BGH verweist Fall zurück nach Köln: Teilsieg für Verlage im Streit um "Tagesschau"-App

30.04.2015

Im Rechtsstreit um die "Tageschau"-App hat der BGH teilweise zugunsten mehrerer Zeitungsverleger entschieden. Doch viel hängt noch von den Feststellungen des OLG Köln ab. Elf der größten Verlage wehren sich in dem Verfahren im Kern gegen die Konkurenz durch eine "öffentlich-rechtliche" Presse im Internet.

Nach einer schwierigen Gratwanderung zwischen Rundfunk- und Pressefreiheit hat der Bundesgerichtshof (BGH) in dem seit Jahren andauernden Streit entschieden: Rundfunkangebote dürfen nicht presseähnlich sein (Urt. v. 30.04.15, AZ. I ZR 13/14).

Der Konflikt zwischen Zeitungen und ARD geht nun wieder ans Oberlandesgericht (OLG) Köln. Die Kölner Richter, an die der BGH den Fall zurück verwies, müssen prüfen, ob es sich bei den Inhalten der Tagesschau-App im Wesentlichen um ein solches unzulässiges presseähnliches Angebot handelt.

Elf der größten Zeitungsverlage, darunter auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung und Die Welt, hatten gegen die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) und den Norddeutschen Rundfunk (NDR) geklagt. Die in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten betreiben seit dem Jahr 1996 das vom NDR betreute Online-Portal "tagesschau.de". Gegen das am 15. Juni 2011 bereitgestellte Angebot der zu diesem Portal gehörigen "Tagesschau-App" wenden sich die Verlage mit ihrer Klage.

Sie sind der Ansicht, Deutschland brauche keine staatsfinanzierte Presse, die den privaten Verlagen Konkurrenz macht. Konkret hatten sie moniert, das Angebot der "Tagesschau"-App verzerre den Wettbewerb. Es enthalte zu viel Text ohne Sendungsbezug, eine Finanzierung über den Rundfunkbeitrag sei daher unzulässig.

"Staats-Presse" wettbewerbswidrig?

Die Kläger hatten vorgetragen, die App sei wettbewerbswidrig. Sie sei ein "nicht sendungsbezogenes presseähnliches Angebot" und verstoße somit gegen die Bestimmung des § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV). Diese sei als Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) einzustufen.

Im Jahr 2009 wurden in den Rundfunkstaatsvertrag die Regelungen der §§ 11d, 11f RStV eingefügt. Danach haben öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten die inhaltliche Ausrichtung ihrer Telemedienangebote in Telemedienkonzepten zu konkretisieren und diese Konzepte einem sogenannten "Drei-Stufen-Test" zu unterwerfen.

Die in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten entwickelten daraufhin unter Federführung des NDR ein Telemedienkonzept für das Online-Portal "tagesschau.de". Dieses Konzept wurde im Jahr 2010 vom Rundfunkrat des NDR beschlossen, von der Niedersächsischen Staatskanzlei als Rechtsaufsichtsbehörde freigegeben und im Niedersächsischen Ministerialblatt veröffentlicht.  

Klage gegen ARD bereits unzulässig

Vor dem Kölner Landgericht (LG) hatten die Kläger schon in erster Instanz Recht bekommen. Die Richter hatten damals der ARD verboten, die "Tagesschau"-App vom 15. Juni 2011 weiter für Tablet-Computer und Smartphones anzubieten. Ein generelles Verbot lehnte das Gericht jedoch ab, da es immer nur im Einzelfall entscheiden und keine allgemeinen medienpolitischen Aussagen treffen könne.

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hatte dieses Urteil aufgehoben. Die App sei durch das Prüfsystem des Drei-Stufen-Tests und die Freigabe dieses Konzepts durch die niedersächsische Landesregierung legalisiert. Daran sei das Gericht gebunden.

Der BGH gab am Freitag der Revision gegen das abweisende Urteil der Vorinstanz statt und verwies den Fall zurück an das OLG Köln. Das OLG habe die Klage gegen die ARD jedoch zumindest im Ergebnis mit Recht abgewiesen, so der BGH.

Die gegen die ARD gerichtete Klage sei bereits unzulässig. Bei der ARD handele es sich um einen Zusammenschluss von Rundfunkanstalten, der als solcher nicht rechtsfähig sei und nicht verklagt werden könne.

OLG Köln muss "Tagesschau-App" neu prüfen

Hinsichtlich des NDR hatte die Revision dagegen Erfolg. Der BGH nahm an, aufgrund der Freigabe des Telemedienkonzeptes durch die Niedersächsische Staatskanzlei stehe - entgegen der Auffassung des OLG - nicht mit bindender Wirkung für den vorliegenden Rechtsstreit fest, dass das Angebot der "Tagesschau-App" nicht presseähnlich sei. Mit der Freigabe sei allenfalls das Konzept und jedenfalls nicht dessen konkrete Umsetzung im Einzelfall als nicht presseähnlich gebilligt worden.

Bei dem Verbot nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote handele es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Das Verbot hätte zumindest auch den Zweck, die Betätigung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten auf dem Markt der Telemedienangebote zum Schutz von Presseverlagen zu begrenzen. Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann daher wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Verlage begründen.

Der BGH hat die Sache insoweit an das OLG Köln zurückverwiesen. Dieses muss nunmehr prüfen, ob das von den Klägerinnen beanstandete Angebot presseähnlich gewesen ist. Der Vorsitzende Richter im I. Zivilsenat des BGH, Wolfgang Büscher, machte dem OLG präzise Vorgaben, wie es bei der Prüfung vorzugehen habe. Dabei komme es nicht darauf an, ob einzelne Beiträge dieses Angebots als presseähnlich anzusehen sind. In dem für die Klage maßgeblichen Angebot müssten zunächst alle Beiträge ausgewählt werden, die sich nicht auf bestimmte ARD-Sendungen beziehen. Dann sei zu untersuchen, ob diese Beiträge in ihrer Gesamtheit als presseähnlich einzustufen sind. "Das ist der Fall, wenn bei diesem Angebot der Text deutlich im Vordergrund steht." 

acr/ahe/dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH verweist Fall zurück nach Köln: . In: Legal Tribune Online, 30.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15421 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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