveranstalters, welche bei seiner Insolvenz die Rückzahlung des Reisepreises, soweit die Reise nicht angetreten ist, garantiert. (Nur) deshalb toleriert der BGH (seit 2006) überhaupt die Vereinbarung von Anzahlungen bei normalen Pauschalreisen und eine Fälligkeit des Gesamtpreises vor Reisebeginn.

Digitaler Reisemarkt rechtfertigt keine höheren Sätze

Der BGH hält an diesen Grundsätzen fest, auch wenn sich der Reisemarkt in den letzten Jahren durch die Digitalisierung stark verändert hat. Urlauber können ihre Pauschalreisen heute immer individueller gestalten, die Branche lockt mit frei kombinierbaren und gleichzeitig preislich günstigen Reisepaketen. Die Preise werden bei diesen sogenannten "X-Reisen" tagesaktuell an die Anfrage angepasst. Gerade Anbieter im Internet haben zu einer gewissen "Erosion der Pauschalreise" geführt und damit auch das Reiserecht stark strapaziert. Besonders diese Anbieter fordern denn auch stramme Sätze bei der Anzahlung.

Das könnte sogar zulässig sein – wenn sie nachweisen könnten, dass ihre eigenen Vorausleistungen an die Airlines bei den dynamisch zusammengestellten Reisen entsprechend höher sind. Dieser Nachweis wurde aber in den nun vom BGH entschiedenen Fällen nicht erbracht. Im Gegenteil kann man den Eindruck gewinnen, dass sich die Veranstalter vor allem einen Liquiditätsvorteil zu Lasten der Reisenden verschaffen wollen.

BGH setzt Grenzen bei Fälligkeit und Stornopauschalen

Was die Fälligkeit des Gesamtpreises betrifft, hat der Bundesgerichtshof eine Zahlungsverpflichtung bis 30 Tage vor Reisebeginn als angemessen erachtet. Die Stornopauschale für Stornierungen, die bis zum 30. Tag vor Reisebeginn erfolgen, hat er auf die Höhe der Anzahlung, sprich 20 Prozent gedeckelt. Auch hier waren teils 25 bis 40 Prozent gefordert worden, ohne, dass die Reiseveranstalter durchschnittliche Stornierungskosten in dieser Höhe tatsächlich hätten nachweisen können.

Nach Vorliegen der Urteilgründe wird die Branche ihre nun für unzulässig erachteten AGB anpassen müssen. Betroffene Kunden müssen bis dahin bei Urlaubsbuchungen entweder die bisherigen AGB akzeptieren oder können kostenfrei von gebuchten Reisen zurücktreten. Dann sollten die Reisenden ihren Fall allerdings dem Verbraucherschutzverband melden, der die Veranstalter dann durch Ordnungsgelder zur Gesetzestreue anhalten wird.

Der Autor Prof. Dr. Ernst Führich ist Professor für Bürgerliches Recht, Wirtschafts- und Reiserecht und hat zahlreiche Schriften auf dem Gebiet des Reiserechts veröffentlicht. Im Januar 2015 erscheint sein Standardwerk "Reiserecht" in 7. Auflage.

Zitiervorschlag

BGH begrenzt Vorauszahlungshöhe im Reiserecht: . In: Legal Tribune Online, 10.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14071 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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