BGH zu Preistreibern und Abbruchjägern auf eBay: 3… 2… 1… Streit!

von Prof. Dr. Roland Schimmel

25.08.2016

2/2: Abbruchjäger gegen Preistreiber

Aussagekräftiger ist hingegen die Entscheidung des BGH zum zweiten Sachverhalt (Urt. v. 24.08.2016, Az. VIII ZR 100/15). Dieser ist gekennzeichnet durch das Aufeinandertreffen zweier bedenklicher Praktiken. Hier bestand einerseits Grund zu der Annahme, der Kläger sei Abbruchjäger und womöglich an dem zur Versteigerung gestellten Pkw gar nicht interessiert. Andererseits zeigte sich, dass der Beklagte den Wagen zwar für ein Startgebot von 1 Euro eingestellt hatte, dann aber selbst dafür gesorgt hatte, dass der Preis recht schnell den Marktwert (ca. 16.500 Euro) erreichte und überstieg. Für das preistreibende Bieten auf den eigenen Artikel unter anderem Bieternamen hat sich ein englisches Problemschlagwort etabliert: "Shill-Bidding".

Damit ist der Sachverhalt juristisch besonders attraktiv: Beide Streitparteien bedienen sich fragwürdiger Techniken, weshalb das Gericht besonders gründlich darlegen muss, warum es den Rechtsstandpunkt des einen "Schurken" dem des anderen vorzieht.

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart (Urt. v. 14.04.2015, Az. 12 U 153/14) hat in einem sorgfältig begründeten Urteil Schadensersatzansprüche des mutmaßlichen Abbruchjägers unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten verneint. Der Ansatz war recht einfach: Dem Kläger sei kein Schaden entstanden, denn er hätte im Erfolgsfall das Auto zu einem Preis von 17.000 Euro - also über dem Marktwert - gekauft.

Die dahinter stehende Argumentation steht und fällt aber mit der rechtlichen Konstruktion der vom klagenden Bieter abgegebenen Willenserklärung. Diese muss auch dann wirksam sein, wenn das durch sie übertroffene Gebot unwirksam ist. Letzteres kann aus vielen Gründen der Fall sein: Anfechtung wegen Irrtums, Minderjährigkeit des Bieters, Scherzgeschäft etc.

Ob sich allerdings der auf die eigene Sache bietende Anbieter, also der preistreibende Anbieter, auf solche Schutzmechanismen berufen darf, kann bezweifelt werden. Das OLG Stuttgart hat das bejaht und mit der anderenfalls in Frage stehenden Praktikabilität von Online-Auktionen begründet.

BGH: Preistreiber kann sich selbst keinen Vertrag vorschlagen

Das hat der BGH nun genau umgekehrt gesehen. Er erklärt die preistreibenden Gebote des beklagten Auktionserstellers für unwirksam – und damit auch die übersteigenden Gebote des klagenden Bieters. Folglich hätte dieser den Pkw für 1,50 Euro ersteigern können, so dass er nun Schadensersatz in Höhe der Differenz zum Wert verlangen kann.

In der Tat spricht ein starkes Argument für den Standpunkt des BGH: Nicht nur verbietet eBay in seinen AGB das Preistreiben unter Drittidentitäten. Auch der Wortlaut des § 145 BGB spricht von Angeboten nur, wenn "einem anderen die Schließung eines Vertrags" angetragen wurde. Wer sich selbst einen Vertrag vorschlägt, gibt so gesehen überhaupt kein Angebot ab.

Hinzukommt, dass die sonstigen Unwirksamkeitsgründe des BGB alle einen bestimmten Schutzzweck verfolgen, während der Shill-Bidder wohl nur schwerlich Schutz verdient, sich also kaum darauf berufen dürfte, er habe auf die Wirksamkeit des von ihm künstlich in die Höhe getriebenen Gebots aus Gründen der Rechtssicherheit vertrauen dürfen.

Auch wenn die genauen Entscheidungsgründe noch nicht vorliegen, ist das Ergebnis vor diesem Hintergrund ganz stimmig: Der Preistreiber hat sich "noch schlimmer" daneben benommen als der (mutmaßliche) Abbruchjäger. Soll er also Schadensersatz leisten!

Der Autor Prof. Dr. Roland Schimmel ist Professor für Wirtschaftsprivatrecht an der FH Frankfurt am Main.

Zitiervorschlag

Roland Schimmel, BGH zu Preistreibern und Abbruchjägern auf eBay: . In: Legal Tribune Online, 25.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20390 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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