Revisionsurteil gegen ehemaligen Familienrichter: BGH bestä­tigt Ver­ur­tei­lung wegen Rechts­beu­gung

von Tanja Podolski

20.11.2024

Es bleibt bei zwei Jahren Freiheitsstrafe: Ein Familienrichter am AG Weimar beging auch laut BGH eine Rechtsbeugung. Der Jurist hatte in der Corona-Pandemie für alle Kinder an zwei Schulen die Maskenpflicht aussetzen wollen.

Der ehemalige Familienrichter am Amtsgericht (AG) in Weimar hat Rechtsbeugung begangen. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte am Mittwoch das Urteil des Landgerichts (LG) Erfurt vom August 2023 und verwarf die Revision sowohl des Angeklagten als auch der Staatsanwaltschaft (Urt. v. 20.11.2024, Az. 2 StR 54/24). Christian D. habe als Richter elementare Rechtsverstöße begangen und sich bewusst und in schwerwiegender Weise vom Recht entfernt, § 339 Strafgesetzbuch (StGB). Das LG hatte D. seinerzeit wegen Rechtsbeugung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.  

Der Fall des Richters hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht, weil der Mann die Corona-Schutzmaßnahmen für alle Schüler:innen an zwei Schulen für beendet erklärt hatte. So hatte D. im April 2021 mit einem von ihm verfassten Beschluss verfügt, dass alle Kinder an zwei Schulen in Weimar entgegen des damals geltenden Hygienekonzepts des Thüringer Bildungsministeriums keine Corona-Masken im Unterricht tragen, keine Abstände einhalten und nicht an Schnelltests teilnehmen sollten. Er sah in den Maßnahmen eine Gefährdung des Kindeswohls, § 1666 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

"Von Verfahrensfehlern durchzogen"

In einer solchen Entscheidung an sich liege jedoch noch keine Rechtsbeugung. Vielmehr, so das LG Erfurt nach zehn Verhandlungstagen, hatte D. im Frühjahr 2021 zielgerichtet nach Eltern gesucht, die wegen der Maßnahmen ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung anstrengen würden und aufgrund ihres Nachnamens in seinen Geschäftsbereich fallen würden. Er habe sich die später beschiedenen Anträge  an seinen privaten Email-Account schicken lassen und überarbeitet, bevor die Mütter ihn formell bei Gericht eingereicht hätten. Er hat parallel zu all dem auch über seine private Email-Adresse schon Kontakt zu möglichen Rechtsbeiständen für die Mutter und Gutachtern gesucht – die alle Gegner:innen der Corona-Schutzmaßnahmen sein mussten, um den Erfolg des Antrags, über den D. selbst entscheiden wollte, sicherzustellen. D. habe das ihm übertragene Richteramt zielgerichtet benutzt und missbraucht.

All diese Feststellungen des LG seien rechtsfehlerfrei erfolgt, wertete jetzt der BGH. Das Urteil des LG weise weder formell noch sachlich Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf. D. habe zahlreiche Gehörsverstöße begangen und mit seinem Vorgehen in "elementarster Weise gegen Verfahrensvorschriften verstoßen", so der BGH in der Urteilsverkündung. Der Beschluss sei "von Verfahrensfehlern durchzogen", D. habe seine Mitwirkung an den Verfahren nicht dokumentiert und ergebnisorientiert gehandelt. Die Überparteilichkeit von Richtern sei aber ein fundamentales Prinzip des Rechtsstaates – und D. habe dagegen verstoßen, urteilte das Gericht. Seine Befangenheit und die Neutralitätspflicht seien ihm auch bewusst gewesen.

"Die Verstöße wiegen in ihrer Kombination derart schwer, dass es im konkreten Fall weder auf die Motive noch darauf ankommt, ob die Entscheidung materiell rechtskonform war", so der Senat.

"Danke, Herr D."

Nach der etwa 25 Minuten dauernden Urteilsverkündung durch die Vorsitzende des 2. Strafsenats Dr. Eva Menges wollte sich der Angeklagte nicht äußern. Die rund 50 Zuschauer im Saal – deutlich weniger als bei der mündlichen Verhandlung im September, reagierten zunächst mit Schweigen auf den Richterspruch. D's Wahlverteidiger, der renommierte Hamburger Anwalt Dr. Gerhard Strate, für seine prägnanten Verlautbarungen bekannt, ist an diesem Tag nicht in Karlsruhe. Pflichtverteidiger Peter Tuppat aus Jena kommentierte das Urteil mit den Worten: "Der Senat hat geprochen".  

Erst am Schluss reagierten dann auch einige Zuschauer und riefen immer wieder: "Danke, Herr D." Dem nunmehr rechtskräftig Verurteilten helfen wird diese Solidarität nicht. D. ist bereits seit Januar vorläufig vom Dienst suspendiert, seine Bezüge sind um 25 Prozent gekürzt. Auch das Dienstgericht für Richter und Staatsanwälte am LG Meiningen war davon überzeugt, dass der Richter "bewusst und schwerwiegend" gegen die Rechtspflege verstoßen habe. Dabei habe er "lange geplant und überlegt" gehandelt. Das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in die Amtsführung des Richters sei "unheilbar zerstört". 

Zitiervorschlag

Revisionsurteil gegen ehemaligen Familienrichter: . In: Legal Tribune Online, 20.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55913 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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