Teuer, schwer zu beweisen, ärgerlich: Wenn die Kinder bei Musik im Internet illegal zuschlagen, brauchen die Eltern sehr gute Erklärungen. Sonst zahlen sie, so der BGH.
Sie konnten nicht beweisen, dass sie es nicht waren, nun müssen sie zahlen: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revisionen von drei Familien abgewiesen, die von Plattenfirmen wegen illegalen Filesharings verklagt worden waren. Die Kosten: rund 3000 Euro Schadenersatz plus 800 bis 2300 Euro Abmahnkosten je Fall (Urt. v. 11.06.2015, Az I ZR 19/14, I ZR 21/14 und I ZR 75/14).
Die Firmen Warner Music, Sony Music, Universal Music und EMI hatten entdeckt, dass jemand im Wege des Filesharings Musiktitel ins Netz eingestellt hatte, an denen sie urheberrechtliche Verwertungsrechte hatten. Beim Filesharing werden Daten wie Musiktitel über das Internet heruntergeladen und gleichzeitig für andere Anwender ins Netz hochgeladen. Da die Rechteinhaber keine Einwilligung gegeben haben, verstößt diese Art des Musiktausches gegen das Urhebergesetz (UrhG). Also ließen die Musikfirmen IP-Adressen und Anschlussinhaber ausfindig machen.
Die Firmen mahnten die betroffenen Familien wegen der Verletzung ihrer Rechte als Tonträgerhersteller ab. In verschiedenen Verfahren verklagten sie die Anschlussinhaber schließlich auf Zahlung eines sogenannten Lizenzschadensersatzes sowie der Gebühren für die vorangegangenen Abmahnungen in vierstelliger Höhe. In den Vorinstanzen hatten die Firmen Erfolg – und nun auch vor dem BGH.
Vermutung der Täterschaft
Zwar haften Anschlussinhaber nicht generell für alle Rechtsverletzungen, die mutmaßlich von ihrem Zugang begangen wurden. Doch in Abmahnverfahren reicht es, wenn die Unternehmen der Musikindustrie darlegen und beweisen, dass sie die IP-Adresse korrekt verfolgt haben. Dann wird die Täterschaft vermutet.
Die theoretische Möglichkeit, dass bei den Ermittlungen des Softwareunternehmens und des Internetproviders Fehler vorkommen können, spreche nicht gegen die Beweiskraft der Ermittlungsergebnisse, urteilte der BGH. Hierfür hätten die Familien im Einzelfall konkrete Fehler darlegen müssen. Ein falscher Buchstabe bei der Namenswiedergabe in einer Auskunftstabelle reiche insoweit nicht aus.
Die Vermutung lässt sich entkräften, beispielsweise durch den Beweis, dass entweder die Urheberrechtsverletzung nicht vom Anschluss-Inhaber der IP-Adresse erfolgte oder die Eltern ihre Kinder korrekt aufgeklärt hatten.
Strenge Anforderungen an die Nachweise
Diese Entkräftung ist hier nicht gelungen: Eine Familie konnte nicht glaubhaft nachweisen, dass sie zum fraglichen Zeitpunkt tatsächlich in Spanien war und vor Antritt des Urlaubs Router und Computer vom Stromnetz getrennt hatten. Außerdem sei es ihnen nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass andere Personen zum Tatzeitpunkt selbständigen Zugang zu dem Internetanschluss gehabt haben können.
In einem zweiten Fall konnte eine Mutter nicht nachweisen, dass sie ihre Tochter über illegales Filesharing richtig aufgeklärt hatte. Daher ging das Oberlandesgericht von einer Verletzung der Aufsichtspflicht der Mutter aus, § 832 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der BGH bestätigte nun die Feststellungen der Vorinstanz. Die Tochter hatte gegenüber der Polizei zugegeben, 2007 illegal Musik auf einer Online-Börse getauscht zu haben.
Zwar genügten Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie es über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eltern seien nicht verpflichtet, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH, Urt. v. 15.11.2012, Az. I ZR 74/12). Der Umstand, dass die Beklagte für ihre Tochter allgemeine Regeln zu einem "ordentlichen Verhalten" aufgestellt haben mag, reiche jedoch nicht aus.
Im dritten Fall behauptete der Anschlussinhaber, keinen Zugriff auf den Anschluss gehabt zu haben – doch auch dies erachteten alle Instanzen als nicht glaubhaft.
200 Euro Schadensersatz pro Titel
Auch die Bemessung des Schadensersatzes mit einem Betrag von 200 Euro für jeden der insgesamt 15 Musiktitel seien angemessen, so die Bundesrichter. Das gelte auch für die Abmahnkosten, deren Höhe auf der Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes berechnet worden war.
Die Musikindustrie sieht sich durch die Urteile gestärkt. Allgemeine Hinweise auf andere Personen ließen die Haftung nicht entfallen, sagt etwa der Hamburger Rechtsanwalt Clemens Rasch, der die Musikindustrie in den drei Verfahren vertreten hat. "Vielmehr müssen konkrete, überprüfbare Angaben zum Tathergang gemacht und bewiesen werden".
Rechtsanwalt Christian Solmecke, der Verfahren auf der Seite der Beklagten geführt hat, hat eine solche Entscheidung nicht erwartet: "Insgesamt kann hier von einem Rückschritt im Kampf gegen Massenabmahnungen gesprochen werden", sagt er. "Die Entscheidung des BGH läuft dabei völlig konträr zu den politischen Bestrebungen der Vergangenheit, den Abmahnwahn einzudämmen. In Zukunft wird die Musikindustrie mit noch mehr Eifer entsprechende Schreiben verschicken, um die rund 200 Euro pro getauschtem Musikstück zu kassieren".
Anne-Christine Herr, BGH zu illegalem Musiktausch im Internet: . In: Legal Tribune Online, 12.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15844 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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