Die ambitionierten Kommentare von Hanns Prütting und Markus Gehrlein zu BGB und ZPO sind in neuer Auflage erschienen. Beide sollen zusammen gehören – das signalisieren bereits die identisch gestalteten Einbände. Prof. Dr. Hubert Schmidt findet das Paket uneingeschränkt empfehlenswert, auch wenn die Verzahnung der Bände an einigen Stellen noch besser gelingen könnte.
Dass BGB und ZPO zusammengehören, weiß man. Sie in zwei als „Paket“ erscheinenden Kommentarbänden herauszugeben, ist indes eher selten anzutreffen und hat womöglich sein Vorbild in dem bekannten Kommentar-Paar zu BGB und ZPO aus dem Beck-Verlag, das schon seit Jahrzehnten im Jahres-Turnus erscheint.
Nach der Absicht der Herausgeber sollen die beiden hier vorgestellten Werke jeweils jährlich zum Anwaltstag neu herausgebracht werden. Damit wird nicht nur ein Versprechen auf Aktualität gegeben, sondern zugleich der hauptsächliche Adressatenkreis umrissen.
Die jährliche Neuauflage noch dazu mit einem so großen Autorenkreis in beiden Werken ist wahrlich ein ehrgeiziges Unterfangen, das bei Gelingen aller Ehren wert ist. Bei einer Handvoll Autoren stellt es schon die Geduld der Herausgeber auf eine harte Probe, bei den beiden Werken mit jeweils über 50 Verfassern aus verschiedenen Berufsgruppen darf man den Herausgebern starke Nerven oder zumindest disziplinierte Mitstreiter wünschen, sicherheitshalber beides.
Zu wünschen ist den Werken aber auch, dass über hektisches Aktualisieren nicht der rote Faden der jeweiligen Kommentierungen verloren geht und statt zurückgelehnter Betrachtung und weiterführender Gedanken nur Zusatzinformationen an oder in vorhandenen Text "gestöpselt" werden - ein Manko, das beiden Bänden freilich nicht anhaftet.
Viele Autoren – trotzdem homogen
Der in der 5. Auflage erscheinende BGB-Kommentar (PWW) befindet sich auf dem Stand von Februar 2010 und hat daher die einschlägigen Gesetzesänderungen des Jahres 2009 berücksichtigt. Kommentiert werden neben dem BGB natürlich das EGBGB (in dessen Rahmen die Rom I- und II-VO behandelt werden), AGG, GewSchG, LPartG, ProdHaftG, VersAusglG sowie das WEG.
Insgesamt haben an diesem Band 56 Autoren mitgewirkt, davon 23 aus der Wissenschaft. Das führt aber nicht etwa dazu, dass die Kommentierung inhomogen wirkte. Bei einer so großen Zahl von Autoren können sicher nicht Unterschiede zwischen den einzelnen Bearbeitungen ausgeschlossen werden, auch was die Aktualität und den methodischen Ansatz anbelangt. Aufs Ganze gesehen hält der Kommentar aber bei beiden Kriterien durchgehend hohen Anforderungen stand.
Das gleiche gilt auch für die 2. Auflage des ZPO-Kommentars (PG), der sich auf dem Stand von März 2010 befindet. In ihm sind neben ZPO und GVG die jeweiligen Einführungsgesetze ebenso kommentiert wie eine Reihe von EU-Verordnungen zum Zivilverfahren, allen voran die EuGVO, um nur eine zu nennen. In diese Auflage neu aufgenommen wurde die von Halfmeier sehr umsichtig verfasste Kommentierung des UKlaG. Von Schulte-Bunert knapp kommentiert und eingeleitet sind die auf einer dem PG beigefügten CD-ROM abgelegten Vorschriften des FamFG. An dem Band haben insgesamt 54 Autoren mitgewirkt, wovon (im Vergleich zu PWW: nur) 11 aus der Wissenschaft kommen.
Beide Bände werden ergänzt durch Internet-Zugänge (die sich mir allerdings nicht ohne weiteres erschlossen haben, was aber durchaus an mir liegen kann).
Verzahnung der Bände nicht immer durchgehalten
Wenn die Parallelität der Bände von Verlag und Herausgebern hervorgehoben und durch die übereinstimmende Aufmachung der Werke unterstrichen wird, interessiert es natürlich den Leser, ob diese sich irgendwie auch im Inhalt der Werke niederschlägt.
Sieht man sich dazu, was hier nur in Stichproben erfolgen kann, die Sachaussagen an, scheint das bei der jetzigen Auflage allerdings noch nicht durchgehalten. Dabei müssen unterschiedliche Sachaussagen nicht von Nachteil sein, denn es macht ja gerade den Reiz eines Gemeinschaftswerkes aus, wenn in ihm durchaus kontroverse Ansätze erscheinen; im Chor zu singen, wäre im Kommentar sicher nicht angezeigt. Wünschenswert wäre es freilich, wenn hier auf die jeweilige (abweichende) Meinung zu ein und derselben Rechtsfrage verwiesen würde.
Um ein Beispiel anzuführen und zugleich zur inhaltlichen Diskussion: In PWW heißt es zu § 54 Rn. 12, die Annahme, der nicht rechtsfähige Verein sei (teil-) rechtsfähig, sei "antiquiert" (schon Rn. 3), "begrifflich absurd" und widerspreche dem Gesetz, sei unnötig und im übrigen rechtspolitisch verfehlt, weil man so den nicht rechtsfähigen Verein der Notwendigkeit enthebe, sich registrieren zu lassen. Einmal unabhängig von dem reichlich ruppigen Vokabular wird an dieser Stelle wohl verkannt, dass genau dieser Standpunkt eher aus der obrigkeitsstaatlichen Brille des alten BGB-Gesetzgebers auf das Phänomen schaut (denn wozu sollte es eine "Notwendigkeit" für den nicht rechtsfähigen Verein geben, sich registrieren zu lassen?). Darüber hinaus hat wohl der Gesetzgeber selbst in § 50 Abs. 2 ZPO neuer Fassung zutreffend eine deutlich sachgerechtere Handhabung auch über das Prozessrecht hin zur (Teil-) Rechtsfähigkeit gewiesen (worauf in Rn. 16 hingewiesen wird).
In der Kommentierung zu § 50 ZPO in PG weist denn Gehrlein zutreffend darauf hin, dass im Verfahrensrecht die Versagung der aktiven Parteifähigkeit des nicht rechtsfähigen Vereins durch die Praxis überholt war und der BGH dann konsequent die Entscheidung zur Rechts- und Parteifähigkeit der vermögenstragenden Außen-GbR (BGHZ 146, 341) in seinem Urteil NJW 2008, 69, 74, in das Vereinsrecht fortgeschrieben hatte. Ob mit der Annahme einer "Rechtsverkehrsfähigkeit" (in PWW zu § 54 Rn. 13) des nicht eingetragenen Vereins im Gegensatz zur Rechtsfähigkeit dogmatisch viel gewonnen ist, erscheint mehr als fraglich. Jedenfalls würde eine Verzahnung der beiden Kommentare durch Verweise an dieser Stelle dem Leser helfen, seine Argumentation in die eine oder andere Richtung abzusichern.
Insgesamt: Uneingeschränkte Empfehlung
Kritik im Einzelpunkt ist immer dem Verdacht (objektiver) Willkür ausgesetzt. Es könnten viele gelungene Passagen beider Kommentare genannt werden, die dem Leser ein getreues Bild über die aktuelle Rechtslage verschaffen. Kritik soll aber immer auch weiterführen. Das Anliegen der Kommentare, aktuelle und fundierte Information vor allem für die Berufspraxis zu bieten, ist in beiden Bänden bestens verwirklicht. Hervorzuheben ist auch, dass in beiden Bänden die nicht mehr wegzudenkenden europarechtlichen Bezüge herausgestrichen und die Vorschriften vorzüglich dargestellt werden. Insgesamt kann man das "Paket" aus PWW und PG uneingeschränkt empfehlen und ihm zum Nutzen seiner Leser noch viele gemeinsame Auflagen wünschen.
Prütting, Hanns; Wegen, Gerhard; Weinreich, Gerd BGB, Kommentar, 5. Aufl., Köln (Luchterhand) 2010, LIV, 3529 S.;
Prütting, Hanns; Gehrlein, Markus ZPO, Kommentar, 2. Aufl., Köln (Luchterhand) 2010, LXXVI, 2738 S.
Prof. Dr. Hubert Schmidt lehrt Bürgerliches Recht, Europäisches Wirtschaftsrecht und Verfahrensrecht an der Fachhochschule Trier, ist Lehrbeauftragter an der Uni Trier sowie Rechtsanwalt in einer mittelständischen Kanzlei in Koblenz; er ist Autor von Veröffentlichungen auf dem Gebiet des Zivil-, Gesellschafts- und Verfahrensrechts.
BGB- und ZPO-Kommentar von Prütting/Gehrlein: . In: Legal Tribune Online, 21.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/978 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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