Finanzielle Schwäche, Alter und fehlender eigener Nutzen befreien nicht von notwendigen Sanierungskosten für Gemeinschaftseigentum. Wer nicht zahlt, kann sich sogar schadensersatzpflichtig machen. Der BGH steckte am Freitag die Opfergrenze ab: Wenn es dringend ist, hat man Geld zu haben, erklärt Christian Herzig.
Steht die Existenz des Gebäudes auf dem Spiel, müssen alle Eigentümer die Sanierungskosten anteilig tragen, auch wenn sie von den Mängeln gar nicht direkt betroffen sind. "Wichtige Sanierungen müssen alle zahlen", sagte die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof (BGH) Christina Stresemann am Freitag in Karlsruhe.
In dem entschiedenen Fall stritten die Wohnungseigentümer von Keller-, Erd- und Dachgeschosswohnung eines Dreiparteienhauses um die anteilige Tragung der Kosten für die Sanierung des Gemeinschaftseigentums im Bereich der Kellerwohnung. Diese war durch eindringende Feuchtigkeit unbewohnbar geworden, Ursache war ein Baumangel im Gemeinschaftseigentum.
Die Eigentümer von Erd- und Dachgeschosswohnung verweigerten die Beteiligung an den Sanierungskosten und die Zahlung einer Sonderumlage. Im Ergebnis ohne Erfolg, der für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des BGH gab der Klage des Eigentümers der Kellerwohnung auf Zustimmung zur anteiligen Kostenteilung und Bildung einer Sonderumlage in Höhe von 54.000 Euro statt.
Auch ein einzelner Wohnungseigentümer kann demnach die Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums von der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) verlangen, wenn diese zwingend erforderlich ist und sofort erfolgen muss. Dabei spielen weder finanzielle Schwierigkeiten noch das Alter einzelner Wohnungseigentümer eine Rolle. Verzögern diese die Beschlussfassung über eine solche Maßnahme schuldhaft, können sie sich auch schadensersatzpflichtig machen, stellte der Senat fest (BGH, Urt. v. 17.10.2014, Az. V ZR 9/14).
Wenn es dringend ist, hat man Geld zu haben
Die Entscheidung stärkt die Position eines von Mängeln allein betroffenen Miteigentümers gegenüber der Gemeinschaft und hebt die besondere Verbundenheit zwischen Wohnungseigentümern hervor. Zur ordnungsgemäßen Verwaltung einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) gehört auch die Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums.
Das "Ob" und "Wie", zum Beispiel die Zahlung einer Sonderumlage zur Sicherung der Finanzierung, regeln die Eigentümer durch Beschluss. Ohne Beschluss ist grundsätzlich keiner der einzelnen Eigentümer zur Zahlung verpflichtet. Ebenso wenig darf er grundsätzlich finanziell überfordert werden.
Auch eine hohe finanzielle Belastung müssen Eigentümer aber hinnehmen, wenn eine Verschlechterung des Bauzustandes des Gemeinschaftseigentums Sanierungsmaßnahmen erforderlich und unaufschiebbar macht. Individuelle Interessen treten dann zurück. Diese Wertung bestätigte der BGH in seiner heutigen Entscheidung.
Auch das in I. Instanz zuständige Amtsgericht Andernach hatte eine besondere Dringlichkeit der Sanierung bejaht, denn es drohte eine weitere Durchfeuchtung der Gebäudewände. Es verurteilte die beklagten Eigentümer daher, der Zahlung einer Sonderumlage von 54.500,- EUR zuzustimmen, die Kosten der Sanierung hatten die Eigentümer entsprechend ihrer Miteigentumsanteile zu tragen. Auf die nicht direkt betroffenen Eigentümer von Erd- und Dachgeschosswohnung entfielen ca. 41.500,- EUR der Sanierungskosten.
Dem mochte das Landgericht (LG) Koblenz in der Berufungsinstanz nicht folgen. Das Gericht sah die "Opfergrenze" für die finanziell schwachen und betagten Eigentümer der übrigen Wohnungen überschritten. Diese würden von der geplanten Sanierung zudem nicht profitieren, weil ihre Einheiten auch ohne die Sanierungsmaßnahmen bewohnbar waren und sie einen Wertzuwachs des Gebäudes nicht hätten realisieren können, weil sie dieses nicht verkaufen wollten.
Die Abwägung bleibt: was ist zwingend?
Der BGH stellt klar, dass zwar grundsätzlich bei Sanierungsmaßnahmen das Gebot der Wirtschaftlichkeit zu beachten und auch auf die Leistungsfähigkeit der einzelnen Eigentümer Rücksicht zu nehmen sei. Nicht zwingend sofort erforderliche Maßnahmen könnten nach dem Ermessen der Eigentümer auch aufgeschoben werden. Wo aber die Erhaltung des Gebäudes grundsätzlich bedroht ist, tritt die mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit des Einzelnen zurück.
Wer sich als Miteigentümer schuldhaft gegen solche notwendigen Erhaltungsmaßnahmen sperrt, könne sich außerdem schadenersatzpflichtig machen, stellt der V. Senat klar. Dies gelte auch für Schäden am Sondereigentum, die durch eine Verzögerung notwendiger Sanierungsarbeiten entstünden. Zur Entscheidung über die von dem klagenden Eigentümer geltend gemachten Schadenersatzansprüche verwies der BGH daher an das LG zurück.
Mit ihrem Urteil schreiben die Bundesrichter Wohnungseigentümern eine vorausschauende Finanzplanung ins Brevier, um Härten für den Einzelnen aufgrund unvorhersehbarer finanzieller Engpässe abfedern zu können. Auch nach dieser Entscheidung müssen Mitglieder einer WEG aber nicht jedes Abenteuer ihrer Miteigentümer mitmachen. Der Entscheidung des BGH kann man auch entnehmen, dass nur bei zwingend sofort notwendigen Maßnahmen die Abwägung zu Lasten der finanziell schwachen Eigentümer ausfällt. Was und wieviel zur Erhaltung eines Gebäudes "zwingend" ist, bietet auch in Zukunft Stoff für Diskussionen.
Der Autor Christian Herzig ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei SERVATIUS Rechtsanwälte in Hamburg. Er ist spezialisiert auf das Miet- und Wohnungseigentumsrecht und dort insbesondere auf Fragen im Zusammenhang mit Baumängeln des Gemeinschaftseigentums.
BGH zur Wohnungseigentümergemeinschaft: . In: Legal Tribune Online, 17.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13526 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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